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Hans Söllner: Rebell driftet immer weiter ab

Der bayerische Liedermacher Hans Söllner fiel zuletzt im Frühjahr 2020 auf, wenn auch nicht musikalisch. Als die erste Pandemiewelle Fahrt aufnahm, zeigte sich an seiner Person exemplarisch, in welche Gewissenskonflikte Menschen geraten, die Autoritäten schon immer generell angezweifelt und in Vorverdacht gestellt haben oder die eine Art Seelenfrieden im Widerstand gegen Obrigkeiten erlangen. Söllner outete sich schnell als Impfgegner, protestierte gegen Lockdown-Maßnahmen und war fassungslos, als er merkte, dass ihm plötzlich auf Facebook auch Menschen mit rechter Gesinnung applaudierten. So erzählte es seinerzeit Eva Mair-Holmes, die Chefin seines langjährigen linken Labels Trikont im Deutschlandfunk Kultur-Interview. Die beiden verbindet eine jahrelange Zusammenarbeit und Freundschaft, weshalb der Kontakt aufgrund dieser Meinungsdiskrepanzen auf eine harte Probe gestellt wurden. Als Söllner in einem Posting die Pandemiebeschränkungen mit dem Dritten Reich in Verbindung brachte, kam man überein, dass eine Social-Media-Pause vorerst die beste Lösung sei, um noch einmal über alles nachzudenken.

Diese Pause ist seit geraumer Zeit vorbei, ohne dass bei Söllner ein Umdenken stattgefunden hätte. Lockdowns seien wirkungslos, doziert er in einem seiner Endlospostings, für die er sich offensichtlich einen halben Abend lang Zeit nimmt. Gegen die Maskenpflicht, Schulschließungen, Ausgangsbeschränkungen und den "Impfzwang" agitiert er mit demselben Engagement, mit dem er sich seit Jahren gegen Massentierhaltung und für individuelle Selbstbestimmung stark macht. Sein bekanntes Politikerbashing hat er um das Feld der Virologen erweitert. Dass ihm ein Teil seines Publikums nicht folgen werde oder dass gar die Falschen applaudieren, ist Söllner mittlerweile offenbar egal.

Er habe vor Corona auch schon polarisiert, ist eine seiner bedauernswerteren Schlussfolgerungen, die er nach einem Jahr Pandemie dort von sich gibt. Den Tag des Gedenkens der Corona-Toten missbraucht er dann tatsächlich zur Aufrechnung mit Opferzahlen anderer Katastrophen. Bis zum AfD-Parteieintritt dieses selbsternannten Freiheitskämpfers ist es sicher nicht mehr weit. Näher zumindest als zum nächsten Album über das Trikont-Label. Auf die Frage, wie es aktuell um das Verhältnis zu dem Liedermacher bestellt ist, lässt Mair-Holmes wissen: "Es ist momentan von unserer Seite keine Produktion mit Hans Söllner geplant."

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