DEZEMBER: ALBEN / DEUTSCH
Yo Grandma Fromm: Ohje, komm, dann reden wir halt nochmal über "Paul". Ich bekomm' ja selbst nicht so richtig zu greifen, warum mich bei Sido gar so stört, dass er jetzt seine Drogen- und Psychoprobleme (von denen ich ihm absolut glaube, dass er sie hat) öffentlich breittritt. Bei anderen - von Private Paul zu Denzel Curry - stört mich das ja auch nicht. Im Gegenteil: Eigentlich MÖCHTE ich ja, das sich Künstler*innen in ihrer Kunst doch bitteschön mit den Themen befassen, die sie gerade umtreiben. Bei Sido kam mir trotzdem alles komplett kalkuliert vor. Als wolle da einer Platten verkaufen mit Mental-Health-Themen, weil die gerade irgendwie "angesagt" sind. Da wird man dann bestimmt auch gleich zu "Danke, gut!" eingeladen (... bämm!).
Keine Ahnung, wahrscheinlich ist unfair, Sido Berechnung zu unterstellen. Aber bei ihm hatte ich halt schon häufiger den Eindruck, dass er kurz vor Albumrelease irgendein Thema aus dem Hut zieht ("Ich bin auch Ossi!", "Ich bin auch Zigeuner!"), das er dann doch sehr wenig nachhaltig bis gar nicht weiterbehandelt. Ich wünsch' ihm das beste. Trotzdem, sorry, Yannik, ich weiß, dass du das anders siehst, aber dieser glatte Popsound, den Sido seit Jahren schon spazierenführt, der gibt mir halt jaaarnüscht. Da hör' ich doch lieber weiter "Strassenjunge" im Loop.
Freshman Mirco: Ich weiß auch nicht. Aufgrund der Promo hatte ich auch wirklich nullkommanull Bock auf dieses Album, aber nach Yanniks Review hab ich dann doch reingehört und war erstaunt, wie sehr es mich an manchen Stellen berührt hat. Hinten raus verliert es zwar komplett den roten Faden, und oft fehlt es Sido eindeutig an handwerklichen Mitteln, um diese komplexen Themen adäquat aufzuarbeiten. Aber gerade die Songs, in denen er frei von der Seele redet und sich selbst ins Kreuzfeuer nimmt, wirken erstaunlich genuin und reflektiert, wenn auch oft musikalisch wenig ansprechend. Da ich mich allerdings nicht daran erinnern kann, dass zuvor überhaupt jemals ein Sido-Album irgendeine Reaktion außer Langeweile in mir auslöste, stehe ich "Paul" alles in allem relativ positiv gegenüber.
Obwohl es unterm Strich vielleicht sogar das bessere Album ist, geht es mir mit Haftbefehls "Mainpark Baby" genau andersrum. Was war ich nach dieser spontanen Ankündigung gehypt, und was war ich enttäuscht, als ich hörte, was dann am Ende dabei rumkam.
Dieser Yannik™: Irgendwie nicht so viel, oder? Hafti hat einfach seine Stimme und den Bock gefühlt ziemlich verloren. Am Ende hätte das ein großes Ding sein müssen, ist aber ziemlich in den Fluten untergegangen. Und zu "Paul": Dani, ich weiß halt echt nicht, was du noch von diesem Album hättest wollen können. Klar, es ist Deutschpop, ich verstehe jeden, dessen Ding das nicht ist, aber ich finde, mit diesen Mitteln hätte man dieses Thema kaum aufrichtiger angehen können. Ich bin sehr froh darüber, dass eins der großen Deutschrap-Zugpferde zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt Lust auf Musik zu haben schien. Es kommt halt auch echt einfach nicht genug guter deutscher Rap raus, um so eine Ambition und so viel Wagnis nicht zu einem gewissen Grad gutzuheißen.
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