20. September 2005
"Musikalisch bin ich eine Pfeife!"
Interview geführt von Michael EdeleSchon von Beginn an, also seit nunmehr einem viertel Jahrhundert, stehen Roadrunner Records für ausgezeichnete Metal-Combos. Gerade jungen, aufstrebenden Bands wie Obituary, Sepultura oder Fear Factory bot man ein Sprungbrett. Doch auch Megaseller wie Slipknot oder Nickelback kamen bei der Kölner Plattenfirma unter und ließen sie zu einem der Top Independent Labels der ganzen Metalszene wachsen.
Um auf solche Bands überhaupt aufmerksam zu werden, benötig man den richtigen Riecher und ein feines Gehör. Beides hat A&R Manager Monte Connor, der Roadrunner fast von Anfang an begleitet und nun auch den richtigen Rahmen für die Jubiläumsfeier gefunden hat.
Ich hab gehört, die Idee hinter der Roadrunner United-Scheibe stammt von dir?
Das stimmt, ich wurde von meinem Boss im letzten Mai darauf angesprochen, dass wir zum 25-jährigen Jubiläum irgendwas Besonderes machen müssen. Ich habe daraufhin eine Mail an einige Leute im Betrieb rumgeschickt, ob jemand eine Idee hätte. Wir wollten nicht einfach nur ein großes Boxset mit sieben CDs und drei DVDs, einem Aufkleber und vielleicht einem Handtuch rausbringen. Das war zu langweilig und wäre auch zu teuer geworden. Irgendwann kam mir die Idee mit den vielen verschiedenen Musikern, die unterschiedliche Songs spielen sollten. So ähnlich wie auf Dave Grohls Probot-Album.
Ich mochte die Idee hinter dem Probot-Album sehr, aber wir wollten das noch ein Stück weiter ausbauen. Deswegen schwebte mir ein Album vor, auf dem die Songs von unterschiedlichen Leuten geschrieben, von unterschiedlichen Leuten aufgenommen werden und an denen so viele unterschiedliche Leute wie möglich arbeiten. Ein Album wie dieses gab es bisher noch nicht, und ich denke, dass es auch nicht viele Labels gibt, die so etwas zustande bringen könnten. Bei einem Album wie diesem kann man nie so ganz sicher sein, wie sich das Endprodukt anhört, aber es ist einfach der Hammer geworden.
Was war das größte Problem bei der Planung?
Hauptsächlich das Timing, weil du ja all die Leute unter einen Hut bringen musst. Wir haben im September letzten Jahres mit der Planung angefangen, aber eigentlich ging es erst im Januar 2005 richtig los. Das war also ein enormer Zeitdruck, denn wir haben dieses Jahr unser 25-jähriges Jubiläum und nicht nächstes Jahr. Es wäre also ziemlicher Quatsch gewesen, wenn das Album erst nächstes Jahr erschienen wäre. Normalerweise benötigt man für solch eine Scheibe etwa ein bis zwei Jahre, wir haben es in nicht ganz neun Monaten geschafft.
Wie schwierig war es, die Team Captains zu bestimmen? Die Auswahl war doch auch enorm.
Das war eigentlich ziemlich einfach, da wir bestimmte Vorgaben hatten, die ein Captain erfüllen musste. Zum einen mussten sie in ihren Bands die Hauptsongwriter sein, zum anderen mussten sie schon als Produzenten einiges an Erfahrung mit einbringen. Dann mussten ihre Namen in der Metal-Szene schon einigermaßen bekannt sein, denn es bringt ja nichts, mit irgendwelchen Rookies zu arbeiten. Als letztes sollten eben alle einen bestimmten Part in der Geschichte von Roadrunner symbolisieren. Rob und Dino sind oder waren schon seit jeher dabei, Joey ist sozusagen in der Hauptphase zum Label gestoßen, und Matt ist die Zukunft. Max von Soulfly war auch im Gespräch, aber er war gerade an den Aufnahmen zu "Dark Ages" und hatte leider keine Zeit, und auch Adam von Killswitch Engage war eine Option.
Nachdem du die Jungs eingewiesen hattest, hattest du danach noch Einfluss auf die Wahl der Musiker?
Ja schon. Im Groben haben wir die alle zusammen ausgesucht. Ich habe eine Liste bekommen von all den Jungs, mit denen die Captains gerne arbeiten möchten. Ich hab mich nur so weit eingemischt, dass ich die Kontakte hergestellt und Zeiten abgeklärt habe.
Wie viele Leute standen denn ursprünglich auf deiner Liste?
Boah, keine Ahnung. Am Anfang stand eigentlich jeder Künstler auf der Liste, der jemals mit Roadrunner gearbeitet hat. Es hätte wirklich jeden treffen können. Ich hatte so in etwa 80 Leute zur Auswahl gestellt, die Captains kamen aber auch immer wieder mit Leuten an, die ich gar nicht mehr auf dem Radar hatte, die aber definitiv ihren Beitrag leisten sollten. Es war nicht zwingend notwendig, dass alle Künstler nach wie vor bei uns unter Vertrag sind. Immerhin ist Dino sogar einer der Captains, obwohl er nicht bei uns ist.
Was war die größte Schwierigkeit bei der Durchführung?
Ebenfalls das Timing. Eine weitere Besonderheit des Albums ist die Tatsache, dass alle Aufnahmen live stattfanden. Alle Musiker waren zusammen in einem Raum und haben den jeweiligen Song zusammen eingespielt. Nur der Gesang wurde nachträglich aufgenommen. Das war natürlich ein enormer logistischer und zeitlicher Aufwand. Vor allem, was die paar europäischen Künstler anging, war das schon ganz schön schwierig.
Normalerweise sind die größten Hindernisse bei solchen Kooperationen ja business-interne Probleme. Die ergeben sich in eurem Fall ja nicht. Denkst du, dass da ein paar der Herren Blut geleckt haben und so was im größeren Rahmen fortsetzen wollen?
Das kannst du aber laut sagen, da kamen so einige Konstellationen nachher an und meinten, dass sie unbedingt ein komplettes Album zusammen machen wollen. Ich weiß echt nicht, was ich da erweckt habe, hahaha. Das kann sehr interessant werden.
Hab ich's mir doch gedacht. Die 18 Songs auf dem Album sind bestimmt auch nicht alles, was letztendlich geschrieben und aufgenommen wurde, oder?
Eigentlich war es tatsächlich nur ein einziger Song, der es nicht auf das Album geschafft hat. Du musst bedenken, dass die Zeit wirklich verdammt knapp war. Das war dann auch eine Nummer, die Josh Silver von Type O Negative geschrieben hat. Er hatte noch ein paar Songs rumliegen, die er mit einem Allstar Team aufnehmen wollte, so kam er mit ins Spiel. Ich habe mir die Sachen mal angehört und sie waren echt klasse, deswegen sind sie auf Roadrunner United.
Der nächste logische Schritt wäre somit ein Konzert oder ein Festival, auf dem die jeweiligen Teams zusammen ihre Songs spielen ...
Bist du wahnsinnig, wie willst du so was denn zeitlich organisieren, hahaha. Das ist so gut wie unmöglich, aber wir planen für Dezember eine Show in New York, auf der zumindest ein paar der Jungs zusammen ihre Songs zocken und auch noch ein paar zusätzliche Coverversionen aus dem Roadrunner Katalog. Das nehmen wir dann natürlich auf und bringen die DVD davon raus. Der Special Edition des Albums wird aber auch schon eine DVD beiliegen, die den Entstehungsprozess der Scheibe dokumentiert und einige Studioaufnahmen beinhaltet. Ich denke, das ist nicht ganz uninteressant.
Erzähl doch mal, was ansonsten deinen Job als A&R Manager ausmacht.
Ok, A&R Manager laufen hauptsächlich in Gegend rum und versuchen, irgendwelche Bands unter Vertrag zu nehmen. Wir suchen auf der einen Seite natürlich Bands, die es wert sind, gehört zu werden, vor allem aus dem Newcomer-Bereich, auf der anderen Seite versuchen wir aber auch, Bands unter Vertrag zu nehmen, die uns und den anderen Mitarbeitern das Einkommen sichern. Damit hört das aber nicht auf, wir sind danach auch weiterhin für die Bands verantwortlich und arbeiten mit ihnen an den Alben, den Touren, den Interviews, an allem, was eben so ansteht. Wir sind so was wie der Quaterback, der den Überblick haben muss und die Murmel dann richtig verteilt.
Würdest du sagen, dass sich deine Arbeit von der des typischen A&R Fuzzis unterscheidest?
Na ja, vielleicht insofern, dass ich mit über zehn Bands auf einmal zusammenarbeite. Normalerweise hat man als A&R Manager vielleicht drei, maximal vier Bands, um die man sich kümmert. Ich bin jetzt schon seit Ewigkeiten bei Roadrunner und kenne das gar nicht anders. Ich fühle mich einfach für all die Bands verantwortlich, die ich unter Vertrag genommen habe. Das führt dann manchmal so weit, dass ich eigentlich kaum mehr Zeit finde, um mich um weitere Bands zu kümmern, die ich gern unter Vertrag nehmen würde. Das unterscheidet mich wahrscheinlich im wesentlichen von den anderen A&R Managern.
Wie lange bist du jetzt schon bei Roadrunner und wie bist du an den Job gekommen?
Ich bin hier seit Dezember 1987, was auch einen Unterschied zum typischen A&R macht. Die meisten haben in der Zeit schon drei oder vier Mal ihren Arbeitsplatz gewechselt. Reingerutscht bin ich da eigentlich eher durch Zufall. Ich war schon als 14-Jähriger ein riesiger Metalfan und wollte auf dem College eigentlich Mathe studieren. Im College habe ich dann für das College Radio gearbeitet und hatte eine Show namens The Witching Hours. Da habe ich dann lauter Underground-Sounds wie Metallica, Slayer, Megadeth oder Exodus und so was gespielt. Die hatten da alle gerade mal ein Demo am Start, und in dieser Zeit wurde ich so was wie ein Experte in dem Bereich und habe auch die ersten Kontakte im Musicbiz gesammelt. Ich habe bei allen möglichen Labels wegen Jobs angefragt, und Roadrunner waren die einzigen, die überhaupt mit mir gesprochen haben, hahaha. Ich habe bei denen schließlich auch angefangen, aber im Bereich Radio Promotion. Etwa zehn Tage, nachdem ich angefangen hatte, machte sich die Frau, die damals A&R Manager war, aus dem Staub. Somit waren wir gerade mal noch vier Leute im ganzen Büro, und ich war der einzige, der wirklich einen Plan von Metal hatte. Also landete der Job bei mir, hahaha. Drei Monate später hab ich Sepultura unter Vertrag genommen.
Warum hast du nicht selbst irgendwann versucht, als Musiker Kohle zu verdienen?
Ganz einfach, ich bin musikalisch gesehen eine Pfeife, hahaha. Ich kann "Iron Man" oder "Smoke On The Water" spielen, dann hört's aber schon auf. Das macht aber nichts, denn ich habe mir schon oft darüber Gedanken gemacht, ob das in meinem Job nicht vielleicht sogar hilfreich ist. Ich kenne viele A&R-Leute, die selber Musiker sind, und ich kann mir gut vorstellen, dass die mit ganz anderen Voraussetzungen an ein Konzert von einer neuen Band herangehen. Die merken dann sofort, wenn ein Drummer nicht das beste Timing hat. Mir fällt das überhaupt nicht auf, wenn er einfach so eine Power hat, dass es mir die Socken auszieht. So lange die Musik irgendwas in mir bewegt, reicht mir das, die Band unter Vertrag zu nehmen. Wenn man zu sehr auf technische Aspekte einer Band achtet, dann kann einem einiges an guten Bands entgehen. Von daher denke ich, es kann sogar nützlich sein, wenn von der musikalischen Seite keine große Ahnung hat.
Erinnerst du dich noch an die erste Band, die du für Roadrunner unter Vertrag genommen hast?
Klar, das war eine Band namens Realm, so eine Progressive Thrash-Band, die zwei Scheiben über Roadrunner veröffentlicht haben. Die zweite Band war übrigens Sepultura, haha.
Wie bleibst du eigentlich auf dem Laufenden, was da draußen noch an guten Bands rumläuft?
Na ja, das ist immerhin mein Job. Ich halte mein Ohr am Boden, geh auf Konzerte, hör mir Demos an und lasse mir von Freunden und Bekannten ein paar Tipps geben. Außerdem hör ich mir an, was die jüngeren, kleineren Labels so am Start haben und schaue, ob da nicht noch ein Rohdiamant dabei ist. Wenn man Metal aber so liebt, wie ich, dann ist das nicht so das Problem. Das ist für mich immer noch mehr Hobby als Job, und ich denke, das bleibt auch noch eine ganze Zeit lang so.
Das Interview führte Michael Edele
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