SWR2 hat Koks und Knarren für die Kids
Schön zu sehen, dass manche Dinge in einer sich rasant wandelnden Welt dann doch beim Alten bleiben. Eltern verstehen den Musikgeschmack ihrer Kinder nicht. Kinder finden die eigenen Eltern uncool. So war es immer schon. So wird es hoffentlich bleiben.
Statt massig Energie darauf zu verschwenden, wieder und wieder zu bejammern, dass "diese jungen Leute von heute" dies und das nicht verstanden oder einfach grundsätzlich keine Ahnung haben, könnte man auch überlegen, ob einem vielleicht nicht selbst irgendwo ein Zugang fehlt.
Junge sägen an den Thronen der Alten. Das ist gut so. Wenn alle immer nur in Ehrfurcht erstarren würden, wir wären gefangen im Stillstand - und das wäre dann irgendwann vermutlich genau so ermüdend wie dieses ewige Wehklagen darüber, dass "diese schlimme Musik von heute die Jugend verdirbt". Ein Horn, in das ja auch besagter Spiegel-Artikel wieder stieß.
Es lässt also zunächst einigermaßen Schlimmes befürchten, wenn sie sich daraufhin bei SWR2 bemüßigt fühlen, in einer Diskussionsrunde der Frage nachzuspüren: "Koks und Knarren für die Kids: Wie gefährlich ist Gangsterrap?"
Tatsächlich entpuppt sich das Gespräch, zu dem Jule Wasabi, Kinderzimmers Textor und Marcus Staiger geladen waren, als reflektierte und ziemlich unterhaltsame Angelegenheit. Letzterer beklagt gewohnt wortreich die Bigotterie, mit der eine an neoliberalen Werten orientierte Gesellschaft Rappern vorwirft, genau die gleichen neoliberalen Werte vor sich herzutragen.
Wasabi freut sich sogar über misogyne Texte, weil die das Thema Frauenfeindlichkeit immerhin hinter den verschlossenen Türen heraus ans Licht zerren und dort den Anlass liefern, darüber zu sprechen und - vielleicht! - etwas zu ändern.
Textor wundert sich dagegen grundsätzlich über die Aufregung unter Mittelklasseeltern, die selbst mit der 2 Live Crew und Ähnlichem groß wurden und verlangt, mit Bezug auf die fiktiven Protagonisten der Spiegelreportage: "Warum beruhigt sich der Vater von Moritz nicht gottverdammt selbst und findet ein Verhältnis zu seinem Sohn?"
Wer außerdem hören möchte, wie sich der Heilige Bogen von Hip Hop zur Bergpredigt schlagen lässt: Hier gehts lang.
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