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Grüße aus der schönen neuen Welt

In einer Gemäldegalerie mit Kollegahs Werken eingesperrt zu sein: eine alptraumhafte Vorstellung, ja. Trotzdem immer noch ein Ponyhof, verglichen mit diesem Szenario: Stell dir vor, du bist Journalistin, irgendeine KI dichtet dir eine Beziehung und gemeinsame Kinder mit Kontra K an, dann verselbständigt sich dieser Blödsinn im Netz, weil ihn eine Stelle von der anderen abschreibt. Alter, das kommt ziemlich nahe an meine Idee vom siebten Kreis der Hölle heran. Ich würde den Rest des Jahres unter der Dusche zubringen wollen.


Die schweizerische Journalistin Celina Euchner durchlebt diesen Horror gerade. Dem Tagesanzeiger erzählte sie:

"Am 23. Januar schreibt mir ein Freund auf Instagram: 'Hey Celina, so dubiose KI-Nachrichtenseiten schreiben Artikel über dich und Kontra K.' Dazu schickt er Screenshots einer Google-Suche. Darauf sehe ich mich neben dem Deutschrapper, den ich vor ein paar Jahren interviewt habe. Unter einem Foto steht 'Kontra K Freundin Celina Euchner'. Auf einem anderen ist neben uns ein Kind zu sehen."

Sie habe den Rapper zwar einmal interviewt, weswegen tatsächlich gemeinsame Fotos existieren. Was ihr Suchmaschinen allerdings über ihr angebliches Verhältnis ausspuckten, entbehre jeder Grundlage:

"Ich klicke mich durch Websites, sehe noch mehr Bilder von mir, geklaut aus Artikeln, die ich einst geschrieben habe, gescreenshotet aus Videos, die ich vor Jahren aufgenommen habe. In den Texten lese ich eine komplett erfundene Storyline über mein Leben. Seit Jahren sei ich mit diesem Rapper zusammen. In einem Artikel heißt es: 'Im Jahr 2024 haben Kontra K und Celina ihr zweites gemeinsames Kind begrüßt. Dies zeigt, dass ihre Beziehung stark und stabil ist.'' In einem anderen steht, wir hätten sogar drei Kinder."

Euchner erfährt über sich, sie sei Influencerin, Ernährungscoach und Fitness-Coach, berate angeblich Tausende Frauen darüber, wie man "schön, fit und straff" bleibe. "Das verletzt mich", so die Kolleging. "Ich will nicht auf mein Äu?eres reduziert werden. Jetzt soll ich Symbolfigur eines Ideals sein, das ich selbst als selbstzerstörerisch empfinde? Es kommt mir vor, als würde jemand meine Unsicherheiten auf die ganz große Bühne heben. Aussehen, Disziplin, Kontrolle über den Körper – Themen, mit denen ich in der Vergangenheit gerungen habe. Es ist, als wäre das die einzige Sprache, in der Frauen beschrieben werden könnten. Ich fühle mich vorgeführt, reduziert auf das, was ich nicht sein will. Ich will als Journalistin über toxische Diätkultur schreiben, statt sie in den sozialen Medien anzupreisen."

Inzwischen sprechen sie bereits Arbeitskolleg*innen, Freunde und Familie auf ihre vermeintliche Beziehung zu Kontra K und ihre angebliche Influencer-Tätigkeiten an. "Ich frage mich plötzlich, was das für meine journalistische Glaubwürdigkeit heißen kann. Was, wenn jemand die Seiten sieht und an meiner Objektivität zweifelt? Was, wenn Arbeitgeber sich die Frage stellen, ob ich Berufliches und Privates trennen kann? Immerhin date ich offenbar meine Interviewpartner."

Abzuwarten und zu hoffen, dass sich der Spuk von alleine in Nichts auflöst, habe nichts gebracht. "Das tut es nicht. Stattdessen werden es immer mehr Webseiten, und die Story entwickelt sich weiter. Die falschen Informationen nähern sich immer mehr meiner echten Biografie an. Auf einigen Websites steht nun, dass ich Journalistin sei und in der Vergangenheit in den USA gelebt und als Korrespondentin gearbeitet hätte. Das stimmt. Zu lesen ist auch, dass ich meine Stelle im Ausland im Jahr 2023 verlassen habe. Es sind Informationen, die online zugänglich sind, und es fühlt sich so an, als kämen mir die Lügenstorys immer näher. Als würde der Fake immer glaubwürdiger, weil nun ein Teil davon stimmt. Was kommt als Nächstes? Meine Privatadresse auf einem dieser Portale?"

Celina Euchner geht inzwischen juristisch gegen die KI-Webseitenbetreiber vor, die Humbug über ihre Person verbreiten. Das Gesetz wäre eigentlich auf ihrer Seite, allerdings dürfte es schwer werden, ihre Rechte durchzusetzen. Ob Kontra K etwas gegen die Fake-Berichterstattung unternimmt, und falls ja, was, Euchner weiß es nicht: "Ich bezweifle es. Der Rapper hat bislang nicht auf meine Anfrage reagiert."

Igitt. Nix wie weg hier.

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