Details

Mit:
Datum: 19. Februar 2005
Location: Bütezettel
Reichenau
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Grandioses Wohnzimmerkonzert auf der Gemüseinsel Reichenau.

Review von Vicky Butscher

So nah und doch so distanziert - auf diese Weise könnte man das Konzert von Anajo im schnuckeligen Bütezettel auf der Insel Reichenau beschreiben. Die Nähe musste schon aufgrund der Location entstehen. Der Bütezettel, in dem neben Konzerten von Indie-Perlen auch Dart-Turniere und Quiz-Abende stattfinden, wirkt von seinen Räumlichkeiten her wie eine sehr coole Dorfkneipe. In der Mitte des Ladens breitet sich unübersehbar die Bar aus. Drum herum ist der Platz knapp, so viele sind gekommen, um Anajo zu sehen (oder eben nur zu hören, falls die Bar im Weg steht!).

Den Abend eröffnen Starter, eine deutlich von der Hamburger Schule beeinflusste Band. Nun ja, ein netter Start eben, der jedem im Publikum Mut zuspricht, doch nochmal seine alte Gitarre in die Hand zu nehmen. Vielleicht entstehen diese Gedanken aber auch deshalb, weil Anajo auf der Bühne so glänzen. Denkt der Unwissende beim Anblick von Oliver Gottwalds Tocotronic-Frisur noch: "Mal wieder eine Band, deren Vorbilder man am Haarschnitt erkennt", wird ihm beim Anblick der Nackenmatte des Bassisten Michael Schmidt speiübel. Wissende hingegen bleiben entspannt.

Zu Recht. Denn so grandios, wie man Anajo von Platte her kennt, zeigen sie sich auch auf der Bühne. Sie steigen sofort auf das Publikum ein, machen nette und durchweg unpeinliche Ansagen. Das wichtigste jedoch: Sie rocken. Wenn die ersten Reihen pogen, gerät der Bütezettel in seiner Wohnzimmer-Atmosphäre ins Wanken. Sogar eine Diverin wagt gegen Ende des Konzerts einen Ritt auf den Händen des Publikums. Dabei wirken Anajo auf der Bühne im positiven Sinne sehr routiniert. Sie spielen ihre Songs in wahnsinnig hoher Qualität, zu der auch der erstaunlich gute Sound beiträgt. Dabei konzentrieren sie sich jedoch keine Sekunde steif aufs Spielen, sondern machen klar, dass sie Spaß haben.

Immer wieder zeigen sie sich erstaunt darüber, wie das Publikum auf einer solch kleinen Gemüseinsel rockt ("Wir dachten zuerst, wir spielen auf der Blumeninsel, aber das ist ja die Mainau"). Anajo gehen ab, reißen das Publikum mit und lassen sich von ihren Fans wieder anstecken. Nicht nur beim "Ein Fall für Zwei"-Hit "Ich Hol Dich Hier Raus". Der Applaus reicht für zwei Zugaben. Du fragst dich jetzt, wie an solch einem Abend so etwas wie Distanz entstehen konnte? Nun ja, Anajo waren einfach so gut auf der Bühne, dass man zu ihnen aufschauen musste. Auch wenn dieses Gefühl nicht lange anhielt: Den Merch-Verkauf erledigen die drei Sympathen nämlich immer noch selbst.

Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Anajo

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