Hildegard Knef - "Hildegard Knef Spricht Und Singt Tucholsky"
Viele Jahre nach dem "Sünderin"-Eklat und internationalen Broadway-Erfolgen ist Hildegard Knef zurück in Deutschland und feiert ihre ersten Hits als Chansonsängerin. Den ersten eigenen Liedtext schreibt sie zwar erst 1965, findet aber nach wie vor Gefallen daran, persönliche Lieblingstexte zu vertonen. So hält sie es auch mit Kurt Tucholsky, dem bedeutenden Autor und Publizist der Weimarer Republik. Wie Knef stammt Tucholsky aus Berlin, ist zum Zeitpunkt der Aufnahmen schon drei Jahrzehnte tot.
Mit ihrem Orchesterleiter Gert Wilden vertont die 40-Jährige drei Texte, fünf spricht sie ein. Wie nah Knefs berühmte Alltagspoesie an Tucholsky angelehnt ist, belegt gleich "Augen in der Großstadt". Wildens melancholisches Klavier umspielt die sehnsüchtigen Zeilen in bewährter Knef-Chansonmanier: "Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick / die Braue, Pupillen, die Lider / Was war das? / Vielleicht dein Lebensglück / Vorbei, verweht, nie wieder."
Der frühe Warner vor nationalistischen Umtrieben kommt in "Die Unpolitische" heraus, einem szenischen Stück, in dem sich Knef als Hausfrau dem Gesinnungstest eines Beamten in breitestem Berlinerisch verweigert. Überhaupt passt ihr Berliner Witz und der aggressive Charme gut zu Tucholskys Originalen, auch das Fremdeln mit dem Deutschsein verbindet die beiden. Das äußert sich in der einfachen Frage, wie es möglich sein kann, dass man von Beruf Generaldirektor wird oder anhand der Studie über eine Straßenbahnkontrolle. Als der Ticket-Kontrolleur einen Gast ohne Fahrschein entdeckt, laben sich die übrigen Fahrgäste am Unheil des Einzelnen, der wiederum mit Schamesröte im Gesicht immer weiter in sich zusammenfällt. Denn, so Knef mit gebieterischer Strenge: "Hier ist das Heiligste an einen Deutschen herangetreten: Die Uniform. Und da hört der Spaß auf."
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