3. Oktober 2002

"Der Hype um New York hilft den Bands"

Interview geführt von

Ihr habt euer Album "Gotham" genannt. Das ist doch ein anderer Name für New York, oder?

Greg Collins: Ja, das ist sozusagen ein Spitzname der Stadt.

Als ihr dem Album diesen Namen gegeben habt, gab es da schon diesen New York-Music-Hype?

Gerard Garone: Nein, den Titel für dieses Album haben wir gewählt, weil das Album von New York handelt, wie es ist dort zu leben, zu arbeiten ... und dann schien der Titel einfach passend.

Eure Texte handeln auch vom Alltag in New York.

Gerard: Mehr vom Einfluss, den die Stadt auf uns hat.

Habt ihr die Nase schon voll von Vergleichen zu Bands wie den Strokes?

Greg: Weißt du, das einzige, das uns verbindet ist, dass wir aus der selben Stadt kommen ... und dass wir alle sehr gut aussehen. (lachen)

... oder vom Hype um jegliche Rockmusik aus New York City?

Greg: Vom New York-Hype? Wenn überhaupt, hat uns das geholfen. Das stört mich überhaupt nicht. Es ist doch schön, dass es da endlich wieder gute Musik gibt ... und dass sie auch als solche erkannt wird. Der Hype um Brooklyn und New York als ganzes hilft doch den Bands. Es wäre verrückt, sich darüber zu beschweren.

Auf welche Art beeinflusst euch denn die Stadt?

Tommy: Puh, in welchem Zusammenhang?

Eure Persönlichkeit, euer Leben?

Greg: Das ist schwer zu sagen, wir leben da schon so lange. Wir kennen es einfach nicht anders.

Tommy: Ich glaube einfach, der Ort und die Art zu leben beeinflusst den Menschen, egal wo er wohnt. Das ist doch bei dir und deiner Umgebung nicht anders!?

Ich denke, New York ist schon ein bisschen anders als andere Städte, z.B. schneller.

Tommy: Das stimmt, NY ist eine sehr schnelle Stadt.

Und es stinkt überall ...

Tommy: Ja, das stimmt völlig. Die Geschwindigkeit, in der du lebst ist eine andere. Aber das habe ich gar nicht mitbekommen, bis ich NY irgendwann mal verlassen habe. Du denkst dann eher: Das ist ja überall so langsam.

Greg: Die anderen reden langsam, laufen langsam ...

Gerard: Ich mag NY einfach.

Tommy: ... ich auch. Und wenn wir nicht letztes Jahr am 11. September in New York gelebt hätten ... hätten wir jetzt vielleicht ein völlig anderes Weltbild.

Was ist so besonders an New York? Und was ist der Unterschied zu europäischen Städten, zum Beispiel Berlin?

Gerard: Die sind sehr verschieden! Ich mag Berlin. Das ist definitiv eine Großstadt, aber trotzdem sehr ruhig und langsam. Fast schon entspannend.

Greg: Hier ist noch Platz! New York ist so voll gestopft, so zusammen gedrängt.

Tommy: Wir sind vorhin an all diesen Museen vorbei gefahren. Und die Straßen waren so breit. So was gibt es in NY nicht.

Greg: Aber ich finde die Leute sehen gleich aus.

Wirklich?

Tommy: Keine Ahnung, darauf hab ich nicht geachtet.

Greg: Die Leute in England sehen irgendwie anders aus.

Gerard: Die Leute hier sind dünner als in Amerika.

Echt? In Amerika hab ich meistens richtig dünne oder richtig dicke Leute gesehen. Es scheint gar nichts dazwischen zu geben ...

Tommy: Das lustige an dieser Frage ist: Als wir das erste Mal hier waren, sind wir in eine Bar mit Sofas gegangen, mit ruhiger Musik, das hätte einfach überall sein können. Das wäre der Platz, in den wir auch in NYC gegangen wären. Das war alles ziemlich ähnlich. Außer dem Akzent. Und dem Bier.

Das ist wirklich schlecht in Amerika.

Gerard: Und der Kaffee hier ist auch viel besser.

Seid ihr hier bei Interviews schon mit vielen Stereotypen konfrontiert worden?

Greg: Eigentlich ist das unser erstes Interview. Die anderen musste Anthony alle machen. Was für Stereotypes?

Über das Rockstarleben oder den Charakter eines typischen New Yorkers ...

Tommy: Wie sieht man die New Yorker Bands denn hier?

Wenn man Strokes sagt schreit jeder: "Ah, New York". Und im nächsten Satz hörst du was über die White Stripes. Dabei kommen die ja definitiv nicht aus NY ...

Tommy: Bei uns reden die Leute in einem Atemzug von den Strokes, den White Stripes und den Hives. Und die sind aus Schweden. Aber bald werden die auch als New Yorker bezeichnet.

Und dann gibt es ja diesen von allen Seiten beschworenen Unterschied zwischen britischer und amerikanischer Musik. Ich finde euer Album da relativ neutral!

Greg: Wir sind einfach sehr beeinflusst von britischer Musik.

Tommy: Viel von diesem Post-Punk Zeug. Clash, Joy Division ...

Gerard: Der Großteil meiner Lieblingsbands kommt aus Europa. In den Sechzigern waren alle von amerikanischer Musik beeinflusst, Led Zeppelin und so. Aber das hat sich geändert.

Ihr habt die selben Produzenten wie Primal Scream. Würdet ihr eure Musik mit deren Output vergleichen?

Greg: Nun, sie waren definitiv ein Einfluss für uns.

Tommy: Ich mag Primal Scream verdammt gerne. Ein Grund für uns, mit den selben Producern zusammen zu arbeiten war ja, dass sie den Job schon für Primal Scream gemacht haben.

Aber Primal Scream bringen Rock und Dance auf eine ganz andere Art zusammen, als ihr das macht.

Tommy: Auf unserem ersten Album gab es kaum elektronische Elemente.

Gerard: Wir machen eine Rock-Dance-Fusion, aber das ist wirklich sehr anders als das, was Primal Scream machen.

Nachdem ich euch gestern live gesehen habe, denke ich, dass ihr mehr in die Rock-, als in die Dance-Richtung tendiert.

Tommy: Oh, nein, wir fühlen uns mehr Dance als Rock, ich meine, wir spielen Dance in einem Rockkontext. Wir benutzen Drums, Bass, Gitarre und Keyboards.

Greg: Aber keinen Drum-Computer oder so was. Das ist zu kompliziert für uns. (lachen) So wird das einfach rockiger.

Tommy: Wenn wir rauskriegen würden, wie das Zeug funktioniert würden wir's benutzen.

Die meisten Leute mögen entweder Rock oder Dance. Alec Empire meinte, er wolle die Leute mit seinem Album dazu bringen, offener gegenüber anderen Stilrichtungen zu sein. Wollt ihr den Leuten auch etwas vermitteln?

Greg: Das würde ja bedeuten, dass wir auf irgendeine Art schlauer wären als die anderen. Ich denke, wir machen einfach was wir wollen. Wir hören alle Tonnen verschiedenster Sachen. Wir denken da nicht sehr straight. Wir versuchen aber niemandem zu sagen, er soll das auch so machen.

Tommy: Ich denke, wir bringen Leuten nur bei, wie man liebt. (Gelächter) Wie man sein Leben zu führen hat, wie man seine Familie behandeln soll.

Greg: Tommy schafft gerade eine neue Religion. Er startet seine Kirche nächste Woche.

Ist das Leben auf Tour anstrengender als die Aufnahmen im Studio?

Alle: Oh Ja!

Gerard: Touren schlaucht sehr. Du bist immer in Bewegung. Sogar wenn du schläfst fühlst du dich, als würdest du dich bewegen ... um irgendwo anders hinzukommen. Es ist nonstop.

Tommy: Nach dem Aufnahmetag gehst du nach Hause.

Greg: Beim Aufnehmen bist du den ganzen Tag kreativ. Beim Touren spielst du gerade mal ne Stunde am Tag. Die anderen 23 Stunden des Tages verbringst du damit, zu deinem Gig zu kommen. "Hurry Up And Wait" nennen wir das. Du musst dich immer beeilen, zur Venue zu kommen, und wenn du dann da bist, wartest du noch mal fünf Stunden, bevor du spielen kannst.

Tommy: Der beste Teil des Tages ist definitiv das Spielen. Den Rest des Tages sind wir dabei rumzufahren, rumzumeckern, Fastfood zu essen und zu schlafen. Manche Leute scheinen das Touren geradezu zu lieben.

Greg und Gerard: I love it!

Gerard: Es ist diese kurze Zeit auf der Bühne, für die es wert ist, das alles auf sich zu nehmen.

Greg: Aber wenn diese halbe Stunde scheiße ist, war dein ganzer Tag fürn Arsch.

War das gestern eine gute Show in Berlin?

Alle: Definitiv ja! Und du, mochtest du es? Und auch wichtig: Hast du getanzt?

Zwei mal ja!

Tommy: Naja, wir haben niemanden mehr wahrgenommen.

Ihr setzt euch mit "No Dancing Allowed" gegen das New Yorker "Cabaret Law" ein. Erklärt doch mal, was das überhaupt bedeutet. Ich habe nur verstanden dass man eine Lizenz haben muss, um in NYC einen Club zu betreiben, in dem getanzt wird.

Tommy: Wenn du diese "Cabaret Licence" nicht hast, darfst du den Leuten in deinem Laden nicht erlauben, zu tanzen. Und die ist hart zu kriegen. Es wird jetzt deshalb nicht gleich jeder Club in NY geschlossen, aber das ist schon eine krasse Atmosphäre. Es tanzen einfach weniger Leute.

Gerard: Da stehen keine Cops in den Bars, die nur darauf warten, dass jemand anfängt zu tanzen.

Tommy: Aber da sind einige Clubs, die Schilder aufgehängt haben "Do not dance" oder "No dancing allowed".

Greg: Wieso schreiben sie eigentlich nicht gleich "Do not have fun"?

Gerard: Es gibt so viele Restriktionen in New Yorker Bars.

Und was macht ihr dagegen?

Tommy: Wir gehen in diese Clubs und tanzen, wir spielen Dance-Music und bringen die Leute zum Tanzen. Das ist in dem Zusammenhang ja schon ein politisches Statement. Und das nächste ist, dass sie das Rauchen verbieten wollen.

Was bedeutet Mut für euch?

Alle: Ähm ... Das war eine gute Frage.

Aber ihr könnt sie nicht beantworten? Die Mimik eures Frontmanns Anthony hat mich gestern an Liam Gallagher erinnert.

Alle: Das zu sagen ist jetzt wiederum mutig von dir. (lachen)

Hattet ihr irgendwelche peinlichen Momente als Band?

Tommy: Ach, wir sind ziemlich normale Leute, wir bringen uns nicht in Situationen, in denen es peinlich werden könnte.

Und irgendwelche anderen besonderen Momente?

Alle: Als wir vor ein paar Monaten mit Joe Stummer von The Clash gespielt haben. Und nach Berlin zu kommen.

Schleimer!

Alle: Nein, wirklich. Wir mögen es in Europa. Die Leute sind alle so nett.

Ich finde die Leute in Berlin ziemlich rau.

Tommy: Dann merken wir das nicht, weil wir sie nicht verstehen. Außerdem behandeln Leute die Bands hier viel besser und respektvoller als in Amerika. Musik wird hier mehr geschätzt.

Greg: In New York hat man oft das Gefühl, dass die Leute zu Shows kommen, um auf einem coolen Gig gesehen zu werden. Hier hat man das Gefühl, dass die Leute wirklich wegen der Musik und der Bands kommen.

Keine weiteren Fragen. Danke fürs Interview.

Alle: Das war's? Danke auch. Hat Spaß gemacht.

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