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Die Blase muss platzen

Vergleichbar geduldig bin ich grundsätzlich, wenn es um neue Musik von Juse Ju geht. War ja im Grunde klar, dass die Wahlergebnisse einen Rapper wie ihn wieder auf den Plan rufen, man muss ja ein Zeichen setzen, den Ernst der Lage erklären. Also los, Schulhefte raus, hören wir uns an, was der Mann zu sagen hat:

Wir fassen zusammen: Früher konnte man die politischen Rechte mit Zynismus wegignorieren, jetzt, wo sie eine reale Gefahr geworden ist (war sie zuvor ja nie), ist es gar nicht mehr lustig. Merz ist ein AfD-Sympathisant, Julian Reichelt, ein Hundesohn, die USA ein Warnbeispiel und TikTok dran schuld, dass die AfD so stark ist. Got it. Und anstelle "Love is blind" zu schauen, sollten wir bitte alle mehr demonstrieren gehen, weil die beiden Sachen schließen sich gegenseitig ja kategorisch aus.

Das ist jetzt alles ein bisschen überspitzt, und ich verstehe ja, dass man angesichts des politischen Klimas angepisst reagiert, aber irgendein vereinfachtes Phrasengedresche für eine Echokammer aus linken Großstadt-Studenten, damit die den Text dieses Songs mit drei Ausrufezeichen in ihrer Insta-Story posten können, hilft halt auch keinem weiter. Das sage ich als fester Bestandteil dieser Echokammer.

... und, nein, man muss nicht immer mit jedem Song einen Lösungsansatz bieten oder einen Bildungsauftrag erfüllen, manchmal tut es auch einfach nur gut, Dampf abzulassen. Aber dafür funktioniert der Track für mich eben auch nicht, weil Ju alles in diesem oberlehrerhaften, verklausulierten Ton vorträgt, der einem einhämmert, dass das, was er da gerade sagt, ganz doll ernst und clever sei. Ist es aber nicht. Juse Ju sagt, er rotze ein paar lustige Lines hin, aber das ist gelogen. "Das Ende des Zynismus" ist zurecht sauer, aber es wiederholt das Offensichtliche, bedient sich der einfachsten Feindbilder, schießt auf die größten Ziele und verkauft einem das alles als mittelschwere Offenbarung.

Versteht mich nicht falsch, gerade in den letzten Wochen hat mich wenig so sehr abgefuckt wie das Infighting in linken Gruppen, und ich will Juse Ju hier nicht dafür unter die Räder werfen, dass mir seine Position zu dem Thema nicht gefällt oder nicht links genug ist oder so ein Schwachsinn, sondern einfach nur ganz allein deswegen, weil ich diesen Song ziemlich beschissen und überflüssig finde.

Wir brauchen nicht den x-ten Anti-AfD-Song von einem Juse Ju oder einem Fatoni, wir brauchen einen Anti-AfD-Song von einem Summer Cem, von einem Capital Bra, meinetwegen von fucking Bushido. Von irgendwelchen Rappern, deren Fanbases mit den Inhalten eines solchen Textes nicht schon übereinstimmen, bevor sie überhaupt auf Play drücken.

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