laut.de-Kritik

"3 in the morning / You know I'm horny." Lass ma stecken, Chris!

Review von

Chris Browns Image ist mehr als nur angeschlagen. Jüngst wieder wegen eines Ausrasters nach einer Fernsehshow in die Schlagzeilen geraten, versucht Amerikas Prügelknabe Nummer 1 nun, endlich wieder als Musiker wahrgenommen zu werden.

Und weil er weiß, dass er seine Anhänger jetzt auf keinen Fall vergraulen darf, hinterlässt er mit "F.A.M.E." schon mal vorab eine zentimeterdicke Schleimspur: Hinter dem höchst kreativen Titel seines vierten Albums steckt sowohl "Forgiving All My Enemies" als auch "Fans Are My Everything".

Mit "Deuces" beginnt das Werk recht vielversprechend im typischen R'n'B-Midtempo. Auch die darauf folgende Ballade "Up To You" plätschert gefällig und aufgehübscht von ein paar Synthies in der Tradition großer 90s-Schnulzenkönige wie Babyface dahin. Hier zeigt Chris, was er stimmlich zu bieten hat und gibt sich als verliebter Romantiker.

Romantisch erscheint zunächst auch "No BS" - bis das Gehirn beginnt, Browns unsägliche Textzeilen zu verarbeiten: "3 in the morning / You know I'm horny / So why don't you come over my place / Put a smile on my face". Nee, Chris, lass ma stecken. Ähnlich subtil versucht es Mr. Megalover dann nochmal in "Wet The Bed": "I'm a kiss it right, yeah, yeah / I'm gonna lick all night, yeah, yeah / Girl when I'm inside, yeah, yeah / Yeah girl you heard what I said / I'm gonna make you wet the bed." Der einzige, dem man derartigen Dirty Talk wirklich abnimmt, ist leider Ludacris, der hier ein paar Reime beisteuert.

Musikalisch ist das alles zwar nicht besonders spannend, doch zumindest erträglich. Mit massig Effekten und treibenden Dancebeats bereitet "Say It With Me" dann auf das Schlimmste vor: "Yeah 3X" ist die erste Singleauskopplung und eine überproduzierte Autoscooter-Stampfhymne vor dem Herrn, wie sie auch die Black Eyed Peas nicht besser hätten auskotzen können. Für "Beautiful People" hat Italo-DJ Benny Benassi die Regler bis zur Ibiza-Tauglichkeit gedreht.

Wer jetzt denkt, die 'Club-Banger' seien das größte Übel, hat "She Ain't You" noch nicht gehört. Völlig resprektlos vergewaltigt "Breezy" hier Michael Jacksons "Human Nature" und erstickt jegliches Gefühl unter einer riesigen Schicht Produktionsplastik. Chris, wir wissen ja, dass Jacko dein großes Vorbild war, aber mal im Ernst - wie konntest du das tun?

Die Zusammenarbeit mit Schützling Justin Bieber ("Next To You") ist mit Streichern aus dem Computer und uninspirierter Songstruktur dagegen sofort wieder aus Kurz- und Langzeitgedächtnis verschwunden. Genau wie "All Back", das wenn überhaupt durch übertriebenes Vokale-Ausleiern via Autotune auffällt. "Look At Me" wartet als schlechteres "Drop It Like It's Hot" immerhin mit schwindelerregend schnellen Raps von Busta Rhymes auf.

Lediglich "Champion", der Bonustrack mit Chipmunk, birgt wirklich Ohrwurm- und Hitpotential und ist zudem nicht vollkommen unter Effekten begraben: Hier überzeugt Chris Brown mit einem starken Refrain neben den mittelmäßigen Reimen des UK-Nachwuchsrappers.

"Die bestmögliche Musik und das bestmögliche Entertainment" möchte Chris Brown mit "F.A.M.E." seinen Fans laut Webseite bieten. Eine dreiste Unverschämtheit, denn man muss wahrlich kein Experte sein, um hier Kommerz und den Wunsch nach Ruhm in jeder geautotuneten Note zu erkennen. Die Fans werden ihm die Platte trotzdem aus den Händen reißen, ich hörs schon aus den Smartphones dröhnen.

Trackliste

  1. 1. Deuces feat. Tyga & Kevin McCall
  2. 2. Up To You
  3. 3. No BS feat. Kevin McCall
  4. 4. Look At Me Now feat. Lil Wayne & Busta Rhymes
  5. 5. She Ain't You
  6. 6. Say It With Me
  7. 7. Yeah 3X
  8. 8. Next To You feat. Justin Bieber
  9. 9. All Back
  10. 10. Wet The Bed feat. Ludacris
  11. 11. Oh My Love
  12. 12. Should've Kissed You
  13. 13. Beautiful People feat. Benny Benassi
  14. 14. Champion feat. Chipmunk

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