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Sei mal ehrlich, SME

Apropos: Bei der SSIO-Review zu "Alles Oder Nix" gab es ein paar Kommentare, die ich ganz interessant fand. Es ging vor allem um die Frage, ob es jetzt fair sei, an Artists diesen ständigen Innovationsanspruch heranzutragen. Oder, wie es Rumpelkammer formuliert:

Ich würde lügen, wenn ich mich davon nicht ein kleines bisschen auf den Schlips getreten gefühlt hätte. Er hat auf der einen Seite Recht, dass es ja erst einmal nicht gegen jemanden spricht, der eigenen Linie treu zu bleiben. Es stimmt auch, dass mein Gefühl, dass es einem selbst keinen Spaß macht, nicht unbedingt das überzeugendste Argument der Welt ist. Trotzdem: Am Ende des Tages kann ich ja nur mit dem arbeiten, das die Musik für mich hergibt.

Ich bezweifle, dass eine nüchterne Ist-Wert-Review, in der ich einmal abhandle, dass SSIO weiterhin sehr gut macht, was er immer gemacht hat, und deswegen ebenjene hohe Bewertung bekommt, arg viel erhellender wäre.

Am Ende des Tages stellt das die Frage, was eine Review überhaupt leisten soll. Für mich persönlich ist es ein Abklopfen und Aufschreiben meiner subjektiven Erfahrung mit Musik. Objektivität gibt es eh kaum, ein bisschen Kontext sollte man natürlich geben. Aber ein Gefühl von 'Ich hätte mir mehr erhofft' ist eben bekanntlich schwer zu formulieren. Wenn ein Album nicht so hittet, wie es hitten soll, dann ist es so. Ob ich mir dann denke, dass es besser gewesen wäre, wenn er mal etwas anderes probiert hätte, oder ob er im besten Fall einfach nur dichtere, stäkere Songs in derselben Sparte hätte schreiben sollen: Wer bin ich, um das zu beurteilen?

Ich sage ja auch in der Review, dass das Album mitnichten schlecht ist, 3/5 ist bei Gott keine niedrige Wertung. Ich versuche nur, dem Grund dafür auf die Spur zu kommen, warum ich es nicht so fühle, wie ich es gern gefühlt hätte. Und ich fürchte, dass das Gefühl von fehlendem Hunger und fehlendem Funken mir wie die Erklärung vorkommt, die dem am nächsten kommt.

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1 Kommentar mit einer Antwort

  • Vor 2 Tagen

    Also grundsätzlich verstehe ich ja den Wunsch, dass sich ein Musikgenre weiterentwickelt. Und das Gefühl, vieles schon so oft gehört zu haben.

    Aber das bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass sich jeder Künstler mit jedem Album neu erfinden muss. Manchmal hab ich dann doch lieber nochmal das gleiche Album mit leicht neuen Texten, als so krampfhafte Versuche, jetzt irgendwie anders / modern / innovativ klingen zu müssen.

    • Vor 2 Tagen

      Einerseits ja, ein übertriebener Innovationsdrang kann auch dazu führen, dass die eigene Musik ihren Charme verliert, vor allem bei extremen Brüchen.

      Andererseits beobachte ich auch oft die umgekehrte Variante: Das zwanghafte Reproduzieren glorreicher Momente. Ob das so hinhaut ist auch immer davon abhängig, welche Person welche Ansprüche an die jeweiligen Künstler stellt. Ich habe wahrscheinlich auch so Bands und Artists, die wegen mir ständig dasselbe machen können.

      Bei SSIO bin ich tatsächlich ein wenig strikter, aber ich war jetzt auch nie so ein Superfan, der mit seiner wohlgemerkt sehr einzigartigen Persönlichkeit in dem Maße was anfangen konnte, dass mir das aktuell abgelieferte reicht. Seine ersten beiden Alben, also die, die seine Karriere weitestgehend definiert haben, sind jetzt schon knapp über 10 Jahre alt und mein Humor hat sich verändert, die Pointen von SSIO nicht. Wolfgang M. Schmitt hat in der Filmanalyse zu "Kanu des Manitu" von einem "Erinnerungslachen" gesprochen, also das Amüsieren über eine Sache, die an sich gar nicht witzig ist, sondern nur an einen lustigen Moment erinnert. Passt für mich ein wenig auch hier.