laut.de-Biographie
Anajo
Der bessere deutsche Gitarrenpop kam lange Zeit aus Bayern. Nicht mehr Hamburg sondern Ingolstadt und Würzburg heißen in den Nullerjahren die neuen Pop-Epizentren. Weilheim sowieso. Und nicht zuletzt: Augsburg. Dort sind auch Oliver Gottwald (Gesang, Gitarre), Michael Schmidt (Bass, Keyboard) und Ingolf Nössner (Drums, Programming) zu Hause.
Olli und Michi spielen Ende der 90er in streng verfeindeten und, eigenen Angaben zufolge, "ganz furchtbaren" Bands. Doch die Schulkumpels raufen sich irgendwann zusammen, finden Trommler Ingolf über eine Anzeige im lokalen Stadtmagazin, und Anajo sind geboren. Der Name hat, dem Vernehmen nach, mit Ollis defektem Fernsehgerät und einem uns allen bekannten cineastischen Highlight namens "Banana Joe" zu tun.
Die Jungs nehmen verschiedene Demo-CDs auf und verkaufen sie auf Konzerten und über ihre Webseite. Im Herbst 2000 werden sie Augsburger "Band des Jahres", 2002 gewinnen sie einen MTV-Newcomerwettbewerb und dürfen auf dem spanischen FIB-Festival auftreten. Anfang 2003 werden Anjajo in den Bandpool der Rockstiftung Baden-Württemberg aufgenommen. Sie spielen auf einem Branchen-Event in Stuttgart vor der generell desinteressierten, gelangweilten Medien-Meute und es gelingt ihnen tatsächlich, das rumlungernde Publikum mit eingängig-klugen Songs wie "Monika Tanzband" und "Honigmelone" nach und nach vor die Bühne zu ziehen.
Anajo sind eine fantastische Live-Band, und in goldeneren Zeiten wären sie vom Fleck weg gesignt worden. Doch die Musikindustrie zelebriert ihre Krise, gesignt wird schon lange nicht mehr. Vielleicht ist das sogar besser so. Die Band geht ihren eigenen Weg weiter und veröffentlicht, wieder in Eigenregie, die EP "Vorhang Auf". Erneut finden sich mindestens zwei Hits auf der CD: "Lang lebe die Weile" und "Ich hol dich hier raus".
Letzterer, eine Hommage an Privat-Ermittler Matula, angereichert mit Doldingers "Ein Fall für Zwei"-Titelmelodie und quasi die poppige Antithese zu Superpunk, erobert - ganz ohne Plattenfirma und Promotionbudgets - die Top 5 der Hörercharts des famosen österreichischen Jugendradiosenders FM4. Warum geht so etwas eigentlich nur in Österreich? Nach und nach werden auch andere auf die findigen Melodien, die unprätentiöse Instrumentierung und nicht zuletzt die wohlgewählten Worte Anajos aufmerksam.
Das sympathische Hamburger Label Tapete Records veröffentlicht im Mai 2004 mit "Ich hol dich hier raus" die erste richtige, soll heißen: im Plattenladen erhältliche Single der drei Anajos. Im Oktober schieben sie mit dem Album "Nah bei mir" quasi eine Best-Of-Sammlung der vorangegangenen Demos nach. Die Geschichte ist mittendrin und geht doch erst los.
Tourbus rein, schlafen, Tourbus raus, auftreten: Anajo spielen sich in der Folge die Finger wund, bis sie ihre alten Songs vor lauter neuer Ideen beinahe über haben. Für Album Numero Zwo nimmt man sich daher auch die angemessene Anlaufzeit, die der beachtliche Debüterfolg ermöglichte. Das Tapete-Label ist natürlich einverstanden, zumal es zwischendurch auch anderweitige Vertragsangebote gegeben hat.
Der Termin für die Platte muss dennoch zwei mal verschoben werden. Der Grund: Nach Beendigung der Studioarbeiten und einer vom Goethe-Institut veranstalteten Russland-Tour wäre der Band die erneute Promotionmühle mit Videodrehs und Interview-Terminen einfach zu stressig geworden. Man einigt sich schließlich darauf, dass Anfang September zur Kurz-Tournee zunächst die EP "Spätsommersonne" erscheint, und das komplette neue Album im Februar 2007.
An Selbstbewusstsein mangelt es dem Trio jedenfalls nicht: "Wir werden es toppen / Wir werden zum Star", heißt es in "Hallo, Wer Kennt Hier Eigentlich Wen?", was zugleich der Titel des Albums ist. Auch in der Folge bleiben Anajo ihren langen Pausen zwischen Studioalben treu. Erst 2011 beschenkt man die Fangemeinde mit neuen Songs auf "Drei", zwischenrein schiebt man mit "Anajo und das Poporchester" noch ein Livealbum.
Doch letztlich reicht es nicht. "Drei" bringt ebenfalls nicht den lange ersehnten Erfolg und die Band löst sich auf. Michi und Ingolf verabschieden sich von der Profimusikschiene und suchen sich einen 9-to-5-Job. Sänger Oliver lässt auch erst mal alles Erlebte sacken, um neue Pläne zu schmieden. Letztlich zieht es ihn aber doch wieder zur Musik zurück. Mit neuen Bandkollegen veröffentlicht er 2015 sein Solodebüt "Zurück als Tourist".
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