laut.de-Kritik

Mehr tropische Musik für Hamburger Tiefgaragen.

Review von

Bonez MC ist einer dieser Artists, bei dem es mich irgendwie wundert, dass da wirklich die ganze Zeit neue Musik kommt. So einheitlich, wie er seinen Deutsch-Patois-Sound jetzt seit Jahren ableistet, frage ich mich, ob nicht sogar seine Fans manchmal denken mögen, dass sie doch eigentlich einen Bonez MC-Song haben. Warum noch einen? Tut sich da was?

"Gameboy" argumentiert: Nein, nicht wirklich. Aber die goldenen Zähne müssen irgendwie bezahlt bleiben, also einfach weiter im Text. Weiter im Text bedeutet in seinem Fall weiter diese tropische Musik durch Hamburger Tiefgaragen-Filter abzuleisten, die in sich schon kompetent und solide ist. Kauft man sich einen getunten Gebrauchtwagen, würden diese Songs wahrscheinlich wie von Zauberhand aus den Lautsprechern dröhnen, wenn man mit runtergelassenen Fenstern und viel zu lautem Motor im norddeutschen Sprühregen vorfährt.

Damit sind wir also alle in absoluter Einigkeit: Das hier ist dumme Voll-Assi-Musik. Und das meine ich überhaupt nicht beleidigend. Ich bin sicher, ich könnte Bonez in die Augen sehen und er würde einfach nur "Jup" sagen und dann würde ich "Yeah" sagen. Das ist das Genre. Aber auch, wenn vieles daran repetitiv und lieblos wirkt, kommen immerhin ein paar ziemlich lustige Momente zusammen, wenn Bonez bewusst den Bösewicht spielt.

Die schlimmsten Straßenrap-Momente kommen ja immer dann, wenn sie auf einmal sensibel oder weise sein möchten. Wenn Bonez sich wie auf "BA$$TARD" darin suhlt, dass er ein dummes Arschloch ist (sein Zitat, nicht meins), ist die Pettiness fast schon wieder drollig. Er flext hier im selben Atemzug seine Goldketten, wie er damit flext, nicht zu blinken und beim Edeka zu drängeln. In Kombination mit einem wuchtigen Beat und einer soliden Juju kommt das sehr souverän: Bonez macht hier einen vollumfänglichen Wrestling-Heel her.

Das sind die Momente, in denen er auf seine chaotische Art dann auch am meisten Persönlichkeit entfaltet. Nachdem er auf "Locker" erst ankündigt, er würde den Roboter auf dem Dancefloor tanzen, kommt er mit Lines wie "Tanzen ganz locker, locker, locker / Bist ein bisschen dicker aber ich bin kein Mobber". Oder auf "Du Trottel !", da rappt er über die besten Drums der Platte "Du Trottel! Warum rufst du die Polizei / Bis die hier sind ist es eh vorbei" – und er rappt es so, dass er das Leerzeichen und Ausrufezeichen im Tracktitel verdient.

Ein letztes Highlight macht das überraschend emotionale "Früher Sterben". Der Beat mit seiner generisch-tristen Gitarre reißt zwar keine Bäume aus, aber wenn er dann bewusst unpoetisch und kaltschnäuzig abhandelt, dass er eigentlich weiß, dass er seit Jahren konstant ziellos und selbstzerstörerisch vor sich hinlebt, dann macht seine Straßenköter-Melancholie durchaus Sinn. Er Suff-säuselt sich durch eine sehr schöne Vocal-Melodie und gleicht den Pathos mit dem sehr nüchternen Text aus.

Das wäre alles also wirklich positiv überraschend, aber gleichzeitig steht am Ende doch einfach zu viel Fluff auf dem ohnehin schon recht kurzen Album, um es wirklich empfehlen zu können. Auf jeden Track, bei dem sein Charisma durchschimmert und seine Persona im Fokus steht, kommen drei, die nichtssagend und phrasig dahinplätschern. Das war dann wieder, was ich erwartet habe: Seit acht Jahren im Autopilot weiter abgespulte "Palmen Aus Plastik"-Rejects, die so gar nicht erklären, warum man nicht einfach das Original hören sollte.

Trotzdem würde ich vorsichtig sagen, dass "Gameboy" meine Erwartungen übertroffen hat. Bonez kann tatsächlich auf seine antagonistische Kernassi-Art durchaus witzig und manchmal sogar gelungen introspektiv sein, dazu findet er durchaus gute Pockets und Grooves, um es musikalisch robust umzusetzen. Würde er das nicht ohne jede Qualitätskontrolle mit diesem Autopilot zusammenpacken, in dem er einer der langweiligsten Rapper der Gegenwart ist, könnte das sogar echt was geben. Aber was will man machen. Wer nur rappt, um sich weiter Goldzähne leisten zu können, kann wohl damit leben, dass es nicht alles Sieger sein werden.

Trackliste

  1. 1. Über Leichen
  2. 2. 30 Kugeln
  3. 3. BA$$TARD (feat. Juju)
  4. 4. Früher Sterben
  5. 5. Locker (feat. LX & Tommy Lee Sparta)
  6. 6. OUTZIDE
  7. 7. Für Mary <3
  8. 8. Hab Bock (feat. Trettmann)
  9. 9. Lieblingssong
  10. 10. BAD (feat. Gzuz)
  11. 11. Du Trottel !
  12. 12. Wenn Du Mich Kennst
  13. 13. Augen Offen

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