Unfair!
Rein nach Äußerlichkeiten zu urteilen - ist das nicht unfair? Willkommen im Leben nahezu jeder Frau, die sich mit irgendetwas an die Öffentlichkeit wagt. Ihre Arbeit wird vielleicht auch zur Kenntnis genommen, wenn sie Glück hat. Drauf wetten kannste aber, dass ihr Erscheinungsbild kommentiert und munter ihre eventuelle Fickbarkeit diskutiert wird. Nachzulesen unter nahezu jeder Plattenkritik einer Künstlerin, aktuell wieder bei Lady Gaga.
Journalistinnen geht es da nicht anders, im maskulin (oder was sich so alles dafür hält) dominierten Rap-Kontext gleich zweimal nicht. Visa Vie kann davon ein Liedchen singen (was sie unter anderem hier getan hat), aber auch Lisa Ludwig, die lange Jahre für rap.de geschrieben hat. Inzwischen ist sie Chefredakteurin bei Broadly. Im Splash! Mag ließ sie an ihren Erfahrungen teilhaben:
"Irgendwann dachte ich: 'Okay, egal worüber ich geschrieben habe, es gibt immer mindestens eine Person, die das kommentiert mit: Ich finde, Frauen sollten nicht über Rap schreiben.' Daraufhin habe ich mir einfach einen komplett absurden Männernamen ausgedacht und eine Review unter diesem Pseudonym geschrieben. Ich habe mich 'Hussein-Maik' genannt und dachte, der Name sei sowieso so lächerlich, dass niemand mir glauben würde, dass das eine echte Person sei. Zeitversetzt sind dann an einem Tag zwei Reviews von mir online gegangen. Die eine unter dem Namen Lisa und die andere als Hussein-Maik. Es war total abstrus, denn ich finde, man erkennt ja auch meine Schreibe. Wenn jemand ansatzweise Lesekompetenz hat und diese beiden Texte liest, müsste er eigentlich wissen, dass sie von der selben Person geschrieben wurden. Wie auch immer … Als ich parallel zueinander die Kommentare freigeschaltet habe, standen unter dem Lisa-Artikel Dinge wie: 'Das geht ja gar nicht, die kann nichts, was will die noch bei rap.de? Schmeisst die endlich raus!' Und bei der Hussein-Maik-Review kam sowas wie: 'Endlich mal jemand, der schreiben kann bei rap.de!' Ich wusste, dass das passieren würde, aber ich wollte es nochmal ganz klar vor mir haben. Das war für mich der Gipfel der Ungerechtigkeit."
Ja, es ist ein alter Hut. Nein, man darf nicht aufhören, sich aufzuregen, auch wenn man immer mal wieder sprachlos dasteht.
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