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Der verdammte Blackpink-Diskurs

Aber gut, sprechen wir noch ein bisschen über die Rezeption. Als jemand, der ab und zu in die Untiefen der K-Pop-Bubble abtaucht und durch die Bank beschissene Meinungs-Videos ansieht, in denen eine Roboterstimme die unkoordiniertesten und wahllosesten Hot Takes zu K-Pop listet, war ich einmal mehr sehr fasziniert davon, wie diese Szene mit "Pink Venom" umgeht. Kurzum: Sie hat es erbittert gehasst. Auf Reddit ist der Konsens, dass es ein schlechter Song sei, so stark, dass Leute für die alleinige Suggestion, man könne den Song tatsächlich gut finden, schon Disclaimer anfügen müssen, um nicht gefressen werden. Auf YouTube manifestiert sich das in viralen Videos wie dem hier:

Bei alledem frage ich mich eigentlich jedes Blackpink-Comeback: Hä? Vor allem das Narrativ, dass all diese Kids enttäuscht seien, frisst sich in mein Gehirn. Blackpink haben nun seit 2018 eine sehr ähnliche Formel für ihr erstes Release der Ära. Das ist keine sehr originelle Beobachtung. Es hat sie zur größten Girlgroup der Welt gemacht. Trotzdem scheinen K-Pop-Fans weltweit jedes Mal zu denken, dass sie ihre absurd gut funktionierende Erfolgsformel dieses Mal aufgeben, um ... was weiß ich, wie StayC zu klingen, oder so? Dann passiert es nicht, es gibt gigantischen, ein bisschen hohlen, aber sehr eingängigen EDM-Pop, und die Leute tun so, als sei das objektiv schlecht.

Das Faszinierende ist ja, dass die Reaktionen in der Realität ganz anders ausfallen. Ich habe mit mehreren Leuten geredet, die den ganzen Zirkus nur beiläufig verfolgen. Alle waren happy mit dem Release. Genau wie bei den letzten Comebacks, und ich habe mich gefragt: Wie kann es sein, dass in dezidierten K-Pop-Kreisen eine so fundamental andere Wahrnehmung von Blackpink herrscht?

Dafür musste ich erst einmal die Frage stellen, ob die Leute, die diese Videos und Kommentare posten, eigentlich überhaupt Blackpink hören. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder kommen da tatsächlich Jahr um Jahr Kids zusammen, die mit deren Musik eh nichts anfangen können, und packen dann ihr fortdauerndes Missfallen in seltsam moralisch klingende Enttäuschungs-Ansprachen. Oder die Leute beschweren sich, weil sie etwas anderes erwarten, hören die Musik dann aber trotzdem. Die immensen Klicks, die diese angeblich so verhassten Songs jedes Mal wieder machen, suggerieren doch irgendwie Zweiteres.

Ich habe folgende Theorie: In den letzten Jahren war Blackpink für viele K-Pop-Hörerinnen und -Hörer so etwas wie die Einstiegsdroge schlechthin neben BTS. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen hatten Blackpink nie den Vorwand von Deepness. Ihre Musik war immer ein bisschen hohl, aber das sage ich liebevoll, weil die Idee, man müsse sich Popmusik irgendwie klugreden, eine der dümmsten Erfindungen des Poptimismus ist. Sie waren immer laut, schrill und haben Musik gemacht, die geslappt hat wie ein Erdbeben. Aber da viele dieser Hörer dann schrittweise mehr in das Genre gefunden haben, hat sich ein schräger Elitismus gegen Blackpink entwickelt. Blackpink seien basic und überschätzt. Ich glaube, dass das etwas mit einem Schutzmechanismus zu tun hat, weil viele K-Pop-Hörer recht jung und unsicher sind, und das Genre eben auch nicht die beste Reputation in der generellen Musikwelt hat. Sich ein bisschen zu Snobbisieren, hilft da: Wenn man die Welt in guten und schlechten K-Pop unterteilen kann, dann kann man sich auch gegenüber der Abwertung seitens der Umwelt ein wenig abschirmen.

Ich will nicht behaupten, dass Blackpink jedem gefallen müssen. Ich kann voll verstehen, dass die Musik Geschmackssache ist, und stelle auch nicht in Frage, dass "Pink Venom" Leute ordentlich nerven kann. Aber ich finde trotzdem, dass sie einen sehr kohärenten Sound und Ästhetik mitbringen, von dem zu zehren sie verdienen. Ich glaube übrigens auch, dass etwas Ähnliches mit BTS passiert, auch wenn da die Fans immerhin etwas bekommen, um die Musik doch als "klugen" K-Pop abspeichern zu können. Aber wahrscheinlich ist das auch ein normaler Umgang einer Musikszene mit den Artists, die gerade an der Spitze stehen. Gegönnt wird eben selten.

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