3. Juli 2000
"Wir sind das komplette Gegenteil von Britpop"
Interview geführt von Michael SchuhIhre aktuelle CD "Drawn From Memory" wird von der Kritik allerorten gefeiert, in England sind sie Superstars: Embrace. Zwischen ihren Auftritten auf den großen Festivals Europas, zuletzt auf der Main Stage in Glastonbury, fanden die sympathischen Briten noch Zeit für eine skurille Mini-Tour durch Deutschland. Dies zeigt vor allem, wie sehr sich Embrace von den üblichen Verdächtigen des Britpop tatsächlich unterscheiden: Entgegen den genretypischen Gewohnheiten präsentieren sie ein gänzlich unarrogantes Programm in gemütlicher Club-Atmosphäre.
Am Rande ihres Auftakt-Gigs sprach LAUT mit Embrace-Sänger und Gitarrist Danny McNamara unter anderem über den Unterschied zwischen Oasis und Embrace, die Fußball-EM, die Roskilde-Katastrophe.
LAUT: Wie lief eure Tour bisher?
Danny: Yeah, it's cool! Wir haben in letzter Zeit nicht viel in Clubs gespielt, meistens auf Festivals. Heute ist der erste Tag der kleinen Deutschland-Tour, wir sind alle gespannt.
LAUT: Vor einigen Wochen habt ihr in Japan gespielt. Welche Eindrücke habt ihr von dort mitgenommen?
Danny: Die Leute dort sind ganz anders drauf als hier in Europa. Sie haben eine völlig andere Einstellung zum Leben, ein anderes Auftreten und andere Wertvorstellungen. Wenn du dort ankommst, fühlst du dich wie auf einem anderen Planeten.
LAUT: Aber ihr wurdet gut aufgenommen?
Danny: Ja, wir sind 'big in Japan' (lacht). Der alte Leonard Cohen-Song. Oder ist es einer von Tom Waits? Wie auch immer ... In Thailand sind wir auch big, wir waren vier Wochen Nummer Eins mit "You're Not Alone".
LAUT: Bekommt ihr auf den großen Festivals Feedback?
Danny: Bis jetzt läuft's gut, die Leute singen mit.
LAUT: Macht das keinen Unterschied für euch im Vergleich zu Clubgigs?
Danny: Also, ich war schon nervös als wir in Glastonbury spielten, 70.000 Leute, wow! Aber sie waren voll dabei und dann vergisst du die Aufregung und hast einfach nur Spaß.
LAUT: Letztes Wochenende starben acht Menschen beim dänischen Roskilde Festival. The Cure, Oasis und die Pet Shop Boys zogen daraufhin ihren Auftritt aus Pietätsgründen zurück. Glaubst du auch, dass eine Weiterführung der Veranstaltung in solch einem Fall den Verunglückten gegenüber respektlos ist?
Danny: Es ist schwierig, wir haben natürlich in der Band darüber gesprochen. Ich denke, wenn Du für ein Festivalticket bezahlt hast, willst du auch ein Konzert sehen. Nur weil man als Band den Auftritt absagt, kommen die Verstorbenen nicht zurück. Aber ich möchte hier nicht urteilen, ich denke, man muss vor Ort sein und die Atmosphäre einschätzen. Bei solch einer Tragödie wird auf dem Gelände sicher kein guter Vibe mehr sein und die Leute werden sich nicht mehr richtig freuen können.
LAUT: Zurück zu euch: Als ihr eure ersten Demos an die Plattenfirmen geschickt habt, war der Britpop-Hype in vollem Gange. Glaubst Du, dass ihr dadurch eher an einen Plattenvertrag gekommen seid?
Danny: Nein. Als wir rauskamen, wurden wir von der englischen Musikpresse als das komplette Gegenteil von Britpop angesehen. Unser Sound war etwas düsterer, die Texte persönlicher und zudem waren wir einfach nicht sehr an diesen Modedingen interessiert. Aber außerhalb Englands werden wir oft als Britpop-Band bezeichnet, was wohl vor allem damit zusammenhängt, dass wir aus England kommen.
Ich denke, dass es für Nicht-Engländer ziemlich schwierig ist, Unterschiede zwischen englischen Bands zu erkennen. Am Anfang konnten wir in Leeds nicht einmal Gigs bekommen, es hieß immer, wir seien zu düster. Das Britpop-Ding machte es uns also nicht leichter.
LAUT: Wie kam euer Kontakt zu Hut Records zustande?
Danny: Wir schickten ihnen das Demotape "All You Good Good People" und sie nahmen uns gleich unter Vertrag, ohne uns vorher live gesehen zu haben. Wir waren live aber auch ziemlich schlecht damals, ich glaube nicht, dass wir sie mit einem Gig überzeugt hätten (lacht).
LAUT: Wart ihr bei den Aufnahmen zum neuen Album einem großen Druck ausgesetzt, weil euer Debut so erfolgreich einschlug?
Danny: Nein, überhaupt nicht. Richard ist ein viel besserer Songwriter geworden und wir fühlten uns frei und folgten einfach unserem Instinkt.
LAUT: Ihr werdet noch immer mit Bands wie Oasis und The Verve verglichen. Stören euch solche Vergleiche oder sind sie schmeichelhaft?
Danny: Hmm, am Anfang war es gut, weil diese Bands sehr populär waren, diese Vergleiche waren gute Promotion für unser erstes Album. Aber keine Band übte wirklich Einfluss auf uns aus. 90 % von "The Good Will Out" war ja schon geschrieben, als diese Bands noch gar nicht erfolgreich waren. Ich denke, das Ganze ist eher ein Zufall.
LAUT: Für eure Aufnahme-Sessions habt ihr euch Flipperautomaten und eine Tischtennisplatte gekauft. Seid ihr auch an Fußball interessiert?
Danny: Oh nein, gar nicht, nur unser Basser mag Fußball. Wir anderen waren relativ erleichtert, als England aus dem EM-Turnier flog, da sie dann nicht die ganze Zeit im Fernsehen sind. Manchester, Liverpool oder Leeds sind klasse Clubs, aber England hat einfach keinen Teamcharakter.
LAUT: Welche Bands hast du in deiner Jugend gehört?
Danny: Viel Stone Roses, Happy Mondays und das ganze Manchester-Zeug Anfang der 90er. Aber auch Nirvana, Ride, Pixies oder PJ Harvey, solche Sachen. Und irgendwann uns (lacht). Es ist komisch, wenn du anfängst, selbst Musik zu machen, und damit erfolgreich wirst, hörst du auf, ständig auf andere Bands zu schauen.
Du entwickelst ein kommerzielles Gehör, so in der Art: "Wird das hier ein Top 5-Hit oder eher nicht?" Aber du hörst Musik nicht aus einer künstlerischen Perspektive heraus. Jeder, der in einer Band spielt und Platten veröffentlicht, denkt, seine Band ist besser als alles andere. Du respektierst nur noch den alten Kram, der 30 bis 40 Jahre alt ist. Der einzige Grund dafür liegt wohl darin, dass die Leute von damals tot sind oder zumindest nicht mehr mit dir konkurrieren.
LAUT: Welche drei Alben hast du dir zuletzt gekauft?
Danny: Ich muss sie nicht kaufen. Wenn ich welche will, frage ich einfach und bekomme sie umsonst (lacht). Nein, ich habe eine Menge Platten gekauft, die ich aber noch nicht angehört habe, die neue Kelis, Beck und Ian Brown zum Beispiel. Im Bus hören wir gerade Lambchop und David Holmes, das sind coole Sachen.
LAUT: Werdet ihr auf ausländische Bands aufmerksam, wenn ihr so durch die Welt reist?
Danny: Oh ja, aber ehrlich gesagt, mag ich sie meist nicht (lacht). Es gibt nicht viele europäische Bands, die mir gefallen. Wenn ich ihre CD's kriege und sie laufen lasse, denke ich immer "Oh nein, bitte" ... Das berührt mich nicht.
Ich weiß nicht warum, es ist nicht die Sprache, die meisten singen sowieso in Englisch. Richtig schlimm ist es auf Festivals, wenn dir eine Band überhaupt nichts gibt, aber die Leute voll dazu abgehen. Das ist schon seltsam.
LAUT: Redest du jetzt von allen Stilrichtungen?
Danny: Oh no, I mean, es gibt keine Rock' n Roll-Bands aus Europa. Sicher, was Dance-Stuff angeht, HipHop und alles, da gibt’s coole Sachen, aber Rock ...
Ich glaube, England und Amerika haben da noch die Nase vorn.
LAUT: Eure Homepage ist sehr anschaulich und übersichtlich gestaltet.
Danny: Dankeschön, mein 18-jähriger Bruder Jonathan kümmert sich darum. Er wird immer besser, die Seite verbessert sich praktisch wöchentlich, da wir immer wieder Neues hinzufügen.
LAUT: Ihr habt aber schon Mitspracherecht.
Danny: Ja klar, wir kommen oft mit verrückten Ideen, aber meistens schüttelt er nur den Kopf, weil das nicht durchzuführen ist ... Ich mag vor allem an unserer Page, dass alles so übersichtlich gestaltet ist, du musst nicht ewig suchen, bis du etwas findest und das ist sehr wichtig. Es ist schon was tolles, dass man durch das Internet ständig präsent sein kann, es ist definitiv die Zukunft.
LAUT: Das denken wir auch (Allgemeines Lachen).
Das Interview führte Michael Schuh.
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