Johnny Marr-Biografie: Kein Morrissey-Diss
Kollege Klaus quält sich gerade eisern durch Maynard James Keenans Biografie, da der Tool-Boss extrem weit ausholt und erst mal zig seiner Vorfahren vorstellt, die um das Jahr 1900 aus Italien eingewandert sind. My man Johnny Marr pflegt da eine vergleichsweise direktere Leseransprache: "Ich war 5. Ich sah die Gitarre im Schaufenster. Ich schaute zu Mami. Wir gingen in den Laden. Sie kaufte mir die Gitarre." Aber ich will dem legendären Smiths-Gitaristen nicht Unrecht tun. "Set The Boy Free" (Dey Street Books, 480 Seiten, englisch, gebunden, 22,90 Euro) ist bis jetzt eine sehr kurzweilige und erhellende Lektüre geworden, die zu keinem Zeitpunkt ins Esoterische abdriftet wie zunächst befürchtet. Marr verzichtet wie beschrieben auf uferlose Nebensatzkonstruktionen der Marke Keenan/Morrissey, und beschreibt lieber mit teils liebevollen Details oder trockenem Northerner-Humor seine Kindheit in Manchesters Arbeiterklasse und die schließlich die drei Entdeckungen seines Lebens: Die Gitarre, seine Freundin Angie, Morrissey. In dieser Reihenfolge (zumindest chronologisch).
Man fasst es nicht, wenn Marr darlegt, wie er als 17-Jähriger zum ersten Mal mit einer Band auf einer Bühne steht, als 18-Jähriger Morrissey kennen lernt und als 19-Jähriger mit "This Charming Man" bei "Top Of The Pops" auf die Bühne steigt (wo er aufgrund seines Alters von den BBC-Kameras aber sicherheitshalber gemieden wird). So innig er sich Morrissey, diesem komplett wesensfremdem Songwriting-Partner, in den Smiths-Jahren auch verbunden fühlt, so enttäuscht zeigt er sich von ihm bei der hässlichen Trennung 1987, bei der sich Morrissey unerklärlicherweise und vielleicht das erste und letzte Mal auf die Seite der Kollegen Andy Rourke (Bass) und Mike Joyce (Drums) schlug. Im Gegensatz zu Morrissey hört man von ihm jedoch kein böses Wort über einen Ex-Kollegen, die Smiths-Geschichte ist für ihn ein (von ihm freilich beeinflusstes) Geschenk des Schicksals. Auch über Noel Gallagher findet man schöne Anekdoten, schließlich sah Marr die ersten Oasis-Auftritte in Uni-Gebäuden vor 20 zuschauern.
Aber apropos The Smiths ...
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