28. März 2001
"Napster wird die Musik töten!"
Interview geführt von Michael EdeleDrummer Achim Färber und Programmierer/Songwriter Dirk Scheuber stellten sich bereitwillig unseren Fragen und gaben erschöpfende Antworten. Obwohl sie vom großen Medieninteresse und den (bisher) vier Tourtagen merklich müde und geschlaucht waren. Was man während des anschließenden Konzerts aber nicht mehr merken sollte.
Schön, dass Ihr Euch die Zeit nehmt. Interessieren würde mich zunächst, warum ich von Eurem Label nur eine CD mit sieben Songs bekommen habe, sind auf dem Album doch insgesamt 14 drauf.
Dirk: Das lag schlicht und ergreifend daran, dass die Scheibe zu dem Zeitpunkt, als die Promos raus gingen, noch nicht fertig war. Der Mix war halt noch nicht fertig
Es ging also nicht darum, dass Ihr befürchtet habt, die Scheibe könnte schon vor Veröffentlichung bei Napster landen?
Dirk: Nöö, gar nicht.
Und was haltet Ihr von Tauschbörsen wie Napster?
Achim: Find' ich scheiße! Das Prinzip dahinter ist okay, nur weicht die Realität davon ab. Napster wurde als private Tauschbörse deklariert, das ist aber eine Illusion. Das geht in den kriminellen Bereich. Napster ist ja jetzt mehr oder minder dicht, aber Sachen wie Gnutella gibt's immer noch. Ich denke, das wird irgendwann die Musik töten. Alles wird beliebig, alles ist sofort da. Wenn man es mal überspitzt sieht, wird es irgendwann keinen Bedarf mehr an Musik geben. Musik verliert komplett an Wert. Du musst unterscheiden zwischen Fans und Leuten, die nur die Charts hören, und denken: "Hey, da bekomm ich ja alles umsonst!", und das ist die Mehrheit.
Warst Du schon mal auf solchen Seiten?
Achim: Nein, ich mach das aus Prinzip nicht.
Ich denke aber, dass die wenigsten Menschen komplette Alben aus dem Netz ziehen, meist sind das doch nur einzelne Songs. Sachen eben, die sonst sehr rar oder nur auf Samplern zu haben sind.
Dirk: Für unbekannte Bands ist die Sache sicherlich nicht schlecht, aber für Bands in unserer Größenordnung kann so was fatal werden.
Aber mit dem Equipment der meisten User dauert ein Download doch dann so lange, dass die entstandenen Kosten die einer CD ausgleichen oder übertreffen. Außerdem hat man ja noch kein Cover usw.
Achim: Da hast Du schon recht, aber die Entwicklung geht ja weiter. Es muss auf Dauer einfach eine Lösung gefunden werden, dass alle heil aus der Sache raus kommen.
Themenwechsel: Ihr wart in Leipzig bei "Gesicht zeigen gegen Gewalt". Die Böhsen Onkelz haben in Bremen ja etwas Ähnliches unter dem Namen "Gegen den Hass" laufen. Würdet Ihr da auch auftreten?
Dirk: Wir sind 'ne Band die sich mit vielen Dingen auseinander setzt, da ist Politik mit inbegriffen. Wir haben mit MTV ausgemacht, da zu spielen und damit natürlich Gesicht zu zeigen. Wir haben ja auch schon Anfang der 90er was ähnliches gemacht.
Achim: Es ist ja auch so, dass für die meisten Leute die Meinung über die Onkelz sowieso schon fest steht.
Ja, vor allem wird ihnen immer vorgeworfen, sie würden kein deutliches Zeichen dafür setzen, dass sie mit Rechtsradikalismus nichts mehr zu tun haben. Wie deutlich muß es denn noch werden?
Dirk: Ja, es ist halt immer noch diese erste Scheibe von ihnen, die man nicht so leicht verzeiht.
Ihr hättet also kein Problem, so etwas zu unterstützen?
Dirk: Ich glaube, mit den Onkelz hätte ich schon ein Problem.
Achim: Mit denen würde ich auf keinen Fall auftreten. Ich hab da 'ne ganz klare Meinung zu der Band. Wer sich textlich auf seinen Platten so darstellt, ist für mich nicht glaubwürdig. Da mag es verschiedene Meinungen geben. Aber nur weil man so ein Festival macht, sagt das noch nichts aus.
Wie war eigentlich der Video-Dreh in Marocco zur Single "Existence"?
Dirk: Da fragst Du natürlich genau die Richtigen, wir waren nämlich beide nicht dabei. Ich hab da auch gar keinen Bock drauf, den ganzen Tag da rumzuhängen und faxen machen. Für mich ist es okay, wenn Peter da seine Lyrics umsetzt und das reicht auch, ich muss da nicht mit drauf sein. Es soll sehr kalt gewesen sein, manchmal auch sehr warm (lacht).
Achim: Wir haben das Video jetzt auch als Kunstform für uns entdeckt, da es ja das erste Video ist, welches den Text auch visuell rüber bringt.
Wobei ich beinahe behaupten würde, dass das Video schon wieder abstrakter ist, als der Text an sich. Peter formuliert seine Lyrics doch wesentlich direkter als bisher. Kam das Konzept zum Video von Euch?
Dirk: Ja, mehr oder minder. Es war zum Glück nicht so, dass irgendeiner meinte: "Oh Video, hm, machen wir einfach das und das." Der Regisseur Oliver Sommer hat sich sehr intensiv mit den Texten befasst und einen tollen Job abgeliefert. Er wird auch für "Timekiller" mit uns arbeiten.
Woran liegt es, dass Eure Lyrics jetzt viel direkter werden, gehen Euch die Metaphern aus?
Dirk: Nö, gar nicht, Peter ist ja der Texter und er versucht einfach, seine Weltanschauung darzulegen. Das funktioniert mal auf jene, mal auf diese Weise. Das ist ihm klasse gelungen, wie ich finde, und es ist ihm auch wichtig, dass die Leute ihn verstehen. Peter würde jetzt wohl sagen, er möchte die Welt verändern. Das ist bei ihm sehr intensiv und er ist da auch sehr ambitioniert. Es ist trotz allem nicht irgendein plakativer Scheiß, irgendein Blablabla, er lebt auch danach.
Würdet Ihr Euch musikalisch irgendwelche Grenzen setzen?
Dirk: Naja, bei HipHop hört's dann irgendwann auf, aber prinzipiell kann ich das weder bejahen noch verneinen. Man probiert ja viel aus an seinem Instrument, und weiß dann auch nicht, was dabei rauskommt. Wenn man viel experimentiert, kommen auch mal recht witzige Samples dabei heraus. Man sollte nur nicht stehen bleiben, darauf kommt's an und ich denke, das haben wir geregelt bekommen. Ein roter Faden ist da, aber es gibt was Neues.
Wie entstehen eigentlich Eure Songs, mit Jam-Sessions kann da ja nicht viel drin sein, oder?
Dirk: Nein, das ist ein ganz anderer Prozess. Man sitzt halt zu Hause und arbeitet da an seinen Sachen. Jeder arbeitet praktisch für sich an seinen Songs und die werden dann vorgestellt, ausgearbeitet und ausgewählt. Peter hat als Texter natürlich die letzte Stimme, da er das Ganze ja performen muss. Mit einer Rockband im Proberaum stundenlang rumjammen und das alles dann arrangieren ist ja auch ein recht nervenaufreibendes Unterfangen, wenn man sich da nicht hundertprozentig versteht, kann das böse enden.
Wie direkt ist Euer Einfluss auf eure Homepage, gestaltet Ihr die mit?
Dirk: Peter und unser Manager haben da Einfluss drauf. Die Gestaltung macht glaube ich ein Bekannter aus Chemnitz, aber ich beschäftige mich mit dem Internet sehr wenig. Ist irgendwie langweilig. Ich habe keinen Computer und auch keinen Führerschein, bisher bin ich gut ohne beides ausgekommen.
Muss man, wenn man von Project Pitchfork spricht, inzwischen eigentlich von einer echten Vier-Mann-Band sprechen?
Dirk: Ja, auf jeden Fall!
Achim: Ich bin ja jetzt seit zwei Jahren dabei und der Jürgen schon seit sechs. Wir sind schon als Quartett zu sehen.
Und in wie weit bringen Jürgen und Du Euch in die Musik mit ein?
Achim: Bei Jürgen ist das einfach, da wir ja im Candyland Studio aufgenommen haben, das Jürgen gehört hat.
Dirk: Jürgen ist halt der Technik-Freak, und in dem, was er macht, sehr gut. Er befasst sich sehr intensiv damit und hat demzufolge auch einige Erfahrung mit den Geräten. Schon allein dadurch bringt er sich natürlich in die Songs mit ein. Dadurch, dass wir jetzt mit einem echten Drummer arbeiten, ist dessen Einfluss natürlich auch zu spüren. Ich selbst war ja am Songwriting gar nicht beteiligt, da ich wegen persönlicher Probleme ein Jahr im Off gelebt habe. Im Studio war das aber dann eine recht demokratische Arbeitsweise, in die alle mit einbezogen wurden. Das geht natürlich nur so weit, wie Peter sich mit den Sachen identifizieren kann. Er beharrt aber nicht unbedingt immer auf seinem Standpunkt, man kann ihn schon auch überzeugen.
Gibt es eigentlich noch Künstler, die Euch beeindrucken, bzw. Eure Idole waren und sind?
Dirk: Einer, der mich schon immer beeindruckt hat, war und ist David Bowie. Damit hat es sich dann aber auch.
Achim: Miles Davis empfinde ich als sehr wichtig.
Dirk: Die Beatles auf jeden Fall auch, und Pearl Jam. Ich war eigentlich noch nie Fan von einer Band, aber Pearl Jam sind schon klasse.
Durch welche Bands seid Ihr dann zu der Musik gekommen, die Ihr jetzt macht?
Dirk: Bands hatten damit eigentlich nichts zu tun, es war mehr das Interesse an Synthesizern. Ich habe zwar diese ganzen 80er Bands wie Human League und Cure gehört, aber grundsätzlich war es eher das Interesse am Instrument. Ich hab mir auch nicht gedacht, ich will jetzt 'ne Band gründen, sondern hatte einfach Bock auf das Instrument, damit zu arbeiten und Musik zu machen.
Achim: Ich kann mich eigentlich gar nicht daran erinnern, mal an was anders gedacht zu haben. Als kleines Kind hab ich schon angefangen zu trommeln und wollte unbedingt in einer Band spielen. Was anderes kam für mich nie in Frage.
Zu meiner Lieblingsfrage: Was war die letzte CD, die Ihr Euch gekauft habt?
Dirk: Die letzte, die ich mir gekauft hab, war At The Drive In, die ich live sehr gut fand, auf Platte aber nicht sooo überzeugend. Die Stimme geht einem irgendwann auf die Eier.
Achim: Meine letzte war Red Snapper und als nächstes hol ich mir Tortoise.
Is' Okay, wenn ich noch 'n paar Pics schieß?
Dirk: Wegen mir, wir sehen zwar beschissen aus, aber was soll's. Ist der vierte Tourtag und ich bin schon voll im Arsch.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Michael Edele.
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