26. Mai 2021
"Ich bin die ukrainische Lizzo - okay!"
Interview geführt von Dani FrommNicht nur Wu-Tang is for the children. Auch bei der "ukrainischen Lizzo" dreht sich alles um die Kinder. Außerdem erklärt die Rapperin den Unterschied zwischen "Hype" und "Galas" und spricht darüber, wie der schnelle Erfolg sie und ihre Musik verändert hat.
Kurz nach Erscheinen ihres zweiten Albums "Galas" lädt Alyona Alyona zum Videochat. Ich erreiche sie in ihrer Wohnung in Kiew. Trotz mieser Nachrichtenlage - ständig steigende Corona-Zahlen, russische Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze - zeigt sich die Rapperin strahlendster Laune. Der Zusatz "(lacht)" müsste eigentlich jede ihrer Antworten begleiten. Der besseren Lesbarkeit wegen weist der Text ihr Gelächter nur an den besonders heiteren Stellen aus. Alyonas sonnige Stimmung steckt an.
Hallo, Alyona. Schön dich zu sehen. Das gibt mir die sehr späte Gelegenheit, mich für deine beiden Wahnsinnsshows zu bedanken, die ich vor eineinhalb Jahren beim Reeperbahn Festival sehen durfte. Ihr habt echt alles abgerissen.
Aaaawww. Danke dir! Ich habe schon ganz vergessen, wie das ist. Eine so lange Zeit ohne Konzerte. Ich vermiss' es so!
Für dich als Künstlerin muss es ein riesiger Unterschied sein, eben nicht mehr dauernd auf Tour zu sein.
Ja. Allem voran ist es schwierig. Mein ganzes Leben bestand daraus, zu singen, in verschiedenen Ländern aufzutreten, mit meinem Tour-Tross unterwegs zu sein. Das hab' ich jetzt alles nicht mehr, ich kann noch nicht einmal in der Ukraine spielen. Und dann ist es auch deswegen schwierig, weil sich mein ganzes Leben jetzt in meinen sozialen Netzwerken abspielt. Vorher hat da mein Team ab und zu bisschen Content gepostet. Jetzt mach' ich das alles selber, zweimal ... ach! Dreißigmal, viele Male am Tag. Es ist wirklich alles anders als vorher. What the fuck?! Was geht hier vor? Ich möchte mit Menschen sprechen - und ich mag das! (Lacht)
Konzerte vermiss' ich auch, aber mir fehlen allein schon Leute an meinem Esstisch. Statt dessen sitzt du einsam zu Hause ...
Ich weiß, dass es bei euch einen Lockdown gibt und die Regeln bei euch noch viel strenger sind als hier bei uns. Du darfst nur einen Gast einladen, auch nur von fünf Uhr morgens bis neun Uhr abends. Du darfst raus, zu deiner Familie, so lange es nicht mehr als fünf Personen sind, Kinder nicht mitgezählt. Ich hab' darüber in der Zeitung gelesen. Das ist alles wirklich viel härter als in der Ukraine. Hier sehen sie das alles nicht so eng.
Vor der Seuche warst du quasi ununterbrochen auf Tour. Einige Souvenirs, die du unterwegs gesammelt hast, zeigst du auf deinem Album "Galas".
Ja, diese Souvenirs sind in erster Linie Menschen. Die habe ich entweder auf irgendeinem Festival getroffen oder sie dort auftreten sehen, oder ich habe bei irgendwelchen Music Conferences von ihnen gehört. Das sind meine Reiseandenken. (Lacht) Aus Bali haben wir außerdem Musik und Sounds mitgebracht, die man auf dem Album wiederfinden kann. Normalerweise erkennen das die Leute aber nicht. Weil das ist dann zum Beispiel das Geräusch, wie eine Kokosnuss aufgebrochen wird, oder Vogelgezwitscher, oder Wind und Wellen, der Ozean ... Niemand hört das. Aber wir wissen, dass es da ist. Diese Sounds stecken in meinem Album.
Also Easter Eggs exklusiv für die Leute, die wissen, wo sie versteckt sind?
Ja! (Lacht) Das ist die Challenge: Finde Sounds aus Bali auf meinem Album!
Okay, Herausforderung angenommen. Beim nächsten Durchlauf such' ich die Kokosnuss. Die Menschen, die du unterwegs getroffen hast, sind dagegen sehr viel einfacher zu finden.
Ja, elf von fünfzehn Tracks haben Featuregäste. Vielleicht zwei aus der Ukraine, der Rest stammt aus anderen Ländern. Gerade haben wir noch eine Single veröffentlicht, mit dem polnischen Rapper Żabson.
Arbeitest du nicht gerne alleine? Bist du ein guter Teamplayer?
Ja! Auf meinem vorherigen Album hatte ich keine Features. Diesmal habe ich beschlossen, dass ich etwas mit diesen Leuten zusammen machen möchte. Ich wollte kollaborieren, wir mussten das einfach tun. Es sollte ein Kollabo-Album werden. Als ich aber die Tracks dafür geschrieben habe, sind versehentlich auch Solo-Songs entstanden. Ich habe dann beschlossen, dass ich die auch mit draufnehmen möchte. Also hat das Album jetzt nicht, wie geplant, elf Tracks, sondern 15 oder 16.
Ist es im Rap, wo der Fokus sehr stark auf dem Text liegt, nicht besonders schwierig, zusammenzuarbeiten, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht?
Nein, überhaupt nicht. Zuallererst einmal sprechen wir alle Rap, das ist unsere Sprache. Wir sprechen dieselbe musikalische Sprache. Wir verstehen, was wir sagen wollen, daran, wie wir flowen. Das ist okay. Und dann kommt noch dazu, dass die meisten dieser Leute eine ähnliche Geschichte haben wie ich. Sie sind Freshmen, in ihren Heimatländern. Sie machen freshe Musik. Sie sind vor nicht allzu langer Zeit erst bekannt geworden. Wir sind alle irgendwie gleich. Deswegen ist es uns wirklich leicht gefallen, einander zu verstehen. Und die Hauptsache: Ich mag ihre Musik, und sie mögen meine. Also war alles cool.
Hast du dir ihre Parts trotzdem übersetzen lassen - und ihnen deine übersetzt?
Ja. Manchen hab' ich mein Demo geschickt, mit den Texten, übersetzt ins Englische. Manchen - zum Beispiel Yoss Bones für "Pappi Pappi" - hab' ich aber auch nur den Beat geschickt. Ich mag den lateinamerikanischen Vibe und wollte einfach, dass sie zuerst etwas schreibt. Sie hat mir Verse und Chorus geschickt, übersetzt auf Englisch, dann wusste ich, worum es in dem Song geht. Das ist mir sofort nahe gegangen, weil ich auch Tochter meines Vaters bin, ein Papa-Kind. Also hab' ich meinen Verse geschrieben, so dass er zu ihrem passt.
Der Song zum Vatertag.
Ja! Er handelt davon: Wenn der Papa schlafen geht, gehen die Mädels auf die Piste.
Ich find' interessant, dass die Sprachbarriere bei deiner Musik überhaupt keine Rolle zu spielen scheint. Ich geh' einfach mal davon aus, dass der Großteil deines Publikums außerhalb der Ukraine keinen Schimmer hat, wovon du sprichst. Ich ja auch nicht, bedauerlicherweise ...
Das ist okay. Als ich die Verses der anderen zum ersten Mal gehört habe, hab' ich auch kein Wort verstanden. Deswegen brauch' ich ja Text auf Englisch. In der Ukraine ist das okay. Warum? Weil wir so viel ausländische Musik hören. Viel, viel ausländische Musik in vielen verschiedenen Sprachen. In der Ukraine ist das so. Im Verlauf unserer Geschichte waren wir Teil von Österreich, von Polen, der Türkei, von Russland ... wir haben also russische Einflüsse, polnische Einflüsse, bulgarische Einflüsse, rumänische Einflüsse ... Es ist okay, viele verschiedene Sprachen, das ist in der Ukraine der absolute Normalfall. Die Leute achten in erster Linie auf den Vibe, auf den Flow, auf die Musik, und dann erst suchen sie nach einer Übersetzung der Texte.
Es steckt aber ja sehr viel Bedeutung in deinen Lyrics. In deinen Songs geht es um Ökologie, um Hoffnungen und Ängste der Menschen, du hast Songs über Bodypositivity, Schönheitsideale, feministische Botschaften. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das aus einer Verantwortung heraus passiert. Willst du deinem Publikum etwas beibringen?
Ja, klar! Du weißt ja wahrscheinlich, dass ich, bevor ich bekannt geworden bin, Vorschullehrerin war. Jetzt bin ich halt Vorschullehrerin in der Musik. (Lacht) Ich weiß auch nicht, warum. Ich kann nicht erklären, warum ich so bin. Ich mag es einfach, Menschen zu unterrichten. Ich mag es, Botschaften in meine Texte zu packen. Nicht immer allerdings. "Pappi Pappi" zum Beispiel, das hat gar keine Message. Das erzählt einfach davon, dass mein Vater ins Bett geht, und ich geh' aus. (Lacht) Andere meiner Songs handeln auch nur von Gefühlen, da unterrichte ich auch nichts, da sag' ich bloß, dass ich Gefühle für meinen Freund habe und dass ich glücklich bin. Aber manche Tracks transportieren wirklich große Botschaften.
Rap war früher einmal Protestmusik. Heute ist es zwar immer noch Protestmusik, aber nicht mehr nur. Aber du kannst größere Themen in Rap packen, also mach' ich das. Ein paar bodypositive Messages, zum Beispiel. Oder ich hab' auch Songs über Auswanderer, die die Ukraine verlassen haben, um in anderen Ländern Geld oder Glück zu suchen. Auf meiner Tour durch Europa habe ich solche Leute getroffen, ich bin also nah an diesem Thema dran. Sie vermissen die Ukraine, wollen eigentlich dorthin zurück, aber dort wartet keiner mehr auf sie. Aber auch, wenn sie da keine Verwandten oder Nachbarn mehr haben, mögen sie die Ukraine, müssen aber trotzdem in anderen Ländern leben. Diese soziale Botschaft liegt mir sehr am Herzen, und Leuten gefallen diese Songs. Manche Songs sind nur Lyrik, manche nur Vibe zum Tanzen, und manche sind für die großen Botschaften.
Vielleicht bist zu eher eine Predigerin als eine Lehrerin?
Oh, ich weiß nicht.
Ziemlich sicher hilft es aber im Kindergarten Musikgeschäft, eine Kindergärtnerin gewesen zu sein.
Ich denke, Kindergarten macht einfach einen riesigen Teil von mir aus. Ohne ... geht das einfach nicht, unmöglich.
"Die Menschen müssen endlich darüber nachdenken, was sie ihren Kindern und Enkeln hinterlassen!"
Du bist vom Dorf in die Hauptstadt gezogen, um Musik zu machen.
Ja, das war 2019. Vor zwei Jahren.
Hast du je drüber nachgedacht, die Ukraine zu verlassen?
Ich habe innerhalb eines Jahres mehr als 18 Länder gesehen. In der Ukraine fragen mich die Leute oft: 'In welchem Land willst du in der Zukunft leben?' Ich kann das nicht beantworten. Ich liebe die ukrainische Mentalität, ich liebe die Menschen, ich liebe die Sprache. Ich weiß nicht. Ich habe die Insel Bali gesehen, mit Traumstränden unter Palmen. Aber so hundertprozentig meins ist das doch nicht, höchstens zur Hälfte. Ich habe Island gesehen, mit seinen Bergen und seinen wunderschönen Aussichten, aber leben möchte ich da auch nicht.
Aber auch wenn ich nicht will, werde ich die Ukraine irgendwann vielleicht verlassen müssen. Aus politischen Gründen, wenn es Krieg gibt oder so. Dann werde ich vielleicht in Deutschland leben, weil das von der Mentalität her ein bisschen ähnlich ist. Es ist ein Land der Künstler*innen, der Sänger*innen. Vielleicht schreib' ich mein drittes Album ja in Berlin. Dort könnte ich tagsüber Musik machen und abends zu Konzerten gehen. Und Kollabos wären dort auch einfacher, beispielsweise mit irgendwelchen Straßenkünstlern. Für mich ist das interessant, weil in der Ukraine kenn' ich einfach jeden. (Lacht) Ich hab' sie alle gehört, viele Male, das ist einfach nicht mehr so spannend für mich. Ich will frischen Wind in der Musik. Also: Ja, vielleicht Deutschland. Aber sicher bin ich mir da nicht.
Du hast schon erzählt, dass du an deinem dritten Album arbeitest. Angeblich soll das etwas leichter werden, deine lustigere Seite mehr herausstellen.
Ja. Ich habe vor, dieses Jahr noch zwei Alben zu schreiben. An einem arbeite ich bereits, darauf will ich mich nur auf Lyrik konzentrieren, auf Songs mit ukrainischer Lyrik, weil das meine Seele ist, und ich darüber sprechen will. Auf dem Album davor ging es sehr wenig um Lyrik, aber tief in meiner Seele bin ich Lyrikerin. Das zweite Album habe ich für den Herbst geplant. Ich habe eigentlich vor, das in Deutschland aufzunehmen, aber wir werden abwarten müssen, wie die Corona-Lage dann aussieht.
Auf diesem Album ... weißt du, ich bin einfach immer noch Lehrerin, auch in meiner Musik. Also möchte ich zunächst einmal etwas vermitteln. Ich möchte Frau sein, kraftvoll, sexy, eine Bitch. Und dann mag ich es einfach, Spaß zu haben und zu lachen. Ich glaube, das wird dann eher ein Konzert-Album, etwas das live abreißt. Vielleicht werden da dann auch Message-Tracks drauf sein, aber nicht so viele. Meine aktuellen Tracks sind wie dicke Bücher. Wenn man zuhört, was da drinsteckt ... ich erzähle von Ökologie, von Bodypositivity, wende mich gegen Gewalt gegen Frauen, es geht um Familien. Wenn Kinder meinen Rap hören, ist er für sie sehr schwer zu verstehen. Ich will aber auch Botschaften an die Kinder bringen. (Lacht) Es wird also lustig werden, und es wird einfach rocken.
Ich seh' schon: einmal Kindergärtnerin, immer Kindergärtnerin. Das ist ja wirklich keine schlechte Sache.
Ich kann einfach nicht damit aufhören, mir Gedanken über Kinder zu machen. Kinder sind mein Leben.
Auf deinem Album gibt es einen Track, der sich mit ökologischen Fragen, Umweltverschmutzung und dem Hilfeschrei des Planeten befasst. Wie kriegst du es hin, ein so komplexes Thema auf die drei Minuten und 'n bisschen runterzubrechen, die ein Rap-Song bietet?
Als ich nach Bali gereist bin, habe ich vorher Fotos gesehen. Ich hatte nur diese wundervollen Palmenstrände im Kopf. Als ich dann aber das erste Mal wirklich am Strand war, hab' ich eine große Tasche mitgenommen - und Plastikmüll aufgesammelt. Für mich war das total erschütternd. Ich dachte mir: 'WAS?? Ich geh' ans Meer! Wo ist dieses Paradies? Warum liegt hier alles voller Plastik? What the fuck!' Also habe ich beschlossen, Songs darüber zu schreiben. In der Ukraine sieht es auch schlimm aus mit Plastikmüll, es gibt kein gutes Müllkonzept.
In der Metropole gehts noch, aber in den kleinen Städten und auf dem Land ... nicht okay. Auf den Wiesen und Feldern fliegen im Frühling überall Plastiktüten herum, weil der Winter sehr windig ist. Wunderschöne Bilder sind das, die braune Erde und weißes Plastik, hmmm! (Lacht) Es ist wirklich nicht gut. Als ich nach Bali gereist bin: Das war eine wirklich kleine Insel - und so viel Müll! Dort habe ich beschlossen, diesen Song zu schreiben. Über die Ukraine. Die Menschen überall auf der Welt müssen endlich darüber nachdenken, was sie ihren Kindern und Enkelkindern hinterlassen! Wenn ich irgendwann diesen Planeten verlasse, wenn ich sterbe, dann will ich wenigstens diesen Song hinterlassen haben.
Gerade, wenn es um deine Songs über Bodypositivity geht, wirst du gerne mit Lizzo verglichen. Wie findest du das?
Das ist okay. Ich bin die ukrainische Lizzo, das geht total klar für mich. Das ist eine Ehre für mich, kein Problem. Ich bin die ukainische Lizzo - okay! (Lacht) Das ist cool!
Aber kein*e Künstler*in will doch eine Version von irgendjemand anderem sein!
Ja! Aber weißt du, wenn die Leute sagen würden, ich sei die ukrainische Britney Spears, dann wäre ich nicht so glücklich damit. (Lacht) Ich bin nicht Britney Spears oder Madonna. Das sind gute Sängerinnen. Ich aber nicht. Als die Leute angefangen haben, Parallelen zwischen mir und Lizzo zu ziehen, war das aber okay für mich. Weil ich coole Messages habe, und sie hat coole Messages. Wir sind schon verschieden, aber wenn die Leute nach der ukrainischen Lizzo suchen und dann mich finden, Alyona Alyona, werden sie das schon merken. 'Huch, die ist ja ganz anders. Interessant! Was hat die denn sonst so zu bieten?' Dann hören sie meine Songs und verstehen, dass ich einen anderen Vibe habe. Es ist also okay, für mich ist das eine gute Verbindung.
Ich liebe Lizzo wirklich, aber du bist die um Welten bessere Rapperin.
Oh, dankeschön! Dafür ist sie aber die bessere Sängerin. Aber ... ja, da stimme ich zu.
Der letzte Track auf deinem Album hat aber gezeigt, dass durchaus auch eine Sängerin in dir steckt.
Ja, ich singe auch ... aber weißt du: Lizzo ist eine schwarze Frau, sie hat ganz andere körperliche Voraussetzungen, eine andere Atemtechnik. Ich bin eine Weiße, ich kann da echt nicht mithalten. Ich kann das auf meine Weise tun, das mag dann auch ganz gut sein - aber sie ist viel, viel besser. Für mich ist das aber okay, ich seh' mich da gar nicht in irgendeiner Konkurrenzsituation. Wir sind einfach verschieden, und das ist in Ordnung.
"Ich habe nicht geplant, berühmt zu werden"
Gibt es ausländische Künstler*innen, die dich beeinflusst haben oder die du als eine Art Idol betrachtest?
Öh ... (überlegt) Eminem. Princess Nokia hab' ich früher auch wirklich gemocht. Sie hat mich tatsächlich stark beeinflusst, ein großes Vorbild. Inzwischen hat sie ihren Körper in Form gebracht ... sie ist immer noch gut. Es ist ja auch ihr Leben, sie kann mit ihrem Körper machen, was sie will. Sie hat nur eben aufgehört, ein Einfluss für mich zu sein. Ich höre ihre Musik immer noch, sie beeinflusst mich aber nicht mehr groß. Vorbilder, heute: nur Lizzo und Eminem.
Das ist 'ne gute Kombination. Man sieht ja, wo das hingeführt hat. Ich fragte vorhin schon, ob du darüber nachdenkst, irgendwann die Ukraine zu verlassen. Wie sieht die politische Lage im Moment bei euch aus? Die russischen Truppenbewegungen an der Grenze - beeinflusst euch das in eurem Alltag?
Ja. Wir sind nicht glücklich. Die Situation war vorher schon nur so mittel. Sieben Jahre lang Krieg, kein Krieg oder irgendwas dazwischen. Es ist nicht gut. Zu allererst ist auch immer noch Corona-Zeit, das ist ja auch schon nicht gut. Leute sind krank, das bedeutet ja auch: Wir haben weniger Soldaten als vorher. Ach, ich weiß auch nicht. Vielleicht zielt dieses ganze Gebaren von Russland auch nur darauf ab, uns einzuschüchtern, und dann passiert gar nichts. Ich weiß es nicht. Wir werden einfach abwarten müssen, was die Zukunft bringt. In Kiew ist im Moment noch alles okay. Aber natürlich verfolgen wir alle die Nachrichten. Und warten.
Ich wünsch' euch das beste. Noch einmal zu etwas erfreulicherem: Der Titel deines Albums, "Galas", bedeutet "Hype"?
Ja. Hype bedeutet in vielen Ländern aber, dass du zum Beispiel deinen Körper veränderst, angesagte Leute triffst oder irgendeiner Mode hinterherrennst. In der Ukraine sagen wir aber "Galas", das heißt "Hype", ja, beinhaltet aber immer auch eine kleine Provokation. Wenn Leute mit dir sprechen, weil du etwas Provokantes tust - in ökologischer, politischer, sozialer Hinsicht. In der Ukraine sind die Menschen immer - IMMER! - geteilter Meinung. Manche Leute sagen: okay. Andere sagen: nein! Wir sind traditionell, wir wollen nichts Neues. Beispiel: Europa. Die einen sagen: Europa? Wollen wir nicht. Die anderen: Yeah! Wir wollen nach Europa, lass' uns das machen! Das ist "Galas". Deswegen habe ich auch so viele Features auf den Tracks. Sie machen alle ein bisschen "Galas" in der Ukraine.
In meiner Wahrnehmung spielt bei "Hype" auch sehr schneller Erfolg eine Rolle. Du kommst aus dem Nichts und schießt an die Spitze. So war es bei dir ja auch. Du bist sehr schnell sehr erfolgreich geworden.
Ja, aber weißt du, was der Unterschied ist? Ich habe nicht geplant, berühmt zu werden. Ich hab' das alles nicht deswegen gemacht, weil ich berühmt werden wollte. Ich habe das alles nur gemacht, weil ich den Leuten meine Message zeigen will. Das ist alles. Hype ist, wenn du es nur des Hypes wegen tust. Du willst diesen Hype. Du willst, dass Leute über dich reden. Ich will das alles nicht, deswegen mache ich "Galas". (Lacht) Genau das ist der Unterschied.
Die Erklärung ist gut. Jetzt bist du aber berühmt, und das nicht nur in der Ukraine, sondern quer durch Europa. Erst kürzlich hast du einen Preis von der Europäischen Union gewonnen ...
(Unterbricht) Oh, ich will so gerne nach Paris fliegen und dort Leute treffen. Aber es ist ein ewiges Hin und Her, wegen Corona, weil wir nicht wissen, was geht und was nicht. Die Ukraine ist Risikogebiet, es ist wirklich hart. Ich will echt dringend hin. (Lacht) Das wäre mein Geschenk. Ich hab' gewonnen, es gehört mir.
Ob du es geplant hattest oder nicht: Jetzt bist du jedenfalls berühmt. Hat dich das verändert?
Ja. Ich ... (sucht nach den richtigen englischen Vokabeln) Ich muss jetzt wirklich darüber nachdenken, was ich sage, was ich tue, was ich anziehe, weil mich alle Leute immerzu beobachten und ich vielleicht für manche Menschen ein Vorbild bin. Ich muss darüber nachdenken. Das hat der Ruhm mir gebracht. Es ist wie, wenn du Kinder hast. Du musst aufpassen, was du ihnen vorlebst, du bist ein Vorbild.
Hat dieses Wissen darum, ständig unter Beobachtung zu stehen, dann auch Auswirkungen auf deine Musik?
Nein. Wobei ... vielleicht. Vorher habe ich Rap geschrieben wie kleine Gedichte. Jetzt ist mein Rap wie ein dickes Buch - und eigentlich möchte ich wieder zurück zu den kleinen Gedichten. Um anders zu sein. Um nicht nur Lehrerin zu sein. Um meinen Rap Kindern zeigen zu können, und sie verstehen, worum es geht. Ja, der Scheiß hat mich verändert, die Lehrerin in meinem Kopf. (Lacht)
Ich bin gespannt, wo dich das hinführt. Hoffentlich bald wieder auf eine Bühne.
Ich HOFFE es so! Wir sehen uns dann da. Noch dieses Jahr!
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