5. September 2014

"Ist Rock'n'Roll für RTL nicht gut genug?"

Interview geführt von

Freie Songwahl bei "Rising Star"? Von wegen. Einer, der teilgenommen hat, erzählt von den Macken des TV-Formats, aber auch von den Chancen, die es sogar einem gestandenen Musiker noch zu bieten hat.

"Rising Star" heißt der neueste Streich, den uns die Fernsehlandschaft als Alternative zu "Star Search", "The Voice", "DSDS" und wie sie alle hießen und heißen andrehen will. Dieses Mal sogar mit eigener App, die man erst installieren muss, um für seine Favoriten zu voten. So weit, so belanglos und uninteressant, wenn, ja, wenn da nicht auf einmal ein alter Bekannter unter den Teilnehmern auftauchte.

Hinter dem Namen Andrew James Witzke steckt nämlich niemand anders als Ski. Der Mann, der als Ski-King, mit seiner Band Ski's Country Trash oder mit Beloved Enemy bereits für beste Unterhaltung gesorgt hat.

Leider war nach der ersten Episode von "Rising Star" bereits wieder Schluss. Die Wand fuhr nicht hoch, und allein Anastacia gab dem tätowierten Hünen ihre Stimme. Von Frust war allerdings nichts zu spüren. Ski ging mit seinem Ausscheiden sehr gelassen um. Dennoch bleibt die Frage:

Ski, warum macht ein gestandener Sänger, und auch noch einer, der sich immer deutlich von solchen Formaten distanziert hat, auf einmal bei einer Show wie "Rising Star" mit?

Da muss ich ein bisschen weiter ausholen. Prinzipiell wäre mir die Sendung vermutlich komplett entgangen, weil mich so etwas eigentlich nicht interessiert. Allerdings wurde ich von den Veranstaltern kontaktiert und gefragt, ob ich nicht mitmachen wolle. Meine Stimme und meine Art würden ihnen extrem gut gefallen. Also hab' ich mich mal ein bisschen schlau gemacht, hab' mit denen gesprochen, und für mich klang das so, als ob hier tatsächlich mal ehrlich ein Talent gesucht wird, das die mit ihrer Show fördern wollen. Ich hatte die Hoffnung, dass das keine Casting-Show, sondern eine Talent-Show wird und dass das tatsächlich hundert Prozent interaktiv ist. Was es dann leider nicht war, da allein die Jury schon zwanzig Prozent der Stimmen ausmacht. Das mag ein wenig blauäugig gewesen sein, aber am Anfang klang das noch alles ganz fair. Später hat sich leider abgezeichnet, dass das genauso abläuft, wie in den anderen Formaten auch.

Hattest du zu dem Zeitpunkt schon irgendetwas unterschrieben?

Ich musste eine Teilnahmevereinbarung unterschreiben, die RTL die Rechte zugesprochen hat, die aufgenommenen Bilder zu verwerten. Das war kein Knebelvertrag und ich schulde da niemandem irgendwas. Ich konnte weiterhin selber meine Gigs buchen, mir meinen eigenen Manager suchen, die haben mich in keiner Weise eingeschränkt. Sonst hätte ich nicht mal das unterschrieben. Etwa eine Woche vor der ersten Show kam dann der Vertrag von Sony Records, und der sah dann schon wieder ein bisschen anderes aus (lacht). Das wäre ein Exklusivvertrag mit einer Laufzeit von vier Jahren gewesen, plus ein einjähriges Musikstipendium. Das war für die Kids gedacht, die noch zur Schule gehen, dass die sich ein Jahr wirklich komplett auf die Musik konzentrieren können. Das war dann auch kein Vorschuss, das ist tatsächlich als Stipendium gedacht. Also für die jungen Teilnehmer eine richtig gute Sache. Für mich kam das aber nicht in Frage, weil das ein 30-seitiger Vertrag war, mit sehr strengen Exklusivregeln.
Uns wurde zwar ein Anwalt zur Verfügung gestellt, aber der wurde natürlich von RTL bezahlt und entsprechend unparteiisch dürfte der gewesen sein. Die haben mich dann immer gedrängt, das Ding noch VOR der Show zu unterschreiben, aber ich unterschreibe nichts, was ich nicht gründlich gelesen habe. Das hab' ich gemacht, und ich hab' den Vertrag NICHT unterschrieben. Damit hätte ich nämlich auch noch eine dreimonatige Optionszeit unterschrieben, dass mich Sony exklusiv unter Vertrag nehmen kann, auch wenn ich die Show NICHT gewinne. Auch dann wäre ich für vier Jahre an Sony gebunden gewesen.

"Hätte ja sein können, dass das genau mein Ding ist"

Hättest du den Vertrag unterschrieben, wenn du weiter gekommen wärst?

Nein, auch wenn ich zugeben muss, dass es mich zunächst natürlich gereizt hat, einen Deal bei Sony zu haben. Aber je mehr ich mitbekommen habe, wie die Show und alles drumrum abläuft, desto weniger hat mir das gefallen. Und ganz ohne Scheiß: Selbst wenn die Wand hochgegangen wäre, hätte ich die nächste Show nicht mehr mitgemacht. Ich hätte mich gefreut, über die Bestätigung, weiter gekommen zu sein, aber ich hätte aufgehört.

Warum?

Wegen genau dem Scheiß, der seitdem in den Medien ist. Allein am Tag der ersten Show hab ich drei Mal mit denen über die Songauswahl gestritten, was ich hätte singen sollen, falls ich weiter komme. Die haben mir allen Ernstes so einen Kram wie Lana Del Rey vorgeschlagen! Was soll denn der Scheiß? Wir haben da seit Wochen schon über deren Musikauswahl diskutiert. Ich hatte denen auch meine eigenen Songs geschickt. Die wussten ganz genau, was für ein Sänger ich bin und was ich kann. Warum schlagen dir mir dann so einen Mist vor? Die Gospelsängerin, die dabei war, hat AC/DC bekommen. Hallo? Jemand zuhause? Da muss man eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Ich hatte denen "Chasing Cars" von Snow Patrol und "By The Way" von den Red Hot Chili Peppers vorgeschlagen. Wurden beide abgelehnt, würde kein Mensch kennen. Von der freien Songauswahl, die im Vorfeld von RTL versprochen wurde, war also schon mal nichts zu sehen.

Das Problem war aber auch, dass da nur ein einziger Musikredakteur für alle Teilnehmer verantwortlich war. Der hat sich echt Mühe gegeben, war damit aber letztendlich komplett überfordert. Ich hab den wirklich nicht beneidet. Der hat jeden ein, zwei Mal singen hören und musste dann entscheiden, was der- oder diejenige singen soll. Und die Playbacks mussten ja auch noch produziert werden. Das waren 120 Songs in kürzester Zeit. Und dann musste der das auch erst mal noch dem Sender gegenüber verantworten, ehe die das finale Okay gegeben haben. Aber das war einfach unmöglich für mich, mit denen da auf einen Nenner zu kommen.

Alles in allem klingst du jetzt aber nicht so, als ob du dich ärgern würdest, daran überhaupt teilgenommen zu haben.

Nein, das mach ich auch nicht. Ich kann doch erst sagen, dass ich irgendwas nicht mag oder dass etwas nichts für mich ist, wenn ich es mal ausprobiert habe. Ich kann auch nicht behaupten, dass da alles nur Scheiße war. Ich hab' da durchaus positive Erfahrungen gemacht. Die Crew war wirklich nett und professionell. Die Vocal Coaches waren auch super. Es denken zwar viele, dass die mir bestimmt nichts mehr beibringen konnten, aber - doch, das konnten sie! Vielleicht nicht mehr so viel wie einigen anderen dort, aber ich hab' definitiv was von der Frau gelernt.

Hätte es da nicht schlauere Formate gegeben? Beispielsweise "The Voice"?

Das ist im Endeffekt genauso abgekartet. Da schenken sich die Dinger wirklich nicht viel. Aber "Rising Star" klang am Anfang echt so, als ob die das ehrlich meinen, und wenn ich schon eingeladen werde, wollte ich einfach mal sehen, wie das ist. Wenn du einem Kind sagst, es soll den Herd nicht anfassen, weil es sich sonst verbrennt, dann macht es das vielleicht in dem Moment nicht. Aber irgendwann sind die Finger doch dran, es verbrennt sich, und das Geschrei ist groß. Aber ab da wird es den Fehler vermutlich kein zweites Mal mehr machen. Es hätte doch sein können, dass das echt supergeil und genau mein Ding ist. Das hätte ich aber nie erfahren, ohne dass ich daran teilgenommen habe.

"Johnny Cash ist bei der Muppet Show aufgetreten!"

Von deinen Fans kommen aber auch Argumente wie: Solche Typen wie Johnny Cash hätten so was nicht mitgemacht. Echte Outlaw-Rebels machen sowas nicht!

Ja, die Kommentare hab' ich auch gelesen, aber ich sag' euch jetzt mal was: Johnny Cash ist bei der "Muppet Show" aufgetreten und hat mit Handpuppen gesungen! Was ist da jetzt schlimmer oder besser? (Lacht) Jeder Musiker, der von seiner Musik leben und weiter kommen will, muss sich irgendwo mal zeigen, also warum nicht auch mal bei so etwas? Ich hab' mir da nie eine Illusion gemacht, dass ich das Ding hätte gewinnen können, und ein großer Star wollte ich auch nie werden. Das weiß eigentlich jeder, der mich kennt. Aber wenn du die Chance hast, vor 2,5 Millionen Leuten zu spielen – so viele haben die Sendung nämlich gesehen – dann wärst du ziemlich blöd, so ein Angebot auszuschlagen. Deswegen fang' ich aber doch nicht gleich mit irgendwelchen Kommerzscheiß an. Was mich als Ski-King auszeichnet, ändert sich durch so eine Aktion doch nicht. Scheinbar sind viele Leute der Meinung, es müsse mir reichen, dass mich 15.000 Leute in Deutschland kennen. Alles drüber raus wäre schon Kommerz.

Das ist leider immer das typische Fanargument. Eine Band ist nur so lange geil, wie man sie für sich allein und vielleicht noch die engsten Freunde hat. Wenn auf einmal viele andere auf sie aufmerksam werden, sind sie zu kommerziell, weil verdienen dürfen ehrliche Musiker ja anscheinend nichts.

Scheint so, ja. Der Punkt ist: Ich mache seit 15 Jahren nur Musik und lebe von nichts anderem. Auf Dauer jeden Freitag und Samstag vor 30 oder 40 Leuten aufzutreten, das kann ich mir einfach nicht leisten. Das hat mit Gier oder Kommerz nichts zu tun. Ich habe eine Familie und muss Rechnungen bezahlen. Wer mich kennt, weiß, dass ich bescheiden lebe. Damit habe ich auch überhaupt kein Problem, aber wenn man ach auf Dauer von der Musik leben will, muss man zwangsläufig sein Publikum erweitern. Entweder das, oder ich muss in naher Zukunft mit der Musik aufhören. Und das will ich auf keinen Fall.

Lass' uns nochmal auf "Rising Star" zurückkommen. Der entlarvende Satz nach deinem Auftritt kam meiner Meinung nach von Sasha, als er meinte, dass er dich als Dick Brave weiter gewählt hätte, als Sasha aber nicht. Der Musiker in ihm stand also drauf, aber das Industrieprodukt und der RTL-Vertrag machten wohl ganz klar, dass mit dir in dem Format nicht zu arbeiten ist.

Ja, ganz genau. Was war denn das für eine Aussage? Ist Rock'n'Roll für RTL nicht gut genug? Dann hab' ich da ganz klar nichts verloren. Das hatte im Endeffekt für mich mehr von einer Jukebox mit Live-Sängern. Und ich will jetzt ganz bestimmt nicht wie der beleidigte Typ klingen, der in der ersten Sendung rausgeflogen ist, aber ich kann mir momentan wirklich nicht vorstellen, dass dieses Format in eine zweite Runde geht. Aber auch die ganzen Casting-Shows sind auf dem absteigenden Ast. Ich ärgere mich nicht darüber, dass ich bei der Sendung mitgemacht habe, bin aber auch nicht enttäuscht, dass ich nicht weiter gekommen bin. Das hat mich letztendlich nur vom Arbeiten abgehalten, und ich hab' dieses Jahr noch viel zu tun. Aber mir gehts jetzt auch nicht darum, die Sendung schlecht zu machen, ich will einfach die Wahrheit sagen und meinen Fans erklären, warum ich da mitgemacht habe. Das hat nichts mit Nachtreten zu tun. Ich bin ja froh, wenn mich durch die Show vielleicht doch auch ein paar Leute für sich entdeckt haben, die demnächst vielleicht auch auf einem meiner Konzerte sind.
Um es mal auf den Punkt zu bringen: ich finde das Konzept von "Rising Star" gar nicht schlecht, aber es wurde falsch aufgezogen. Man kann Leute einfach nicht ordentlich beurteilen, wenn man ihnen Songs aufzwingt, mit denen sie nicht zurecht kommen und die für sie nicht geeignet sind.

Mit Ski's Country Trash willst du 2015 ja erst einmal Pause machen. Hast du diesen Entschluss in Hinblick auf die Show gefasst, oder war das unabhängig davon?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich mach Ski's Country Trash jetzt seit zehn Jahren und habe da sehr viel Zeit und sehr viel Geld investiert. Da gab es dann auch einige Line-Up-Wechsel, aber mittlerweile steht die Besetzung, und das passt perfekt. Aber irgendwann brauchst du auch mal eine Pause, um die Batterien wieder aufzuladen – und eben auch mein Konto. Fakt ist nun mal leider, dass ich mit der Band deutlich weniger verdiene, als wenn ich nur als Ski-King auftrete.

Ich muss aber auch ganz ehrlich zugeben, dass es mir auf Dauer ein wenig zu viel wurde. Ich stand irgendwann kurz vor dem Burnout. Die treuesten Begleiter von Berufsmusikern sind Leberschaden und Depressionen. Der Traum vom Rock'n'Roll hat nach wie vor seine Schattenseiten. Heute vermutlich sogar mehr, als früher. Mit der Band habe ich mich immer für sämtliche Leute in der Band verantwortlich gefühlt und das ist auf Dauer ein nicht zu unterschätzender Stressfaktor. Davon brauche ich einfach mal ein Jahr lang eine Pause. Wenn ich mal was mit Ski-King & The Wonderbras mach, ist das was anderes, da bin ich nicht der Chef. Und die eine Beloved Enemy-Show, die wir auf dem Castle Rock spielen, das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Aber ansonsten werde ich mich 2015 komplett auf mich konzentrieren. Und was ebenfalls ein Vorteil ist: Wir haben 2015 ein ganzes Jahr Zeit, um ein neues Ski's Country Trash-Album zu schreiben. Ein neues Ski-King-Album "Sketchbook 3" kommt vermutlich 2015.

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