4. Januar 2017
"Die anderen Sänger waren alle Idioten"
Interview geführt von Michael SchuhDer frühere Sänger der schwedischen Rockband The Soundtrack veröffentlichte letztes Jahr sein Solo-Debüt mit neuer Band. Für 2017 steht ein Allstar-Projekt auf dem Programm.
Im April letzten Jahres veröffentlichte der frühere Soundtrack Of Our Lives-Sänger Ebbot Lundberg auf Haldern Pop sein sträflich untergegangenes Solo-Debüt "For The Ages To Come". Dennoch kam der 50-Jährige im Winter zu einigen Shows nach Deutschland und machte in dieser Hinsicht entsprechend neue Erfahrungen. Wir erreichen das schwedische Rock-Schwergewicht am Telefon in seinem Haus in Göteborg.
Ebbot, ich habe dich in meiner Review zu "For The Ages To Come" als Godfather of Hippie Rock bezeichnet. Geht das klar?
(lacht) Die Leute brauchen halt eine Bezeichnung, um bestimmte Dinge zu verdeutlichen. Ich würde aber sagen, Space-Rock passt besser zu mir.
Vor vier Jahren hast du auf meine Frage nach deinem aktuellen Ohrwurm geantwortet, es sei ein neuer Song namens "A Story That Will Never End", von dem du in der vorangegangenen Nacht geträumt hättest. Diese Zeile habe ich dann im Opener deines Soloalbums wieder entdeckt.
Oh, sehr schön. Ja, das ist wahr.
Hast du die anderen Songs auch alle geträumt?
Einige davon. Es kommt schon vor, dass ich aufwache, mich hinsetze und einen Song schreibe. Oder ich grüble über gewisse Dinge, und es kommt eine Idee dazu, die ich früher schon einmal hatte, ohne sie weiterverfolgt zu haben.
Gab es bei den Aufnahmen deines Soloalbums irgendwelche ungeahnten Schwierigkeiten?
Nein, höchstens die Entscheidung, so ein Ding solo auf einem eigenen Label durchzuziehen. Ich arbeite gerne mit anderen Menschen zusammen. Ich war lange genug der Anführer einer Band und das war hart. Jetzt ist es einfach nur Spaß.
Was genau ist denn anders als zu deiner Zeit mit The Soundtrack Of Our Lives?
Mit den Indigo Children arbeite ich ganz anders. Früher habe ich praktisch überall ausgeholfen. Jemand gab sein Riff bei mir ab und ich musste dann den Song drumherum schreiben. Ich habe es gern gemacht, weil sich sonst keiner drum gekümmert hätte. Man könnte fast sagen, ich habe den anderen beim Songschreiben geholfen. Dagegen ist es jetzt einfach befreiend. Heute weiß ich, wie der Hase läuft. Been there, done that. Aber abgesehen von den internen Prozessen in einer Band zählt am Ende des Tages sowieso nur, ob der Song gut geworden ist.
In deiner Band bist du ja sicher der Älteste ...
Kann man so sagen, zumindest physisch.
Ist es für deine neuen Kollegen ein Problem, dass du mit 30 Jahren Erfahrung im Musikgeschäft der alte Profi bist?
Ich würde eher sagen, es hilft ihnen, wenn es sie überhaupt interessiert. Wir kommen einfach gut miteinander aus und sind durch die Musik miteinander verbunden. Es fühlt sich richtig an.
Wie entstehen die Songs heute?
Meistens sitze ich am Klavier, manchmal auch an der Gitarre, oder ich singe einfach irgendwas. Heutzutage geht das ja kinderleicht, man zückt das iPhone und singt drauflos. Das hat auch sein Gutes.
Ich war hellauf begeistert von der Mischung aus Psychedelic-, Folk- und Garage Rock auf deiner Platte. Leider ging sie aber ziemlich unter hierzulande. Warst du enttäuscht oder welche Erwartungen hattest du im Vorfeld?
Vielen Dank. Nein, es lief nicht sonderlich gut, aber man darf sich auch nichts vormachen, wenn man eine Veröffentlichung alleine stemmt. Da fehlt eben dann die große Plattenfirma, die einem den Weg freiräumt. Ich bin trotzdem sehr zufrieden, es ist eben mein erstes Album. In England gab es mehrere gute Kritiken, was mich sehr gefreut hat. Die Zeiten haben sich geändert. Heute wird jeder mit Informationen zugeballert. Es ist radikaler Schnitt im Vergleich zu den alten Zeiten, in denen ich schon aktiv war. Ich bin der Meinung, dass sich das Gute am Ende durchsetzen wird. Hoffentlich zählt auch meine Platte dazu.
Bei einigen Songs musste ich aufgrund deiner tiefen Stimme an Lee Hazlewood denken. Was waren deine Vorbilder im Bezug auf die aktuellen Songs?
Ich stehe total auf Lee Hazlewood und Johnny Cash, und da nähere ich mich gerne auch gesanglich an. Vor etwa drei Jahren habe ich sowas wie einen Lee Hazlewood- oder Hank Williams-Song mit DJ Fontana aufgenommen, dem Drummer von Elvis.
Mit dem Drummer von Elvis? Wie alt ist der denn?
So um die 83 würde ich sagen. Nach den Aufnahmen erlitt er aber einen Schlaganfall, von daher weiß ich nicht genau, was ich mit dem Song machen soll. Aber irgendwann muss er raus, er ist zu gut.
Für ein paar Konzerte bist du im Herbst ja auch nach Deutschland gekommen.
Ja und mir fiel da erst auf, dass ich sechs oder sieben Jahre nicht mehr bei euch war. Mit Soundtrack hatten wir eine verlässliche Fanbase, aber sieben Jahre sind eben eine lange Zeit. Man sieht das ja schon auf der vollen Autobahn, da kommt man ja kaum noch vorwärts. Aus heutiger Sicht hätten wir in den letzten Jahren vielleicht öfter bei euch touren müssen. Aber egal, das hält mich nicht auf.
Die Trennung von Soundtrack Of Our Lives ist jetzt vier Jahre her und nicht viele haben mitbekommen, was bei dir in dieser Zeit so gelaufen ist. Kannst du uns da mal kurz auf den neuesten Stand bringen?
Klar. Ich bin in Schweden berühmt geworden, weil ich bei einer Fernsehshow mitgemacht habe. Ich habe meine neue Band gefunden, die Indigo Children, habe hier und da mit einem Orchester zusammen gearbeitet und auch mal geschauspielert. Sehr gefreut hat mich die Einladung nach San Diego, wo ich mit meiner Lieblingsband Love spielen durfte. Ohne Arthur Lee natürlich [der 2006 verstorbene Sänger der 60s-Garage Rock-Band, Anm. d. Red.], aber mit Johnny Echols und den anderen Jungs war es auch schön.
Dann hat mich Butch Vig angerufen und gefragt, ob ich bei seinem Projekt 5 Billion In Diamonds mitmachen möchte. Er schickte mir ein paar Backing Tracks, das heißt grobe Skizzen für Songs, an denen ich weiter geschrieben habe. Danach sind wir ins Studio gegangen und dort kamen wir sehr schnell auf einen Nenner. Im Frühjahr kommt die Platte raus. Eine Menge Leute sind involviert, Damian O'Neill, der Gitarrist von den Undertones, David Schelzel von der 90er Band Ocean Blue, die ich gar nicht gekannt habe, die Rhythmusabteilung von Spiritualized, es sind einige Leute. Ich teile mir den Gesang mit Butch Vig und einer Frau, die schon bei Portishead gesungen hat, bevor sie berühmt wurden. Sie ist vorher ausgestiegen.
"Plötzlich war ich berühmt in Schweden"
Wie lief die Studioarbeit denn mit so vielen bekannten Musikern?
Ach, das sind ja alles alte Leute, ich bin wahrscheinlich noch der Jüngste. Es ist das Projekt von Butch Vig und DJ James Grillo und es war ihnen in erster Linie wichtig, dass die Chemie untereinander stimmt. Ich habe gehört, dass sie mehrere Sänger getestet haben, aber das waren scheinbar alle Idioten (lacht). Erst vor Weihnachten haben wir uns noch mal in England getroffen und neue Sachen ausprobiert. Wir harmonieren gut.
Wie darf man sich den Sound so vieler altgedienter Musiker vorstellen?
Erstaunlicherweise sehr modern und gar nicht retro, was die Leute womöglich erwarten. Aber was bedeutet heutzutage schon retro? Was ist neu, was ist alt, ich habe keine Ahnung. Für mich gibt es nur gute und schlechte Musik. Die Songs sind spacey, mitunter psychedelisch, aber insgesamt zurückgelehnt. Sie fühlen sich gut an. Wir wollen damit auch auf Tour gehen.
Wir sind gespannt. Über die von dir erwähnte Casting-Fernsehshow in Schweden konnte ich nur in Erfahrung bringen, dass dort Menschen aufgetreten sind, die ihre Lieblingssongs vorgesungen haben. Stimmt das?
Ja. Die Leute vom Sender hatten mich vor Jahren schon mal gefragt, aber ich habe abgesagt weil ich die Künstler nicht mochte. Dieses Mal war es anders, sie hatten gute Leute eingeladen und ich dachte: Warum eigentlich nicht? Probiere es aus. Und bevor ich es richtig realisiert hatte, war ich plötzlich ziemlich berühmt in Schweden. Am Anfang war es ein Schock, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.
Autogramme geben beim Einkaufen?
Ja, aber eher Selfies und all das.
Was meinst du genau mit den Künstlern in der Show, die Leute in der Promi-Jury?
Nein, aber in der Jury saß Lill Lindfors, eine Frau, die ich schon lange liebe. Gut, sie ist jetzt 75 Jahre alt, aber noch immer unglaublich schön. Sie war ein Star bei euch in Deutschland, glaube ich. 1968 war sie Moderatorin in einer deutschen Fernsehshow, in der die Bee Gees mit ihrem Album "Idea" aufgetreten sind. Sie haben einen Song gemeinsam gesungen und die Choreographie war sehr cool. Ich habe mich schon als kleiner Junge in sie verliebt, von daher konnte ich das Angebot der Sendung natürlich nicht ausschlagen.
"Wir waren 18 Jahre zusammen, das muss reichen"
Du hast vor zwei oder drei Jahren auch eine Velvet Underground-Hommage mit Nina Persson von den Cardigans und Magnus Carlson von Weeping Willows in Göteborg und Stockholm auf die Bühne gebracht, wo ihr eure Lieblingssongs der Band gemeinsam gespielt habt. Kurz nachdem deutsche Termine bekannt wurden, sagte man alle Konzerte auch wieder ab. Was war da los?
Das ist komisch gelaufen, entweder war die Bookingagentur nicht mehr davon überzeugt, dass das funktionieren würde oder einer von uns hatte plötzlich keine Zeit mehr. Gute Frage. Es war ein tolles Projekt, das wegen der anderweitigen Verpflichtungen der Beteiligten dann aber leise ausgelaufen ist.
Seid ihr trotzdem noch in gutem Kontakt und wie ist das generell bei dir mit ehemaligen Bandkollegen?
Ja, man telefoniert ab und an und informiert sich, was so geht. Bei Soundtrack Of Our Lives sitzt der ein oder andere an einem Soloalbum, wie ich höre. Eine Reunion ist also nicht in Sicht, wenn du das meinst (lacht). Aber wir sind natürlich Freunde geblieben.
Was waren denn die Hauptgründe für eure Trennung?
Es kamen Familien ins Spiel und dann will man eben nicht mehr pausenlos auf Tournee gehen. Zudem hatte ich gegen Ende das Gefühl, dass die Energie langsam nachlässt. Ich wollte auf keinen Fall dabei zusehen, wie meine Band immer müder wird. Wir waren 18 Jahre zusammen und haben 7 Alben veröffentlicht. Das muss reichen.
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