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Utopia ist hier!

Heute keine Deutsch-Englisch-Trennung, offensichtlich ist die große Story der Woche nämlich das neue Travis Scott-Album. Fünf Jahre nach "Astroworld" haben wir nun endlich "Utopia" bekommen. Der Hype hat sich von allen Umständen schließlich doch nicht trüben lassen: Die Verkaufszahlen der Woche überragen eine halbe Million: immens für ein sonst eher schwächelndes Hip Hop-Jahr.

Aber liefert es auch qualitativ ab? Das hat schon der Kollege Kay Schier auseinandergenommen. Ich persönlich tue mich nach ein paarmal Hören damit ein bisschen schwer als mit "Astroworld". Da stecken offensichtlich viele coole Produktionsideen drin und ein paar Songs jammen schon kompromisslos. Ich denke da an "Modern Jam", "Fe!n", "I Know" und "Circus Maximus", also die absoluten Normie-Picks, ich weiß. Aber irgendwo fühle ich mich doch nicht so ganz abgeholt.

Es gibt ein paar kleinere Pet Peeves, zum Beispiel, dass dem Album gerne untergeschoben wird, dass es experimentell sei. Aber im Grunde bei jedem Song lässt sich superklar ablesen, auf welches davor schon gelungene Experiment es sich jeweils bezieht. Man hört "Black Skinhead", "I Am A God", Ideen von Kanye, Frank Ocean, Kid Cudi oder Travis selbst. Das macht die funktionierenden Songs nicht weniger effektiv, nur so richtig experimentell will mir das alles nicht vorkommen.

Außerdem: Ich hatte das Gefühl, Travis war auf vorigen Alben ziemlich gut darin, diesen Ort des Geschehens gut spürbar zu machen. Auch, wenn ich es kaum erklären kann, war ich voll im Bilde, was für ein "Rodeo" er da gemeint hat. Auch, was ihm dieser stillgelegte "Astroworld"-Freizeitpark bedeutet hat, ist mir irgendwie klar geworden. Ich hab' aber keine Ahnung, was dieses "Utopia" sein soll, von dem er jetzt redet. Die meiste Zeit ist das Album für mich sehr viel Rauch und Nebel um sehr wenig Kern, nicht einmal, weil ich will, dass er irgendetwas Tiefschürfendes sagt, aber: Hier ist alles Deko und nichts drunter. Leider oft hinter all den Orgeln und Synths und dem Mike Dean-Feenglitzer nicht mal so richtig geile Songs.

Mir sind die achtzig Minuten alle drei Mal recht schnell schwerfällig vorgekommen. Vor allem, weil es halt oft diese Form annimmt:

Erzähler: "Das ist Gottes Kreation, das Utopia, die Welt, das alte Rom, Atlantis und die Pyramiden, das Epizentrum, die Epidemie."

Zwanzig Takte epischer Synth-Build-Up.

Bon Iver: "Was ist das Leeeeben, warum leeeeben wir?"

Travis: "ICH FICKE BITCHES, DIE ZWILLINGE SIND!"

Autotune-Chor.

Ende.

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