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"Etüden im Schnee" vs. "Metaphorical Music"

Das Buch: Yoko Tawada - "Etüden Im Schnee"
Das Album: Nujabes - "Metaphorical Music"

Warum passt es?

Dieser Roman ist konzipiert als Autobiographie mehrerer Generationen einer Eisbären-Familie. Aber weil das noch nicht reicht, wurde er von Yoko Tawada geschrieben, einer deutsch-japanischen Autorin, die stimmlich und ästhetisch so viel Paul Celan in ihrer Arbeit trägt, dass man sich allein in ihrem Stil schon tagelang verlieren könnte. So sehr ich ihre gesamte Arbeit liebe, ist "Etüden im Schnee" vielleicht ihr bester Text. Tastend, neugierig und endlos optimistisch betastet sie die Welt der Menschen durch das Blickfeld eines Eisbären. In seiner zeitweiligen Schwermütigkeit lädt der Roman zum Schmökern und Verweilen ein. Deshalb möchte ich hier das erste Mal auf die wundervolle Welt des Lo-Fi-Hip Hops verweisen, denn Relax-Beats-Playlists machen angenehme Schmöker-Bücher noch schmökeriger. Konkret würde ich den zufälligen Godfather der Relax-Beats verschreiben, nämlich Nujabes himself, dessen "Metaphorical Music"-Album die fantastische und bewundernde Stimmung des Buches perfekt teilt. Der einzige Haken hier könnte sein, dass man auf die Vocals der Platte nicht klarkommt, in dem Falle tun auch Nujabes-Instrumental-Compilations den Job.

Leseprobe:

Jemand kitzelte mich hinter den Ohren, unter den Achseln, ich krümmte mich, wurde zu einem Vollmond und rollte auf dem Boden. Vielleicht kreischte ich dabei mit heiserer Stimme. Dann streckte ich meinen Hintern gen Himmel und schob den Kopf unter den Bauch: Jetzt war ich ein Sichelmond, ich war noch zu jung, um mir eine Gefahr auszumalen. Ich öffnete ohne Bedenken meinen Anus zum Kosmos und spürte ihn in meinen Därmen. Man hätte mich sicher belächelt, wenn ich damals von "Kosmos" gesprochen hätte, denn ich war noch so klein, so unwissend, so neu in dieser Welt. Ohne das flauschige Fell wäre ich kaum anders als ein Embryo gewesen. Ich konnte noch nicht gut gehen, obwohl meine Pfotenhände schon kräftig genug entwickelt waren, um zuzupacken und festzuhalten. Jedes Stoplern brachte mich zwar nach vorne, aber ob man das als Gehen bezeichnen konnte? Mein Blickfeld war stets mit einem Nebel überzogen, in meiner Gehörhöhle hallte es. Alles, was ich sah und hörte, besaß keine klaren Konturen. Mein Lebenswille hauste hauptsächlich in den Krallenfingern und auf der Zunge.

Meine Zunge konnte sich noch an den Geschmack der Muttermilch erinnern. Ich nahm den Zeigefinger jenes Mannes in den Mund, sog dran, was mich beruhigte. Die Haare, die aus seinen Fingerrücken wuchsen, waren wie Borsten einer Schuhbürste. Der Finger kroch wurmartig in meinen Mund hinein, es stachelte. Dann stupste mich der Mann gegen meine Brust und lud mich zum Ringkampf ein.

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