2020er: Injury Reserve - "Superman That"
Manchmal kann ein großes Unglück als Katalysator für große Kunst dienen. Als im Sommer 2021 das Trio Injury Reserve mit Steppa Groggs nicht nur eines ihrer Mitglieder, sondern auch einen Kindheitsfreund verloren, hat jedoch niemand damit rechnen können, wie radikal es auch ihre musikalische Welt auf den Kopf stellen würde.
Im Grunde könnte man hier das gesamte Album "By The Time I Get To Phoenix" listen, da Parker Coreys Arbeit als Produzent über dessen gesamte Bandbreite an die Grenzen dessen geht, das man unter dem Genre-Begriff Hip Hop versteht. Zu sagen, das würde wie nichts klingen, das man je zuvor gehört habe, grenzt dabei noch an Untertreibung. Auch vier Jahre später existiert im Dunstkreis des Sprechgesangs nichts Vergleichbares.
Am effektivsten veranschaulicht das "Superman That". Knappe drei Minuten, die klingen, als würde ein Save-File auf Parkers Rechner Amok laufen. Das fängt schon bei den Samples an, die nicht aus dem Soul oder dem Jazz stammen, sondern von neumodischen Krawallmachern wie Black Midi, und dennoch setzt der Mastermind des Duos noch einmal einen drauf. Er erzeugt hier ein so wirres und übereinander stolperndes Konglomerat an Sounds und Geräuschen, dass man gar nicht erst anzufangen braucht, es auseinanderzuklabüstern. Das ist musikalischer Brainfog, ein sich sekündlich verdichtendes Krisselbild, das Gegenteil von White Noise.
Das alleine wäre technisch sicherlich eindrucksvoll genug, aber was den Beat von "Superman That" auf eine fast transzendale Ebene hebt, ist das Zusammenspiel mit Ritchies Vocals. Auch wenn das Fundament dem musikalischen Äquivalent einer mathematischen Funktionsgleichung ähnelt, klingt das Endprodukt geradezu catchy. Die bis zum Bersten manipulierten Vocals schneiden durch den Lärm wie der Strahl einer Halogen-Taschenlampe durch den finstersten Abgrund. Ein Hoffnungsschimmer inmitten des Chaos, eine Melodie, die, so fühlt es sich an, die Hand nach einem ausstreckt, um uns vor dem Ertrinken zu bewahren.
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