30: Cora E
Es ist 1996, und das langerwartete Konzert der Klasse von '95 im Kieler Max fällt kurzfristig aus. Doch das interessiert uns nicht, denn Cora E persönlich schickt den Vorort Clan mit warmen Worten wieder nach Hause. An der Theke träumen wir danach noch immer von der Begegnung mit der Legende: Wir konnten sie hören, wir konnten sie sehen. Cora E ist neben einigen Cartel-Mitgliedern die einzige wichtige Hip Hopperin aus der Landeshauptstadt. Sie war das Schlüsselkind, wo die Mütter nicht zu Hause sind. Sie war die, die in unserer Stadt mit den "Punks an der Holstenbrücke abhing". Die in Daunenjacke. Die in Sachen Wortwitz, Storytelling und Style in der ersten Liga spielte und neben Torchmann im Tempel der fünf Elemente sitzt.
Trotz Kieler Roots entwickelt die 1968 geborene Sylvia Macco ihre Skills und Liebe für die Kultur vor allem im Heidelberger Hauptquartier. Nach Kindheit und Jugend in Kiel verschlägt es Sylvia ins Mekka der B-Boys und B-Girls. Sie macht dort eine Ausbildung zur Krankenschwester und kommt in Kontakt mit der hiesigen, schier legendären Hip Hop-Szene. Erstmals auf der Bühne steht sie 1988. Im Hamburger DJ und Produzenten Marius No.1 findet sie 1992 ihren kongenialen Partner im klassischen Producer-Emcee-Duo. Mit der Debüt-Maxi "Könnt Ihr Mich Hör'n?" setzt sich Cora ein Jahr später an die Spitze des frühen deutschsprachigen Raps. In der ersten Boomphase wechselt sie zu EMI und veröffentlicht 1997 eine der wichtigsten und besten Rap-Singles ever: "Schlüsselkind". Es folgt das Album "CORAgE", doch Cora tut sich wie alle Hip Hop-Veteranen der ersten Stunde schwer im Mainstream. Ein nationaler Chart-Erfolg im Stile der Beginner ist ihr nicht vergönnt.
Anfang der 2000er platzt die Rap-Hype-Blase der Majorlabels, es wird ruhig um die Rapperin. Nur vereinzelt tritt Cora noch bei Jams mit alten Kollegen wie den Stieber Twins auf. Als zweifache Mutter leitet sie Rap-Workshops für Jugendliche und steht fest im Leben. Bedrückend erscheint jedoch ihre 2015 im Superlative-Interview mit geäußerte Einschätzung zur Situation von Frauen im Rap: "Also, ich habe mir damals keine Fragen stellen müssen, ob ich das als Mädchen machen kann oder nicht. Als ich angefangen habe zu rappen, ging es darum, ob man Skills hatte und einen guten Flow, und es hat niemand interessiert, ob man ein Mädchen war. Man musste halt mithalten. Ich glaube, das ist heute anders."
Trotzdem stirbt die Hoffnung auf Befreiung und Gleichberechtigung nicht, wie diese Liste hier zeigt. Eins ist sicher: Cora E bleibt auf ewig die Queen Of The City - und der Emcee weiblich.
Album-Tipp: "CORAgE"
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