16. Juni 2016
"Ich werde von kleinen Kindern beschimpft"
Interview geführt von Marvin MüllerSeit Freitag ist Chakuzas neue Platte "Noah" auf dem Markt. Im Gespräch mit dem zurückgezogenen Rapper erfahren wir, was momentan im Business verkehrt läuft, wieso Chakuza womöglich in Rap-Rente gehen wird und warum die sozialen Medien mit zunehmenden Alter nicht immer bekömmlich sind.
In der vergangenen Woche stand Einiges an im Leben von Chakuza. "Noah" erschien, die ersten Festival-Gigs inklusive Band stehen bevor und die aufreibende Promo-Phase nähert sich ihrem Ende. Ziemlich aufregende Zeiten für einen Rapper, der vor zwei Jahren aus der Hektik der Großstadt floh, um in ländlicher Ruhe sein Heil zu finden. An einem verregneten Montag Mittag spricht der Österreicher über das neue Release, von dem der Interviewer zu diesem Zeitpunkt erst drei Tracks kannte, die Veränderungen im Rap-Business und die Pläne des Rappers für die Zukunft.
Am Freitag stand das Release inklusive Party an, Samstag bist du auf dem Nova Rock aufgetreten. Wo erwische ich dich jetzt gerade?
Chakuza: Ich bin jetzt gerade zu Hause und versuche, eine Serie zu finden die ich noch nicht geguckt habe bei Netflix. Das ist meine Hauptaufgabe heute, die letzte Woche war sehr anstrengend deswegen steht heute nur chillen auf dem Programm. Allerdings stehen nächste Woche schon wieder Festivals an und ich bin immer noch in der Promo-Phase, habe also nur eine kurze Pause zwischendurch.
Dann sei dir diese wenigstens vergönnt. Ich könnte dir die Serie "Rick & Morty" empfehlen, eine Zeichentrickserie von den Machern von "Community", habe ich gerade auf Netflix entdeckt und bin relativ begeistert.
Chakuza: Rick & Morty? Nie gehört, werde aber auf jeden Fall mal reinschauen. Ich hab letztes Mal auch voll den witzigen Zeichentrickfilm gesehen, der heißt "Hell And Back". Schon gesehen?
Nein, bei Zeichentrick bin ich immer erstmals etwas kritisch, aber werde ihn mir bei Gelegenheit zu Gemüte führen. Spaß beiseite, im März 2013 bist du mit "Magnolia" an den Start gegangen und hast nun mit "Noah" die Trilogie beendet. Bist du zufrieden mit der Entwicklung des Projekts?
Chakuza: Ja, also karrieretechnisch auf jeden Fall. Es läuft nach wie vor, aber wie man an meinen letzten Interviews sieht, nervt mich einfach dieser ganze Business-Scheiß nebenher. Es gibt halt echt voll viele Leute, die einem schaden wollen und nur auf die Kohle gucken aber so tun, als würden sie sich für die Musik interessieren. Aber das ist das einzige, was mich nervt. Mit meiner Musik bin ich sowieso zufrieden und ich denke, wir haben wieder sehr gut abgeliefert. Man sagt zwar immer, dass das neue Album auch das beste ist, aber ich glaube diesmal haben wir echt musikalisch tief in die Trickkiste gegriffen.
Ist der Vorgänger "Exit" in der neuen Platte wiederzufinden? Inwiefern fügt sich die Platte in die gesamte Trilogie ein?
Chakuza: Ich mag das immer nicht, wenn man seine letzten Alben schlecht redet. Für mich war "Exit" damals das Beste, was ich hätte abliefern können. Aber wenn ich es jetzt höre, erkenne ich deutlich, wie viel wir experimentiert haben und nicht den Punkt getroffen haben, den wir treffen wollen. Das ist ja alles eine Phase der Übung: Wir haben die Platte sehr oft live gespielt, eine Dynamik entwickelt und haben dadurch unseren Sound gefunden, den wir jetzt auf "Noah" genau umsetzen konnten. Ich würde an dem Album nichts ändern wollen.
"Unser Ziel war es, Coldplay mit Rap zu verbinden"
Die Arrangements lassen auf einen großen Produktionsaufwand schließen. "Sonnenallee" beispielsweise spielt meiner Meinung nach in der selben Liga wie Produktionen namhafter amerikanischer Bands. Coldplay meine ich herausgehört zu haben.
Chakuza: Ja man, genau das ist, wohin wir mit dem Album wollten. Man fragt sich ja immer vor einem Album, wo man soundtechnisch hin will mit der Produktion. Und genau das war unser Ziel, nämlich Coldplay mit Rap zu verbinden. Freut mich, das es geklappt hat.
Die Auskopplung "Wien" hat sich direkt bei mir im Kopf festgesetzt, gerade wegen ihrer Eingängigkeit. Du hast es geschafft, deine Melancholie in ein verständliches und simples Korsett zu pressen. War es dein Anspruch, dich mit dem neuen Album mehr Richtung Pop zu gehen?
Chakuza: Kann man so sagen. Wir hatten das Gefühl, das alles ein bisschen leichter werden muss. Eigentlich will ich ja etwas Großes vermitteln, aber wenn es zu schwer ausgedrückt wird, hört dir ja keiner zu. Deswegen haben wir tatsächlich versucht, etwas Richtung Pop zu gehen. Wir alle hören solche Musik privat auch gerne, von daher wussten wir was wir für das Album machen wollen. Hauptsache nicht zu schwer, ich bin ohnehin schon ein sehr verkopfter Typ.
Du hast in einem Interview gesagt, "Gold" wäre für dich sehr einfach gewesen zu schreiben. Was meinst du damit?
Chakuza: Dieser Song ist eine Liebeserklärung an meine Frau. Wir werden bald heiraten und ja, mein Gott, ich musste einfach ein Lied für sie schreiben. Ich hab mich dann hingesetzt und ihn innerhalb von zehn Minuten runtergerattert, das kann jeder in meinem Studio bezeugen. Ich hab den Beat gehört, geschrieben und sofort eingerappt. Wir haben das auch so gelassen, wie es war. One Take. Für mich war es einfach wichtig, das zu machen.
Es passt ja eigentlich gar nicht zu dir, als zurückgezogener Künstler deine privatesten Emotionen nach außen zu kehren. Was war das Kalkül hinter der Entscheidung diesen Song zu machen?
Chakuza: Mich freut natürlich, dass der Song so gut ankommt. Aber es ging dabei hauptsächlich um mich. Das Label und die Band haben einstimmig gesagt, das Lied wäre krass und das wir es rausbringen sollten, aber ich hätte "Gold" auch so gemacht. Es steckt keine Berechnung dahinter, ich wollte einfach meiner Frau einen Song schreiben und das er auch gehört wird.
Eine Herzensangelegenheit also ...
Chakuza: Eine reine Liebeserklärung, auf jeden Fall.
Wie kam es zu dem kämpferischen Video?
Chakuza: Wir wollten etwas Neues machen, eine Art zweiteiliges Video. Und das mit dem Kampf hat einfach gut gepasst, weil eine Beziehung ja auch immer zwangsläufig ein Kampf ist. Wir hatten eine gute Idee und haben sie umgesetzt. Für mich war es eine geile Herausforderung, Kung-Fu zu kämpfen und mit den Stöcken umzugehen. Die Choreo war überhaupt nicht einfach, aber es hat sich glaube ich gelohnt.
Also bist du selbst gar nicht der große Kampfsportler?
Chakuza: Nicht wirklich, ich bin jetzt kein Profi-Fighter. Ich mache MMA seit dem ich 15 Jahre alt bin, aber ich hatte nie etwas mit Kung-Fu zu tun gehabt. So war ich halt am Anfang voll der Körperklaus am Set, weil man bei uns einfach ganz andere Bewegungen hat. War auf jeden Fall geil und hat mich auch angezeckt.
"Ich will ja nicht wieder die Köpfe der Kids ficken"
Ein großes Motiv in der Musik war schon immer der "ewig Suchende" gewesen. Du hast deinen Frieden auf dem Land gefunden, eine Arbeit von vielen Jahren beendet und stehst auch verkaufstechnisch sehr gut da. Hast du nicht das Gefühl, langsam angekommen zu sein?
Chakuza: Das ist immer schwierig, sowas direkt nach einem Album zu sagen. Ich habe mich nicht nur körperlich, sondern auch geistig verausgabt, viel gelesen und meinen Kopf fit gehalten. Nur so schaffe ich es, überhaupt etwas zu Papier zu bringen. Also ehrlich gesagt, ich weiß es gerade nicht. Ich bin am überlegen, ob ich noch ein Album machen werde. "Blackout II" wird kommen, aber das ist ja etwas ganz anderes. Battlerap, der uns zwar Spaß macht, aber eher ein Hobby ist wie schwimmen gehen. Aber ein weiteres Solo-Album? Da muss ich erstmal mit meinem Labelboss quatschen, sie haben diese Option. Aber wenn die sie nicht ziehen, mache ich wohl keins mehr. Wenn sie aber sagen, "Okay, wir powern nochmal durch", dann bin ich auch gerne bereit dazu.
Man konnte ja zuletzt in den Interviews öfter von dir hören, "Noah" könnte deine letzte Platte sein. Was hat dich dazu bewogen? War es die Arbeit mit der Plattenfirma oder die Produktion des Albums, oder hat es ganz andere Gründe?
Chakuza: Nein, ich liebe Fourmusic, dort gibt es gar keine Probleme. Es hat eher etwas mit der Entwicklung der Fans zu tun, ich mein meine Fans sind ja cool. Aber wenn mich irgendein 14-Jähriger 'Hurensohn' nennt, weil er im Internet Eier hat, dann stört mich das. Die ganze Kultur drum herum ist einfach so bescheuert geworden, ich hab einfach kein Bock mehr, mir das zu geben. Weißt du, ich bin jetzt 35 und werde von kleinen Kindern beschimpft, weil sie denken im Internet ist 'eh jeder anonym und es kann ihnen nichts passieren. Ich hasse das.
Also hat es eher etwas mit den sozialen Medien und der damit einhergehenden Nähe des Künstlers zu seinen Anhängern zu tun?
Chakuza: Ja natürlich, aber wenn du jetzt auf meine Facebook-Seite guckst, da sind da kaum Vollidioten dabei. Ich lasse ja auch alles stehen, lösche nur Beiträge, die gegen meine Familie gehen weil ich nicht will, dass sie so etwas lesen müssen. Es hält sich bei mir auf jeden Fall in Grenzen, aber wenn ich so Seiten wie RapUpdate lesen muss, denk ich mir nur "Oh mein Gott". Ich will dort einfach nicht stattfinden. Hoffentlich ist bald 'eh der komplette Ofen aus und ihr kriegt nie wieder Musik von irgendwem, da scheiß ich drauf.
Aber die Musik sucht sich ja für gewöhnlich immer ihre Hörer und es gibt schließlich genug Künstler, die es darauf anlegen, in solchen Medien stattzufinden.
Chakuza: Klar, aber für mich ist es schlimm. Ich könnte ihnen ja eine Abmahnung schicken, aber das ist mir dann auch zu viel Aufwand. Warum sollte ich mich mit so einer Scheiße herumschlagen, dazu hab ich einfach keine Lust mehr. Und ich mache auch schließlich nicht die Musik, mit der ich zurückschlagen könnte auf Platte, verstehst du? Dafür habe ich schlicht keinen Rahmen.
Verständlich, aber mit Mitte 30 braucht man das vielleicht auch gar nicht mehr.
Chakuza: Eben. Auf meiner Spielwiese "Blackouts II" werden die richtigen Personen auf jeden Fall kassieren. Und ich merke mir diese Sachen, da bin ich wie ein Elefant.
Kannst du schon verraten, was uns auf "Blackouts II" erwarten wird?
Chakuza: Ein asoziales Battlerap-Album. Es wird viel geschossen, aber es ist eben auch Battlerap, also wir meinen da nichts ernst. Ich will ja nicht wieder die Köpfe der Kids ficken.
Auf keinen Fall. Noch mal kurz zurück zu "Noah", hast du wieder in Holland mit den Jungs von In Vallis gearbeitet?
Chakuza: Ja, genau. Wir sind seit "Exit" zusammengewachsen. Seit der Platte spielen wir auch immer zusammen live, was der Arbeit an dem neuen Album sehr zugute kam. Falls es ein weiteres Chakuza-Album geben sollte, dann auf jeden Fall mit dieser Band. Bleibt aber nur zu hoffen, dass sich das nicht verläuft. Im Musik-Business geht ja wie im echten Leben alles sehr schnell, man heiratet und bekommt Kinder. Viele mit denen ich gearbeitet habe, befinden sich momentan in einem Umbruch, aber wenn ich dazu komme werde ich sicher wieder mit der Band arbeiten.
Im Musik-Business und gerade im Deutschen Rap passiert ja momentan eine ganze Menge. Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, alternative künstlerische Ausdrucksformen zu nutzen und wie zum Beispiel ein Shindy, ein Buch rauszubringen?
Chakuza: Nun ja, ich finde mich selbst als Person einfach nicht so interessant, als das ich unbedingt ein Buch über mein Leben schreiben müsste. Aber nein, ich könnte höchstens ein Buch von hinter den Kulissen schreiben, über alles was ich so erlebt habe und Storys auspacken, aber das wäre auch wieder billig. Es gibt genug andere Charaktere, die über ihr Leben schreiben.
Aber generell andere Tätigkeiten? Man muss ja nicht immer selbst ans Mikro steppen, du produzierst ja auch junge Künstler.
Chakuza: Also produzieren werde ich wahrscheinlich noch lange machen, das ist ja auch cool. Es gibt viele Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Im Moment kümmere ich mich um das neue Donato-Album, das mach' ich komplett. Aber an sich möchte ich eventuell noch ein eigenes Album machen aber mich dann auch zurückziehen aus der Öffentlichkeit. Ein geregeltes Leben führen und selbstständig arbeiten, vielleicht sogar wieder in der Gastronomie.
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