Tocotronic - "Digital Ist Besser"

Mit seinem Tod am 5. April 1994 stürzte Kurt Cobain die Gen X in eine Krise. Eine ganze Jugend verlor ihr Idol und eine Band, in die sie ihre Frustration hineinprojiziert hatte. Ein paar Kids aus Hamburg erkannten dieses Vakuum, und die Musikpresse jubilierte über die "deutschen Nirvana". Die lethargische Antwort von Tocotronic: "Wir sind hier nicht in Seattle". Die großen Straßenschlachten in der Elbmetropole waren längst geschlagen, so richtig viel zum Rebellieren gab es nicht mehr. "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein" war der verzweifelte Wunsch, dass es überhaupt irgendeine gibt.
Doch Jan, Dirk und Arne schafften es tatsächlich, gleich selbst eine zu starten. Kein Indie-Kid in den Neunzigern oder frühen Nullerjahren, das nicht in Retro-Adidas-Jacke und Cord-Schlaghose auf Konzerte ging. Zwar wurde der Second-Hand-Look eher aus der Not und vom Fun-Punk der Hosen übernommen, doch ansonsten war alles neu. Die Gitarren verzerrt wie bei Sonic Youth oder Dinosaur Jr., die Texte teilweise für ein paar Twens etwas altklug, aber mit der Isolation von "Freiburg" dürfte wohl jede Außenseiter-Generation in der Provinz bonden.
"Digital Ist Besser" war die perfekte Mischung zwischen Hass, jugendlichem Selbstmitleid und zur Schau gestellter Lustlosigkeit an den Dingen, die einem die spätkapitalistischen 90er und die angekommenen Erwachsenen als Angebot vor die Füße warfen. Dreißig Jahre später sind wir nun die Typen, die lieber früh ins Bett gehen oder ein schickes neues E-Bike kaufen, aber allein das langsame, schiefe Intro von "Freiburg" reicht aus, um sich sofort wieder daran zu erinnern, wie wir es war, als wir damals endlich eine Band für die dringend notwendige Abgrenzung fanden.
Kaufen?
Tocotronic - "Digital Ist Besser"*
Wenn du über diesen Link etwas bei amazon.de bestellst, unterstützt du laut.de mit ein paar Cent. Dankeschön!
Noch keine Kommentare