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Kanye, Pt. 2

Dieser ganze Scheiß fühlt sich für mich an, als würde Kanye in einem verzweifelten Versuch, diesen Punkt zu machen, den er wohl inzwischen selbst vergessen hat, einfach nur noch seine intrusiven Gedanken auf Wachs pressen. Er rappt zwischendurch darüber, wie gern er anderen Männern dabei zuguckt, wie sie seine Freundin knödeln. Dann geht es zurück zum Nazitalk. Er sei einer geworden, weil er auf Twitter missverstanden wird.

Das ist so dumm.

Das hier ist Edgelord im Endstadium. Ich würde nicht mal sagen, dass ich hier einen Faschisten sehe. Kanyes Gebrabbel hat ja keine wirkliche Ideologie. Ich glaube kaum, dass er noch in der Lage ist, irgendeinen Gedanken zu veräußern, ohne sich fünf Sekunden später selbst zu widersprechen. Im Grunde ist das, was er da macht, ja auch völlig gegenläufig zu dem, was die echten Faschos machen: Richtige Faschos wollen die Leute ja davon überzeugen, dass sie eben nicht wie die Nazis sind. Sie wollen ein bisschen ähnliche Sachen machen, aber würde Alice Weidel auf den Rednerpult im Bundestag springen und "alle meine Lesben sind Nazis, Heil Hitler" schreien, würde wenigstens das die AfD ein paar Prozentpunkte kosten (ja, so viel Glaube an die Menschen habe ich gerade noch).

Das, was Kanye hier macht, baut ja komplett darauf auf, dass wir uns alle einig sind, dass es scheiße ist, ein Nazi zu sein. Würde er das, was er da vorträgt, für eine sinnvolle politische Ideologie halten, würde er damit nicht umgehen wie ein Zwölfjähriger, der gerade ein neues Schimpfwort gelernt hat, und jetzt seiner Mutter damit droht, sie damit vor ihren Freundinnen zu blamieren.

Nichts hiervon ist übrigens eine Verteidigung. Dieser "Heil Hitler"-Song ist so blamabel, dass ich nicht einmal Wut oder Häme darüber empfinden kann. Es ist ein Level an Blamage so tief, dass ich siedende Fremdscham empfinde, wenn ich nur daran denke, dass ein Mensch an so einen Punkt kommen kann. Aber ich will doch nur noch einmal den Punkt machen, dass es nicht gefährlich in dem Sinne ist. Diese unerträgliche Fußnote Spätwerk, die irgendwann in Jahrzehnten in drei Sätzen in den Kanye-Dokus als "ja, und über diese Phase reden wir am besten einfach nicht" abgehandelt werden wird, kann niemanden nach rechts radikalisieren. Sie ist so inhärent self-defeating, ihre Erbärmlichkeit ist der ganze Punkt. Gebt ihm nicht noch das Selbstverständnis, er würde irgendjemandem damit bedrohlich statt jämmerlich vorkommen.

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