Depressionen mit Meerblick
Es ist mir nur als Thema hängengeblieben, weil ich diese Woche schon andernorts darüber nachgedacht hatte. In meinem Albumclub-Discord hatten wir diese Woche eine Session zu Luvre47s "Depressionen Mit Meerblick" und wir waren uns alle einig: Das ist ein wirklich starkes Album, der rappt richtig gut, der hat etwas zu erzählen. Ich glaube, niemand hat dem Album ernsthaft ehrliche Schwächen oder Fehler unterstellt.
Trotzdem waren ein paar von uns am Ende mit einem Gefühl von 'Ach man, ich hätte mir gewünscht, da wäre nochmal ein bisschen eine Entwicklung gekommen' rausgegangen, und wir haben uns eine Weile darüber unterhalten. Sehr zum Leidwesen desjenigen, der das Album ausgesucht hat und der das Tape sehr mag. Nachdem erst alle einmal pflichtschuldig Props gegeben haben, ging ein endloser Diskurs darüber los, warum das Album am Ende doch nicht ganz ins 'großartig'-Territorium vorgestoßen ist.
Aber ich fand das ehrlich eine spannende und produktive Diskussion, weil das, was Luvre hier macht, in meinen Augen ein recht typisches Deutschrap-Syndrom zeigt: Ein Rapper findet eine Komfortzone und bildet die eigene Technik perfekt dafür aus. Es klingt erstmal cool und beeindruckend, was er da macht, und dann bleibt er da, weil das ja beeindruckend genug ist.
Ich habe am Ende einen richtig leidigen Kendrick-Vergleich gezogen. Mein Gedanke war: 'Aber guck mal, auf dem seinen Alben findest du keine zwei gleiche Parts.' Klar, Hurensohn von mir, dass ich sofort den besten Albenartist der Rapgeschichte dagegenhalte, aber manchmal wurmt es mich doch, dass so wenige Rapper und Rapperinnen auch nur versuchen, ein bisschen in diese Richtung vorzustoßen. So viele Rapper, so scheint es mir, kochen ihren Rap als einen riesengroßen Topf Eintopf auf und kellen die Suppe dann gleichmütig über Beat nach Beat.
Wenn ich jetzt also sage, mir fehle etwas an diesen Alben von, sagen wir, Luvre oder SSIO, dann ist das natürlich erst einmal irgendwie unfair, weil ich sie an einem Maß messe, das für sie gar nicht passt. Aber ich will gleichzeitig auch nicht denken, dass es zu viel verlangt ist, ein bisschen aktiver und kreativer mit dem Medium Album zu arbeiten. Ein Album mehr als eine Plattform zu nutzen, um wirklich den vollen Radius der eigenen Kreativität zu erkunden, statt ein Dutzend Mal dieselbe Liegestütze zu machen und zu hoffen, dass die Beatauswahl schon genug Variation mitbringen wird. Das ist doch mit der Grund, warum Keemo von Anfang an mit seinen Alben beeindruckt hat.
Aber: Ich sehe auch, warum das für Fans der Musik als Kritik frustrierend sein kann. Ich liebe genug Tapes, die nach diesem Eintopfmodell funktionieren. Wenn der Rapper oder die Rapperin fresh genug ist, die Beats hart genug gehen und man den Hunger spürt, dann muss niemand einen Kendrick oder einen Kanye emulieren wollen. Aber das führt auf das Ding zurück: Ich finde, das SSIO-Tape ist ganz gut, und ich finde, das Luvre-Tape ist ziemlich gut. Das Gefühl, dass mir persönlich noch eine kleine Note Ambition gefehlt hat, ist nicht unbedingt eine objektive Kritik oder ein Mangel am Album. Aber es ist trotzdem ein Eindruck, der mir sehr nachhaltig geblieben ist.
2 Kommentare mit einer Antwort
Ich persönlich finde tatsächlich schon, dass "macht das gleiche wie beim letzten Album", mehr oder weniger unabhängig davon, auf welchem Niveau das getan wird, an sich schon völlig ausreichend ist, um Abzüge in der B-Note zu geben.
stimme ich zu; wichtig an kunst ist ja das auslösen von gefühlen beim konsumenten und die gleichen dinge lösen beim zweiten mal natürlich weniger aus als beim ersten mal
Clever - hätte mich nie gejuckt wäre es nicht hier erwähnt worden. Sind in der Tat paar Banger dabei.