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Man on the moon

Wir haben mit Dokus angefangen, wir hören mit einer auf. Diese kann ich euch allerdings vollkommen ohne Vorbehalte empfehlen, selbst wenn ihr euch nicht für den Mann interessiert, von dem sie handelt. Seit dieser Woche ist auf Amazon Prime "A Man Named Scott" verfügbar, eine 94-minütige Dokumentation über den Musiker Kid Cudi und viel mehr den Menschen hinter dem Künstlernamen.

Regisseur Robert Alexander erzählt keine Biografie, sondern legt sein Hauptaugenmerk vielmehr auf die Bedeutung und Resonanz von Kunst sowie auf die Verletzlichkeit und Offenheit, die Cudi seine gesamte Karriere über predigte. In einem Genre, in dem es verboten schien, darüber zu reden, was einem auf der Seele liegt, war er der Wegbereiter, der einer Generation als Ankerpunkt diente. Da ist jemand, der auch mit Millionen auf dem Konto das gleiche durchmacht wie wir alle, der an sich zweifelt, der depressiv ist, der Probleme damit hat, glücklich zu sein. "He saved my life", hört man immer wieder im Laufe des Films aus dem Mund von Fans wie Musiker*innen. Wie auch in seiner Musik redet Cudi viel über seiner mentale Gesundheit, scheut nicht davor zurück, sich selbst seine größten Fehler einzugestehen oder sich an seinen psychischen Tiefpunkten zu zeigen.

Was nicht heißen soll, dass Cudis Musik zu kurz kommt. Der Film beginnt mit "Day'N'Nite" und arbeitet von da an akribisch die größten Meilensteine in der Diskographie des Wahl-New Yorkers ab. In solch rascher Abfolge wird deutlich, wie wenig sich Cudi um Erwartungshaltungen, Verkaufszahlen oder Label-Anforderungen kümmert. Die musikalischen Detouren die nach "Man Onn The Moon 2" folgten, sind Zeugnisse eines Kunstschaffenden, der Musik als Therapie benutzt und der entgegen jeder Stimme der Vernunft genau das durchzieht, das sein Gemütszustand ihm vorschreibt, ohne Wenn und Aber.

Selbst ein Album wie "Speedin' Bullet 2 Heaven, das von Kritikern in der Luft zerrissen wurde und über das sich Cudi weigert zu reden, weil es die düsterste Zeit seines Lebens widerspiegelt, hätte niemand anderes so machen können. Da wird dann auch deutlich, wieso jemand wie Kanye West, der in der Dokumentation auch zu Wort kommt, ihn als den einflussreichsten und besten Künstler der letzten Dekade bezeichnet.

In der visuellen Umsetzung Alexanders spiegelt sich die Freigeistigkeit wieder, die Cudi zu diesem Ausnahmekünstler macht. Interviews werden etwa mit Arthouse-esken Bildmontagen und Performance-Kunst unterlegt, die Farbpalette und das Framing sehen eher nach Streetart aus als nach nüchternem Dokumentieren. Aber das ist auch gut so. "A Man Named Scott" ist ein warmer und ehrlicher Film, eine Ode an das Außenseitertum, an Verletzlichkeit, ans Verlorensein und an die Kunst.

Da die Dokumentation auch in mir meine Liebe für Cudis Musik ein wenig neu entflammte, geb' ich euch als Rausschmeißer noch meinen liebsten Song von ihm mit: "Soundtrack 2 My Life". "I've got some issues that nobody can see / And all of these emotions are pouring out of me / I bring them to the light for you / It's only right." Danke, Scott.

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