laut.de-Kritik
1001 Anmachsprüche vom Straßenrap-Romantiker.
Review von Anthony CerezoEigentlich hätte diese EP nie das Licht der Welt erblicken sollen. Vorab kündigte Bonez MC an, dass er dieses Jahr nicht dazu komme, sein nächstes Album fertigzustellen. Deswegen habe er für seine Fans eine andere Überraschung parat: eine Handvoll Songs, die schon Jahre auf seinem Speicherplatz rumlagen und zu "weich" sind für ein Straßenrap-Album. Die daraus entstandene "Loveline EP" besteht aus Überbleibsel von Zeiten, in denen der Straßenbandenboss sich vom harten Image als Hamburger Rapper abwendete und seine weiche Seite offenbarte. Schon das Thriller-inspirierte Cover, auf dem er verführerisch ein Herz mit seinen Händen formt, suggeriert den romantischen Touch der EP. Doch statt romantische, gefühlvolle Tracks erhält man die pornografischen Fantasien eines selbstverliebten, sexsüchtigen Machos, der durch seinen Erfolg den Bezug zur Realität verloren hat.
Mit dem ersten Track "Bunte Pille" lädt Bonez die Hörer in seinen Schlafzimmer ein, in dem ein mit Rosenblättern geschmücktes Bett vom Kerzenschein erleuchtet ist. Sehnlichst wartete er auf diesen Moment und hat alle erdenklichen Vorbereitungen getroffen. "Frisch rasiert und ich war extra beim Friseur", nur um dann diese romantische Atmosphäre mit absurden und oberflächlichen Anmachsprüchen zu ruinieren "Für den Arsch brauchst du ein'n Waffenschein / Weil er ist scharf so wie ein Butterfly".
Auf "Telefon ohne Kabel" gräbt Bonez das Skelett aus der glorreichen "Palmen Aus Plastik"-Zeit aus. Der Dancehall-Sound ist unverändert, der Inhalt eindrucksvoll belanglos. Mit seinem hart erarbeiteten Geld leistet er sich teure Sportwagen, die die "Mädels mit Silikon" am Straßenrand beeindrucken. Doch nach eigener Aussage kommt "das ganze Geld nicht von Rap, sondern von Karneval", der hauseigenen Vodka-Marke, die bei seinen Fans eine dermaßen Beliebtheit genießt, dass es gar nicht auffällt, dass seine Musikkarriere schon längst ihren Höhepunkt hinter sich hat. In der Pre-Hook versteckt sich dann noch ein Hinweis, in welchen Supermärkten Karneval zu kaufen ist "Auf einmal Karneval im Supermarkt (Rewe Markt) / Ist alles cool, hab' meine Crew am Start (Edeka)". Das Zeug ist ekelhaft (Alkoholvergiftung).
Nach dieser Werbepause geht es dann weiter mit "Shawty", auf dem Bonez eine Liebeserklärung an Frauen mit Hobbys auf einem eingängigen Gitarrenloop-Beat ablegt: "Hör' sie sagen, dass du Volleyball und Schach spiel'n kannst / Da fahr' ich voll drauf ab / Ne, im Ernst, du hast Hobbys und das macht mich an". Doch der süße Romantiker hat nicht nur ein Faible für schachspielende Damen, er outet sich auch als waschechter Tierschützer "Seh' dich auf den Fiji Islands, wie du auf Delfin'n reitest / Nein, ich red' nicht von Delfin'n, die eingesperrt sind / Ich red' von glücklichen Delfin'n, die draußen frei im Meer schwimm'n".
In einem anderen Leben wäre er Meeresbiologie geworden. Doch wenn der 37-jährige Vater auf "Mein Bett" peinlichste Anmachsprüche aneinander reiht und Lines wie "Mein Schlafzimmer ist ein Fitnessraum / Und du bist das Gerät" auftischt, ist es nicht verwunderlich, dass dieser Karriereweg nie zustande kam. Auf "On Fire" rundet Bonez dieses Flirt-Massaker perfekt ab und gibt an "Baby, nur für dich rasier' ich meine Eier / Guck, wie sie glänzen im Kerzenlicht (Schein)".
Soundtechnisch klingt die EP genauso wie angekündigt: halbherzige Überreste, die eigentlich keiner haben wollte. Hier und da völlig harmloser Dancehall, auf "On Fire" eine prototypische Drill-Produktion und grauenhaftes Autotune-Singsang auf seelenlosen Sad-Trap-Beats. Lyrisch verweilt Bonez auf dem Niveau eines Teenagers, der zum ersten Mal den Sexualkundeunterricht besucht hat.
Die "Loveline EP" hinterlässt bei mir einen schockierenden Eindruck, als hätte ich den heimlichen OnlyFans-Account einer Bekanntschaft entdeckt. Was denken die Eltern davon? Was passiert, wenn sein Kind das später mal herausfindet? Wieso veröffentlicht der Straßenrapper diese herum liegenden Tracks, wo es doch für alle Beteiligten einfacher gewesen wäre, hätte er die Dateien in den Papierkorb verschoben.
8 Kommentare mit 7 Antworten
Ungehört 1/5
Musik für garret
Jaja genau, ich hab noch nie bonez gefeiert Brauchst gar nicht vom fatalen farid-fehlschlag ablenken
Ach komm, im Herzen bist du doch HAIFISCH NIKEZ tragender OG das ist Fakt, ma sagen.
Wo lenke ich denn ab? AM4 ist AOTY Kandidat!
Widerlicher Typ, Allah, wie ekelhaft ist dieses Cover bitte. Musik für kippenstopfende Dorf-Gs. Ungehört 1/5.
Musik für Kippenstopfen am Fließentisch Romantik.
Bin absolut kein Freund von lebensmittelverschwendung, von daher finde ich das Sauerkraut auf bonez Wirsing komplett unangebracht. Ansonsten ebenfalls ungehört 1/5.
Apropos Lebensmittelverschwendung, hab da demletzt erst wieder eine Zubereitungsart für Hähnchen gesehen, absolut nachhaltig und das Tier hatte nachweislich ein schöneres Leben als viele andere... einfach super, wenn man's so macht (...und natürlich viel besser als wenn man immer im Denn'sBio-Markt und im Schicki-Micki-Rettermarkt einkauft, um das persönliche Gewissen zu beruhigen... dann lebt man natürlich nicht inner Wegwerfgesellschaft nö,ne, niemals!)
https://www.youtube.com/watch?v=IBlNuZzwG4o
Musik für Pick-Up Artists.
och, das Cover ist gar nicht so un nett
Der Marketing-Gag hier ist, dass es am Ende dieselbe Kirmes-Musik wie immer ist, Bonez nur ein bisschen mehr jault als sonst. Interessant ist an dieser Stelle auch, dass Bonez' "weiche" Seite augenscheinliche derselbe Sexismus nur mit etwas weniger Bassfrequenzen und anderer Rhythmik zu sein scheint.