Alles
Aber warum eigentlich nur auf das Jahr zurückblicken, wenn man auf das ganze Jahrzehnt schauen kann? Das haben bisher nur wenige gemacht. Zum einen, weil es ein immenser Aufwand ist. Zum anderen, weil dabei auch ziemlich wild zusammengeflickte Dinge rauskommen können:
Fairerweise ist der Zeit-Dekaden-Recap über den Gangster-Rap der Zehnerjahre alles andere als schlecht. Er nimmt die wichtigsten Akteure auf, rekapituliert die Höhen und Tiefen passend und findet eine schöne Balance aus Achtung und Kritik vor dieser vogelwilden Szene. Trotzdem ist es schwer zu sagen, was jetzt das Fazit des ganzen ist. Die gerade Linie von Aggro Berlin über Haftbefehl bis zu Capital Bra und Summer Cem ist nämlich eine bestenfalls imaginäre, die sich zwar soziopolitisch ziehen lässt, musikalisch aber nur mit sehr viel Fantasie. Es ist interessant und vielleicht auch nicht unberechtigt, dass man den Begriff "Gangster-Rap" als Milieustudie verstehen kann. Nur über die Musik wird dabei verhältnismäßig wenig gesprochen. Das einzige erwähnte Lied ist Miami Yacines "Kokaina", über die musikalische Entwicklung wird außer der Präsenz von Trapbeats aus Amerika eigentlich auch nicht viel erzählt. Es ist eine schöne Vignetten-Sammlung, aber nach den drei Seiten bleibt eher das Gefühl, dass da die wirklich interessante Erzählung erst unter der Oberfläche lauert.
1 Kommentar
Ich sehe schon eine gewisse Entwicklungslinie von Haftbefehl zu Capital. Hafti hat deutschen Straßenrap entkrampft, musikalisch viel herumexperimentiert und seiner Sprache neue Impulse verlieren. Ein Künstler wie Capital, der zwischen harten und melodischen Sounds hin- und herpendelt und seine Texte, in denen verschiedene Spracheinflüsse, subgenretypische Phrasen und manchmal auch ein abseitiger Humor einfließen, meist spontan auf den Beat freestylt, wäre ohne diese Vorarbeit nicht denkbar, auch wenn Hafti im Gegensatz zu Capital Perfektionist ist und ein anderer Typ Rapper ist. Für mich kommt Capital aber eindeutig aus der Haftbefehl- und nicht aus der Bushido-Schule.