1. Februar 2001

"Ich kam zu den Guns n'Roses als ich 19 war"

Interview geführt von

Slash, in den letzten Jahren hat man kaum etwas von dir gehört. Was hast du denn getrieben?

Eigentlich bin ich immer beschäftigt. Ich habe gejamt und bin als Gast auf ein paar Platten erschienen. Ich musste die Plattenfirma wechseln, Guns n’Roses zu verlassen war eine lange Geschichte, die Scheidung auch, da war ziemlich viel Scheiße am Dampfen. Ich habe die Leute für Snakepit zusammengesucht, und als ich wusste, das ist die Band, haben wir zusammen live gespielt und die neue Platte geschrieben und aufgenommen.

Vor acht Jahren warst du schon mal hier, damals vor 80.000 Zuschauern während der "Use Your Illusion" Tour. Wie ist es, jetzt vor wesentlich kleineren Zuschaueransammlungen zu spielen?

Ob man vor acht oder 80.000 Leuten spielt, die Frage bleibt die gleiche: Kannst du spielen? Fahren die Zuschauer drauf ab? Ich verbringe meine ganze Zeit mit dem Ziel, auf die Bühne zu gehen, 1 1/2 Stunden zu spielen und merken, wie die Leute denken: "Scheiße, das ist cool, das hat Spaß gemacht." Der Unterschied liegt im Kontakt mit dem Publikum. In einem Stadium zu spielen ist ok, aber man sieht nur die ersten vier Reihen, und in einem kleineren Saal entwickelt sich eher das Gefühl, eine Einheit zu sein. Das ist, warum ich 1995 Snakepit gegründet habe: Ich wollte in Clubs spielen, Axl nicht.

Wie siehst du heute deine Zeit mit Guns n’Roses?

Viele Leute versuchen, ein schlechtes Licht auf die Jahre zu werfen. Ich habe die Band verlassen, als die Dinge noch einigermaßen liefen, aber ich bereue es nicht. Ich kam zu Guns n’Roses als ich 19 war und es waren wir gegen den Rest der Welt und wir haben es geschafft. Ich bin gegangen, als ich nicht mehr glücklich war. Das Leben ist so schon hart genug, da braucht man nicht auch noch deprimiert zu sein.

Gibt es einen Unterschied zwischen "Guns n’Roses" Slash und "Snakepit" Slash?

Nicht wirklich. Es gibt diese klischeehafte Rock n’Roll-Scheiße, aber es macht mir wirklich Spaß, dabei zu sein. Ich verbringe zwei Stunden am Tag auf der Bühne, die anderen 22 sind dann Reisen und Interviews. Es ist cool, man trifft Leute, man kommt rum, jedes Konzert ist anders. Es ist nicht nur die Musik, es ist das ganze Leben drum herum. Es gibt nichts schöneres, als auf der Bühne zu stehen und zu merken, wie das Publikum abgeht. Natürlich kommt es immer drauf an, mit wem man gerade zusammen ist. Es entwickelt sich aus der Situation heraus. "Ich habe ein Riff! Wie findet ihr es?" Damit fängt es meistens an. Im Prinzip ist es immer die gleiche Scheiße, aber inzwischen bin ich 35 und kenne mich aus. Ich tue mein Ding, weil ich weiß, wie es geht.

Vom Sound her hätte "Ain’t Life Grand" auch in den 70ern oder 80ern erscheinen können. Was hälst du von Bands wie Limp Bizkit oder Korn, die sich zwischen verschiedenen Genres bewegen?

Ich mag es, wenn Leute versuchen, etwas Neues zu tun. Mit ein paar Ausnahmen. Limp Bizkit ist irgendwie cool, aber nicht mein Ding. Ich hasse es, wenn alle anfangen, alle anderen zu kopieren. Eminem ist cool, Kid Rock ist cool, aber es gibt auch 60 Millionen Scheißbands. Aber das gehört dazu: Du musst dein Ding tun und versuchen, dich damit durchzuschlagen.

Trotzdem hast du mit einigen Musikern zusammengearbeitet, die man nicht gerade automatisch mit dir in Verbindung bringen würde.

Ja, da war Michael Jackson, bei ihm habe ich auf "Give In To Me" gespielt. Wir waren auch auf der Bühne ein paar Mal zusammen und haben ein Video in Belgien (sic!) gedreht. Cooler Typ, von den Medien leider total verzerrt. Ich war bei Carol King mit dabei, habe erst kürzlich etwas für Rod Stewarts neue Platte aufgenommen, Neujahr 2000 habe ich in Washington ein paar Lieder mit Tom Jones im Weißen Haus gespielt...

Hast du da Monica Lewinski getroffen?

Ne, aber ab und zu kam ein Kopf unter der Tischdecke zum Vorschein...

Mit wem würdest du gerne eine Platte aufnehmen?

Mit Stevie Wonder. Er ist die Person schlechthin, mit der ich schon immer zusammenarbeiten wollte. Wir haben uns oft darüber unterhalten, aber es hat sich bis jetzt noch nicht ergeben. 1995 hatte ich eine Liveband, Slash’s Bluesball, und wir haben "Superstitious" gespielt und noch ein Lied von ihm, mir fällt der Name gerade nicht ein...

"I Just Called To Say I Love You?"

Ne ne ne, irgendwas über Harlem, etwas rockigeres.

Du warst mit Alice Cooper auf Tour. Warst du Teil des Blutspektakels, das er jedes Mal inszeniert?

Ne, ich bin ganz einfach als Slash aufgetreten. Das ist schon furchterregend genug, glaube ich.

Es gibt da so Geschichten über ein Konzert mit Ozzy ...

Yeah, das war lustig. Ich war total besoffen und hatte keine Ahnung, was vorging. Sie sagten mir, es geht los, ich fragte, wie das Lied nochmal geht und spielte einfach etwas. Ta na na, ta na na. Scheiße, es war der falsche Riff. Ich habe vor mich hingelacht und ich glaube, dass sie meine Gitarre ziemlich schnell rausgemischt haben.

Wie geht es eigentlich deinen ehemaligen Kollegen von Guns n’Roses?

Im Oktober habe ich Steven Adler in einem Club getroffen. Er spielt ab und zu und er schien OK zu sein. Izzy Stradlin nimmt andauernd neue Platten auf und geht dann auf Tournee, Duff McKagan genauso, und Matt Sorum ist wieder bei Cult. Mit Gilby Clarke rede ich nicht mehr und zu Axl Rose ist der Kontakt abgebrochen, als ich die Band verlassen habe.

Kannst du dir vorstellen, eines Tages wieder mit ihnen auf der Bühne zu stehen?

Keiner von uns hat es in seinem Terminkalender stehen. Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, nach dem Motto, "ok, lass uns eine Show spielen. Wir alle wissen, wie 'Welcome To The Jungle' geht." Aber es hat sich nicht ergeben. Zurzeit habe ich mit Snakepit viel zu tun, und wenn es mir damals Spaß gemacht hätte, wäre ich erst gar nicht ausgestiegen. Wahrscheinlich müssten wir erst einmal zwei oder drei Monate auf eine Gruppentherapie. Mit einem Rechtsanwalt-Psychologen. Ich war mal bei so einem Treffen. Ein langer Tisch, Manager, Rechtsanwalt, Bandmitglied, Manager, Rechtsanwalt, Bandmitglied und so weiter. Alle sitzen rum und unterhalten sich über irgendwelche Scheiße.

Ist es nicht schade, dass diese ganze Geld-und-Erfolg-Sache so zerstörend wirken kann?

Na ja, am Anfang versuchst du, dich an irgendwas festzuhalten, mit dem Ziel, erfolgreich zu sein. Wenn du es schaffst, kommen Geld und Massen von Leuten. Du willst eigentlich nur Musik machen, aber du musst dich um so viel kümmern. Plötzlich spielst du vor 20.000 Leuten, hinter dir arbeitet eine Crew mit achtzehn Personen, da sind Promoter, Manager und so weiter. Du spielst das gleiche, aber es besteht die große Gefahr, den Kontakt zur Realität zu verlieren. Hip und groß zu sein ist cool, aber man muss damit umgehen können.

Eine klassische Einstellungsgesprächsfrage: Wo siehst du dich in zehn Jahren?

Das hättest du mich vor zehn Jahren fragen sollen. Wahrscheinlich sitze ich wieder an diesem Tisch...

Ist das Hoffnung oder Grauen?

Ne, es hat nichts mit Angst zu tun. Das einzige Mal, dass ich Angst hatte, oder besser, dass ich skeptisch war, war mit achtzehn. Ich dachte, ich würde es nie bis 21 schaffen. Nachdem ich 21 wurde war alles cool.

Na ja, da warst du ja auch berühmt und reich...

Ne, das war’s nicht. Der Reichtum ist etwas an der Oberfläche, jeder weiß davon, weil du Platten verkaufst. Es ist aber die innere Scheiße, die einem zu schaffen macht. Jimi Hendrix hat es am Besten ausgedrückt: Manchmal ist es stressiger Geld zu machen als damals, als man keines hatte. Finanziell hatte ich gute und schlechte Zeiten, aber es war niemals eine zentrale Angelegenheit.

Dafür gibt es ja auch Manager...

Ja, Manager, Plattenfirmen, die ganze Scheiße. Alles Arschlöcher.

Wie geht es deinen Schlangen?

Gut. Ein Freund von mir pflegt sie gerade. Wir haben etwa vierzig erwachsene Exemplare, aber das ändert sich ständig, je nach dem, wer gerade geworfen hat.

Lässt du sie frei im Haus rumlaufen?

Na ja, als ich das das letzte Mal getan habe,musste ich anschließend am Finger genäht werden. Ich bin ein Gitarrist, für mich sind die Hände das allerwichtigste, also pass ich da lieber auf...

Das Interview führte Giuliano Benassi.

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