laut.de-Kritik
Hypnotische Atmosphäre auch ohne Rauchwaren.
Review von Michael EdeleEntgegen der Ankündigung handelt es sich beim Doppelpack Deadsoul Tribe/Sieges Even nun doch nicht um eine Co-Headliner Tour. Anstatt dass jeden Abend der Headliner wechselt und beide Bands tatsächlich gleich lange spielen, müssen die Münchner mit dem holländischen Fronter, jeden Abend als erstes auf die Bühne. Daran stören sich Sieges Even aber relativ wenig. Denn auch so spielen sie ein längeres Set plus Zugabe. Die Band zeigt sich gewohnt sympathisch und perfekt eingespielt.
Größere Interaktionen kommen zwischen den Musikern kaum vor, verstehen sich die vier Herren doch blind. Markus konzentriert sich auf die komplexen Gitarrenparts, singt ab und zu für sich mit und hat locker mal einen Bewegungsradius von 20 cm. Arno erzählt zwar, dass er von den Sauf- und Rauchgelagen der Österreicher ein wenig angeschlagen wäre, singt aber absolut souverän. Auf seine zurückhaltende Art wirkt er allerdings noch etwas zu schüchtern.
Die Holzwarth-Brüder Olli (Bass) und Alex (Drums) spielen ihre Kapriolen einmal mehr mit einer beneidenswerten Lässigkeit runter und verziehen selbst bei kompliziertesten Sachen kaum ein Miene. Olli dürfte beim Geschirrspülen auch nicht angestrengter aussehen und Alex sitzt hinter seinem Kit so entspannt wie andere auf dem Sofa.
Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den Mammutsongs von "The Art Of Navigating By The Stars". Doch auch ein paar Klassiker von "Steps", "Life Cycle" und "A Sense Of Change" geben sie zum Besten. Absoluter Höhepunkt und der deutlich härteste Song des ganzen Abends ist der Titeltrack des Debütalbums, den das Quartett als Zugabe spielt. Kommentar einer Zuschauerin: "Warum covern die denn jetzt Watchtower???" Tun sie nicht, Baby. Tun sie nicht!
Kurze Zeit später haben sich die (Wahl-)Österreicher warmgeraucht und entern die Bühne. Devon Graves bezieht am linken Bühnenrand Station und startet mit einer Flüstertüte in der Hand ins Set. Hört man die Stimme des ehemaligen Psychotic Waltz-Sängers anfangs kaum heraus, pegelt sich der Soundmann schnell ein und Graves überzeugt mit seinem einzigartigen Gesang.
Deadsoul Tribe sind deutlich eingängiger als Sieges Even, was größerer Bewegung im Publikum zufolge hat. Auch auf der Bühne sorgt Basser Roland Ivenz mit seinen arschlangen Rastas für Action, wobei natürlich Devon ein Poser vor dem Herrn bleibt. Wer so eine Ausstrahlung hat, solche Songs schreibt und neben einem einzigartigen Gesang auch noch eine fehlerfreie Gitarrenleistung hinlegt, darf sich sowas aber allemal leisten.
Während Roland Kerschbaumer eher als Kalkleiste fungiert, setzt auch Drummer Adel Moustafa mit Tribalbeats Akzente. Zahlreiche Stücke von "The Dead Word" und "The January Tree" verzaubern die Zuschauer. Doch auch die ersten beiden Alben "Deadsoul Tribe" und "Murder Of Crows" kommen nicht zu kurz. Die emotionale Vollbedienung gibt es schon mitten im Set, als Devon einmal mehr die absolut geniale Ballade "I Remember" seiner Vorgängertruppe anstimmt und dabei zum ersten Mal am Abend zur Querflöte greift.
Doch natürlich stehen die Songs seines Quasi-Soloprojekts der Überballade von Psychotic Waltz in nichts nach, und das Publikum kann sich über einen ausgedehnten Abend mit ergreifender, kraftvoller Musik freuen. Un auch ohne entsprechende Rauchwaren sollte der Großteil den Saal später mit einem verzauberten Lächeln im Gesicht verlassen haben.