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"Endlose Felder" vs. "Thương Một Người"

Das Buch: Nguyen Ngoc Tu - "Endlose Felder"
Das Album: Khánh Ly - "Thương Một Người"

Warum passt es?

Meine Recherche zu Klassikern der vietnamesischen Musik hat sich für Ocean Vuong zwar als sinnlos erwiesen, weil ich nachher Playlist-Indie-Futter dazu hörte. Aber herausgefunden zu haben, dass Khánh Ly existiert, wurde mir spätestens für die Landsfrau seiner Mutter sehr wertvoll: Nguyen Ngoc Tu hat mit ihrer Kurgeschichtensammlung "Endlose Felder" einen Text vorgelegt, den man immer ein bisschen touristisch begaffen möchte. Es ist sehr schwer, ihn von seiner Vietnam-haftigkeit zu differenzieren und nicht zu exotisieren. Aber vielleicht kann man sich genau darauf auch einlassen: Wo sonst nähme man eine so starke, bildhafte und eindringliche Beschreibung her, wie die Welt aussieht, riecht und schmeckt an einem Ort, den man sonst nie so kennenlernen würde? Vor allem dann, wenn "Thương Một Người" mit seinem Chanson-Folk-Einschlag die Schwermütigkeiten und Hoffnungen genau so untermalt, wie man es in dem besten Romanen über das hiesige Dorfleben finden würde. Zusammen ergeben "Endlose Felder" und Khánh Ly einen Blick in die Provinzen des Macong-Deltas, der sich in den Gedanken und Stimmungen der Protagonisten tatsächlich so etwas wie authentisch anfühlt.

Leseprobe:

Geschäftig hackten die Messer auf den Scheidbrettern aus Rosenholz. Aufgeregtes Gerede und Gelächter der Schwestern und Tanten in der Küche. Das Rattern eines Projektors. Vor dem Festzelt klimperte eine Cai-Luong-Musikantengruppe auf ihren Instrumenten herum, und dann stimmte jemand ein romantisches Lied an. Einer hielt - aus Absicht oder zufällig? - das Mikrofon an seinen Mund, während er Schnaps trank; überaus deutlich hörte man ihn schlürfen, und dann atmete er geräuschvoll aus, als wäre der Alkohol bitter und scharf, sodass einem das Wasser im Mund zusammenlief.

Hue und ihre Freundin Diem saßen im Zimmer und falteten Wäsche zusammen. Diem beugte sich zum Fenster, löste den Riegel, stieß die beiden blau lackierten Fensterläden auf. Es war tiefe Nacht, sie rief "Ah, was für ein angenehm kühler Wind!"

Hue nickte, ja, es sei angenehm, der Wind öffne auch ihr das Herz. Deutlich zu riechen war der Duft der reifen, roten Mangofrüchte draußen vor dem Fenstergitter. Plötzlich empfand Hue bedrückendes Heimweh. Sie befand sich doch noch in ihrem Elternhaus, trotzdem vermisste sie es schon so sehr, dass ihre Tränen auf die geblümte Matte fielen. Vorhin, nach der Mitternachtssuppe, hatte Hues Vater die ganze Familie zusammengerufen, Räucherstäbchen angezündet und vor dem Ahnenaltar gebetet als Abschiedszeremonie für seine jüngste Tochter. Noch ehe er damit fertig war, brach Hues Mutter schon in Tränen aus.

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