Herbie Hancock
Als "eine der großartigsten Nächte meines Lebens", erinnert sich Herbie Hancock in seiner Autobiografie "Possibilities" an die 26. Verleihung der Grammy Awards, die im Jahr 1984 über die Bühne ging. Angesichts der zahllosen Highlights, die seine Karriere aneinanderfädelt, will das wirklich etwas bedeuten. Viele weitere Grammys hat er über die Jahre gesammelt, an besagtem Abend durfte er den begehrten Musikpreis allerdings erstmals entgegennehmen: Sein Song "Rockit" bescherte ihm, zu diesem Zeitpunkt 43 Jahre alt und längst ein alter Hase im Jazz-Geschäft, die Auszeichnung in der Kategorie "Best R&B Instrumental".
"Best": zweifellos. "Instrumental": Jawoll ... aber "R&B"? Diese Bezeichnung spiegelt eigentlich nur die komplette Ratlosigkeit, mit der man damals diesem neuen Ding namens Hip Hop gegenüberstand, das Hancock, seit jeher ein musikalischer Innovator durch und durch, nicht wie alle anderen skeptisch beäugte, sondern mit aller Macht umarmte. Sein Label Columbia teilte seine Aufgeschlossenheit seinerzeit nicht: Verstört von den ungewohnten Klängen verweigerten sie ihrem Signing sogar ein Budget für ein Musikvideo. Hancock ließ sich davon nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Er engagierte Kevin Godley und Lol Creme, die unter anderem für The Police und Duran Duran tätig waren, und gestattete ihnen weitgehend freie Hand. Seine einzige Anweisung: "Lasst es bloß nicht wie so ein Standard-Black-Guy-Video aussehen." Das britische Duo hielt sich dran, ließ Schaufensterpuppen-Roboter, ganz oder in Teilen, durchs Bild tanzen, und bei MTV drehten sie schier durch.
Für seine Grammyperformance adaptierte Hancock den Clip für die Bühne, mit dem Unterschied, dass er hier nicht bloß auf einem kleinen Monitor zu sehen war, sondern, angetan mit Glitzerhemd, Lederjacke und einer verdammten Keytar um den Hals, mitten im Zentrum des Geschehens stand. Umwuselt von Breakdancern und mit Rückendeckung von Grandmixer D.ST an den Turntables, richtete er Scheinwerfer und Aufmerksamkeit auf eine aufkeimende Bewegung, die den Mainstream inzwischen längst übernommen hat. Damals jedoch überforderte dieser seltsame neumodische Hip Hop noch so manchen: Die fassungslosen, teils völlig entgeisterten Gesichter, die Kamerafahrten übers Publikum einfingen, sprechen Bände.
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