Platz 11: Raye - "My 21st Century Blues"
Ob einzelne Rap-Einlagen, die Jazz-Eleganz oder die Dance-Grooves mancher Momente den großen Reiz ausmachen, ist bei Rayes Debüt-LP rückblickend völlig Wurst: Die Gesamtheit von "My 21st Century Blues" zeichnen geschickte Gegensätze und tiefschürfendes Songwriting aus. Fraglosen Anteil am Erfolg der 26-Jährigen in den Verkaufs- und unseren Redaktions-Charts hat sicher, dass man mit der Musik Spaß haben kann, und sie doch schonungslos erlebt-erlittene Realität aufarbeitet.
Der Hit "Escapism" führt die Scheibe an, starke Charaktere sind aber alle einzelnen Tracks. "'Escapism' handelt davon, vor der Wirklichkeit so schnell wegzurennen, wie du kannst", meint die Singer/Songwriterin über den von Karrieredruck und sexuellem Missbrauch inspirierten Song. "Das Lied ist ziemlich 'explicit', weil ich ehrlich mit diesen Wegrenn-Gefühlen umgehen wollte. Würde man den Sound drum herum entfernen und 'Escapism' nur am Klavier hören, würde das Stück sich als recht traurig offenbaren. Die Musik des Arrangements steht im Kontrast zu den Gefühlen: empowernd, aufbauend, gegen alle Schwierigkeiten, die auftreten könnten." Als roh und instinktiv bezeichnet Londons neue R'n'B-Prinzessin ihre Herangehensweise.
Während uns scharfzüngige Lyrics, schwungvolle Ohrwurm-Melodien und ein Übersprudeln an Einfällen beeindrucken, ist Raye selbst platt vom unerwarteten Durchbruch. "Ich habe sehr lange drauf gewartet, diese Musik zu veröffentlichen. Ich wollte immer ein Artist mit Alben sein, und mit Singles, die aus Alben stammen." "My 21st Century Blues" fühlt sich wie ein pralles, fleißig geführtes Tagebuch aus dem ereignisreichen Leben einer kritischen, witzigen und brillanten Beobachterin an. Ein anderes Tagebuch, "The Diary Of Alicia Keys", war übrigens Rayes erste selbst gekaufte CD. Mit diesem Meisterwerk hält "My 21st Century Blues" fraglos Schritt, auch in der Orchester-Ausgabe "My 21st Century Symphony". Wir drücken Raye die Daumen für ihren großen Traum: ein Duett mit Alicia Keys.
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