9. Oktober 2003
"Ich kam als Erzengel Gabriel"
Interview geführt von Vicky ButscherAm Nachmittag hatten die Sechs einen recht lustlosen Gig gespielt, bei dem die Energie und die typische Weirdheit der Band fehlte. Der Funke sprang nicht recht aufs Publikum über. Noch schwieriger gestaltete sich dann die Suche nach einem Interviewpartner. Zwei Promoter waren da. Aber kein Bandmitglied. Nach einer Weile kamen Bassist Didz und Sänger Ben. Die wurden erst mal zu einem anderen Interview verpflichtet.
Immerhin sind das ja sechs Jungs, da kann man schon mal was parallel laufen lassen. Aber Pustekuchen. Anscheinend wollten TCTC mit ihrem Promoter verstecken spielen, oder so. Nicht mal beim Alkohol-For-Free-Stand waren sie aufzufinden. Wo sie sich wohl versteckt hielten? Bis heute ungeklärt, dafür bekam ich nach einiger Wartezeit Didz zugeteilt. Ein wenig kindisch sei er, wurde mir vorher erklärt. Na toll dachte ich. War's dann auch. Wirklich. Von prä-pubertärem Verhalten keine Spur.
Zunächst wollte ich wissen, warum die Band "Promises Promises" als erste Single des nächsten Albums gewählt hat. Sie ist ja doch relativ hart im Gegensatz zum Rest der Stücke. Didz erklärt mir, dass mit diesem Song ein Link zwischen den beiden Alben hergestellt werden sollte. Im allgemeinen habe das Publikum bisher auch gut auf die neue Single, aber auch auf die anderen live gespielten neuen Stücke reagiert.
Die Tracks, die ich vorab vom neuen Album hören konnte, sind von den Texten her sehr viel persönlicher als die vom Debüt. Wo liegt denn der markanteste Unterschied zwischen den beiden Alben? Das erste Album war eher zornig und frustriert, erklärt Didz. Die Band habe sich mit Hilfe der Musik über herrschende soziale Missstände aufgeregt. Auf dem neuen Album gehe es mehr um persönlichere Empfindungen, es sei introvertierter. Man finde ruhigere Musik und Texte auf "Kick Up The Fire, And Let The Flames Break Loose."
Auch das Cover ist nicht mehr so provozierend, wie das letzte. Auf dem neuen ist ein helles Licht auf dunklem Hintergrund zu sehen. Es gehe nicht mehr so provozierend zu, die Bedeutung sei eher unterschwellig erkennbar, so der Bassist, Licht ziehe Fliegen an, obwohl es sie ins Verderben stürzt – "das ist genau so wie bei uns, na ja, zumindest bei mir, mich ziehen auch die Sachen an, die mich dann ins Verderben ziehen."
Schon zum ersten Album hatte die Band ihr eigenes Label gegründet. Das gebe ihnen die Freiheit das zu tun, was sie wollen, sich nichts von jemandem vorschreiben zu lassen.
Wenn ich euch auf der Bühne sehe, überlege ich manchmal, ob das nur ein Image ist, das ihr da zeigt. Als ich euch das erste Mal live sah, dachte ich: das ist eine der verrücktesten Bands, die ich je gesehen habe. Seid das wirklich ihr auf der Bühne, oder verstellt ihr euch?
Didz: Na, das ist einfach, wie wir spielen. Nichts ist gestellt. Es ist nicht wie bei den Hives oder The Darkness, wo alles total durchchoreografiert scheint, als ob es ein Theaterstück oder Pantomime wäre. Wir machen nichts zu bewusst. Es scheint nur ... wie wir reagieren, wenn wir diese Musik spielen und sehen, wie die Leute auf diese Musik reagieren. Wir reagieren auf die Leute, während sie auf uns reagieren. So sind wir, und so waren wir schon immer. Wir hatten immer dieses "not really caring"-Element. Wir stehen halt nicht so gerne still. Wir fühlen, dass das, was wir machen, zu diesem Zeitpunkt das Richtige ist. Ich denke, viele Leute bleiben wegen des Images hängen. Das ist komisch, weil wir alle ziemlich ähnlich aussehen. Das ist keine Absicht, sondern ein Zufall. Ich denke, wenn wir das ändern würden, wäre es eine bewusste Entscheidung, und das würde viel gekünstelter sein, von unserem Weg abzuweichen. So wären wir nicht mehr, was wir sind.
Ihr hattet auch diesen "Dress Up-Day", als ihr im Studio wart ...
Jaaaa, jeden Donnerstag. Ich habe viele von ihnen verpasst, weil ich im Krankenhaus war (wg. einer Blinddarm-OP mit Komplikationen, Anm. d. Red.). Obwohl man sich im Studio fast wie zu Hause fühlt, wird man ein wenig klaustrophobisch. Man ist ungefähr fünf Monate mit den selben Leuten in diesem Raum. Da gibt es keine Fenster, du isst Scheiße und kriegst nicht wirklich frische Luft, du recycelst Zigarettenrauch. Um der Langeweile zu entgehen, hatte Ben diese verrückte Idee, einen "Dress Up-Day" einzuführen. Das erste war "Drag". Wir kamen alle als Frauen. Ein anderer lief unter dem Motto "Tiere". Fisher war wirklich gut darin. Das reicht in seine Theatertage zurück. Er hat oft gewonnen.
Also hattet ihr einen Wettbewerb?
Ja. Ich habe einige gewonnen. Wir hatten "Polizisten und Diebe" und ich war der beste Einbrecher. Wir hatten auch "Bibelcharakter". Ich kam als Erzengel Gabriel. Das war eine gute Verkleidung, die war magic! Ich hatte ein weißes Bettuch und einen weißen Gardinenstoff als Flügel. Und dann habe ich mir eine CD am Kopf befestigt. Das war's. Ich glaube, ich war sogar barfuß. Ich hatte keine Harfe oder so. Oh Shit, ich hätte eine Harfe haben sollen. Das hätte dann noch besser ausgesehen.
Ne goldene!
Tom kam als Jesus. Er hat einen lustigen Trick vorgeführt, bei dem er Wasser in Wein verwandelte.
Ihr hattet auch ein DJ-Set mit jemandem von Kraftwerk!
Ja, das war letzte Woche. Die Veranstalter denken halt, die Leute wollen sehen, was die Bands in ihrer Plattenkiste haben. Wir sind da also mit einem bisschen Elektro, ein wenig Indie, etwas Sixties-Zeug und ein wenig Hip Hop angekommen. Da sagte uns der Veranstalter: Ihr wisst, dass das vor allem ein Elektro-Set werden soll? Wir spielten also viel Warp, aber auch Serge Gainsbourg, so Zeug halt. Das war strange, aber es schien, als ob es OK wäre. Ich habe auch Madonna und Ladytron gespielt. Irgendwann sind wir bei den Sixties angelangt und da haben sie uns abgeschaltet. Und plötzlich kam ... wie heißt er ...
Karl Bartos
Ja, Karl Bartos kam, und er war wirklich gut. Es war fantastisch. Ich dachte, da kommt so ein Opa, der Müll spielt. Aber ich denke, das ist immer noch sehr angebrachte Musik. Das sagt sehr viel über den Einfluss von Kraftwerk, dass er zurück kommen kann mit einem Projekt, das immer noch die selben Sachen macht, wie vor 30 Jahren, und immer noch frisch und fett klingt. Wir waren sehr beeindruckt von Mr. Bartos.
Vielen Dank!
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