... not sorry
Damit wäre das Thema eigentlich erledigt, wäre da nicht jemand Spitzfindiges über einen weiteren, noch viel schwärzeren Fleck in Haiytis Lebenslauf respektive in ihrer Diskographie gestolpert, der den nächsten Shitstorm ins Rollen bringt. Der deutsch-jamaikanische Rapper Capuz, der in der Vergangenheit mit Haiyti auf "Sui Sui" zusammenarbeitete, machte via Instagram bereits im Dezember darauf aufmerksam, dass die Rapperin auf dem Titeltrack ihres 2015 erschienen Debüt-Tapes "Havarie" mehrmals das N-Wort in den Mund nahm und sich bis heute nicht dafür entschuldigt hat.
In einem Statement geht er auf die Beziehung der beiden zueinander ein und schreibt, dass er sie mehrmals darum gebeten habe, den Track offline zu nehmen, was Haiyti nicht getan habe. Im Rahmen der Proteste nach George Floyds Ermordung habe er sie erneut auf das Thema angesprochen und gefragt, ob Sensibiliserung für sie ein Thema geworden sei. Er schreibt: "Ich verstand es aber auch als meine humanitäre Pflicht, sie über das aufzuklären, was in aller Naivität und Unwissenheit als unwichtig gewertet werden könnte."
Haiyti antworte ihm zufolge mit den Worten: "Ich muss mich nicht sensibilisieren", was Capuz dazu bewegte, die Freundschaft zu beenden und sich von ihr zu distanzieren. "Ich verweise auf diese persönliche Erfahrung nicht, um Haiyti als Rassistin abzustempeln, sondern vielmehr, um ein lehrreiches Beispiel zu liefern. Die Entwicklung dieser ignoranten Haltung gegenüber der Cultural Appropriation hierzulande macht Menschen zu schaffen und verdeutlicht, wie das Thema besonders Rapszene-intern immer noch abwertend belächelt wird", schreibt er abschließend.
Zusätzlich zu dem Statement, das ihr hier in voller Länge nachlesen könnt, veröffentlichte er außerdem den (freundlich gesagt eher mäßigen) Disstrack "Strohpuppe", in dem er unter anderem folgende Zeilen rappt: "Tracks wie 'Havarie' werden nicht rechtlich verfolgt, warum kriegt sie jetzt einen Preis für beste Texte auf Deutsch?"
Als Fan Haiytis tut es natürlich weh, das zu lesen. Wenn man ihren Interviews bisher eines entnehmen konnte, dann, dass sie wirklich nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, aber dieses Level an Ignoranz, sofern es denn stimmt, ist wirklich nur schwer zu entschuldigen. Auf der anderen Seite sind diese viralen Hetzjadgen, die sich auf uraltes Material von Personen beziehen, die in der Öffentlichkeit stehen, grundlegend problematisch, weil wirklich jede*r Leichen im Keller hat, manche größer, manche kleiner.
Capuz, der sich in der verlinkten Perfomance als "Deutschraps Moralapostel" bezeichnet, schien jahrelang schließlich auch kein Problem damit zu haben, mit den frommen Saubermännern der 187 Strassenbande zu kokettieren. Antirassistisches Engagement in allen Ehren, aber dann bitte auch von den Kollegen distanzieren, wenn sie mal wieder einer 'Schwuchtel' ins Bein schießen oder ihrer Freundin ein blaues Auge verpassen.
Dennoch spricht er in seinem Statement natürlich einige sehr relevante Punkte an. Solidarität mit der Kultur, die Hip Hop überhaupt erst ins Leben rief, ist hierzulande weitestgehend wirklich noch ein Fremdwort. Folgerichtig schlug diese Meldung in den vergangenen Wochen auch keine wirklichen Wellen und nimmt erst jetzt Fahrt auf, wo Haiyti eh gerade am Pranger steht und man zusätzliche Tomaten, mit denen man sie bewerfen kann, gerne annimmt.
Es scheint jedoch so, als habe die Hamburgerin zumindest im Stillen reagiert und den Track überall offline genommen, ich konnte ihn zumindest nicht ausfindig machen. Ein ausführlicheres Statement respektive eine Entschuldigung dazu wären dennoch angebracht. Dann kann das Internet vielleicht für einen Moment die Mistgabeln wieder einstecken und wir können uns alle darauf einigen, dass man Künstler*innen nicht mögen muss, um ihre Musik gut zu finden. Wäre das anders, hätte ich mir definitiv das falsche Lieblingsgenre ausgesucht.
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