Seite 38 von 40

Woodstock '99

Vom sonnig-gelben Hippie-Plakat darf man sich bloß nicht täuschen lassen: Woodstock '99 war ein Desaster. Am Ende des dritten Festivaltags brannte das Gelände lichterloh. Entfesselte, stinkwütende Zuschauerhorden legten den Veranstaltungsort buchstäblich in Schutt und Asche. Gleich zwei Dokumentationen arbeiteten sich im letzten Jahr an derselben Frage ab: Wie zum Teufel konnte das Event im Sommer des Jahres 1999 nur so aus dem Ruder laufen?

Führt man sich das organisatorische Totalversagen auf allen Ebenen vor Augen, fragt man sich hernach eher: Wie hätte das bitte NICHT eskalieren sollen? Nachdem sein erster Versuch, das legendäre Happening von 1969 wieder aufleben zu lassen, 1994 finanziell derbe gegen die Wand fuhr, wollte Veranstalter Michael Lang diesmal zur Abwechslung einmal wirklich Kohle machen. Er holte sich den so geschäftstüchtigen wie skrupellosen Kompagnon John Scher ins Boot. Gemeinsam versuchten die beiden den natürlich zum Scheitern verurteilten Spagat, zugleich schamlos Profit zu machen, an jedem denkbaren Ende zu sparen, das Ganze aber in flatternde Hippie-Gewänder und Love-Peace-Unity-Parolen zu wickeln.

Als dumm genug, um nicht zu merken, wie gnadenlos sie abgezockt wurden, entpuppten sich noch nicht einmal zugedröhnte Limp Bizkit-Jünger: Drei Tage lang briet den Fans, die ohne Schatten, ausreichend Wasser, funktionierende sanitäre Einrichtungen oder adäquate medizinische Versorgung auf dem Asphalt einer ehemaligen Militärbasis zusammengepfercht waren, die Sonne auf die Rüben. Alkohol, Drogen, wenig deeskalierende Musik, etwa von Korn oder eben Limp Bizkit, und der sehr nachvollziehbare Zorn über die komplette Missachtung des Publikums seitens der Veranstalter erledigten den Rest.

Um dieses Pulverfass am Ende hochzujagen, hätte man beim Abschlusskonzert der Red Hot Chili Peppers nicht auch noch (ja, wirklich!) Kerzen und Streichholzheftchen verteilen müssen. Die Szenen, die die (haha!) brandaktuelle Dokumentation "Trainwreck: Woodstock '99" einfängt, wirken wie ein Mash-Up aus "Herr der Fliegen", "Apocalypse Now" und der Live-Berichterstattung aus einem Kriegsgebiet. Der Dreiteiler sollte eigentlich Teil jeder Event-Management-Ausbildung sein: als Lehrfilm darüber, wie man es keinesfalls machen darf.

Seite 38 von 40

Weiterlesen

Noch keine Kommentare