13. Mai 2009

"Religionen konnten nichts für mich tun"

Interview geführt von

Bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest holte FlowinImmo im Kreise der Freaqz den elften Platz nach Bremen. Inzwischen liegt "Immoment", der Longplayer für den Urlaub am Attersee und anderswo, vor. Bremens Oberfreak ist in Gedanken aber schon wieder ein bis zwei Schritte weiter.Vier Jahre ist es her, dass FlowinImmo der "Grenzenlosen Freiheit" huldigte. Jetzt legte er im Kreise seiner Band "Immoment" nach. Obwohl mit "Urlaub Am Attersee" der Sprung in die Mainstream-Abendunterhaltung gelang: Von Zugeständnissen an den Geschmack der Massen kann glücklicherweise keine Rede sein. Gründe, Bremens Oberfreak anzurufen, gibt es wie Sand am Meer. Der brüllt auch gleich bestens vorbereitet los:

Dani Fromm!!

Upps. Da scheint mir ja einer im Bilde.

Ja, ich wurde böse gebrieft, vom guten Dieter Schienhammer, der alles koordiniert. Das ist wieder ein neuer Luxus für mich, an den ich mich aus früheren Tagen noch erinnern kann. Dann hab' ich lange alles selbst gemacht - oder eben auch nicht. Und nun bekomme ich vom Dieter eine Erinnerung, dass er dir meine Handynummer geschickt hat. Weil ich nicht in Köln bin.

Dieter ist super. Der schickt mir nämlich auch immer 'ne Erinnerung. So verpeile ich es auch nicht. Wo steckst du also gerade, wenn du nicht, wie angekündigt, bei Sluga [Daniel Sluga, La Cosa Mia, d. Red.] in Köln bist?

In Bremen. Ich kucke gerade aus dem Fenster der WG eines Schulfreunds von mir. Der Typ, der mir vor sieben Jahren das Staffelholz aus der Hand genommen hat, was mein Studio, mein Freak Cave, angeht. Ich sitze bei meinem Nachmieter im Freak Cave. Ich hab' diese Woche das Vergnügen gehabt, hier Schlagzeug zu spielen. Weil das immer noch ein Tonstudio ist, nicht irgendein Kellerraum im Industriegebiet.

Da wird die Tradition ja fortgeführt.

Das ist super. Ich bin immer noch in Bremen, weil ich mir in den letzten Tagen eine Wurzelbehandlung verpasst habe. Nach all dem Trubel, der so passiert ist, bin ich mal an meine Wurzelorte zurück gekehrt. Hier in Bremen, wo ich gewachsen bin: Elternhaus, Kindergarten, Schule, Schlachthof, das Kulturzentrum, wo hier die Hip Hop-Explosion stattgefunden hat, in den 90ern ... Ich hab' alte Kollegen getroffen. Ja, das hat ein bisschen länger gedauert. Dann ist ein Auftritt verschoben worden, den ich in der Nähe von Köln gehabt hätte. In dem Fall hätte es Sinn gemacht, vorher nach Köln zu fahren und dann dort hin. Jetzt muss ich aber nicht nach Herford, also muss ich auch nicht nach Köln. Deswegen bin ich noch in Bremen.

Klingt entspannt.

Ja, bin ich. Ich muss heute noch nach Berlin. Dani, ich bin dir dankbar für deine Empfangsqualitäten. Ich hatte schon bei "Grenzenlose Freiheit" einfach ... da hab' ich mich empfangen gefühlt. Allein durch die Worte, die ich lesen durfte. Was du zu schreiben hast, wenn du dich mit meiner Musik beschäftigst ...

Obacht. Du hast ja die neue Kritik noch nicht gelesen.

Doch! Eben gerade! Ich bin schon wieder total baff, wie klar du das sehen und einordnen kannst.

Baah, coole Scheiße. Ich wachse jetzt nochmal zehn Zentimeter.

Ich hab' ja keine Ahnung, wer du bist, ne? Ey, aber anscheinend kennst du mich und verstehst mich. Bei all dem Scheiß, den andere Leute so schreiben, da ist das 'ne besondere Fähigkeit.

Die sind größtenteils halt einfach furchtbar jung, die Kollegen im Rap-Geschäft ...

Ob Rap-Geschäft oder andere Leute, die alles mögliche für irgendein Blatt rezensieren müssen ... oder sei es der Chefredakteur von ... Ey, is' auch egal, was die anderen machen. Speziell aufgefallen ist mir deswegen ja, was bei dir anscheinenend los ist, zwischen Ohren, Gehirn oder Gedankenzentrum und Schreibmuskel. Da passiert ja was. Haha!

Danke. Jetzt is' aber gut.

Ja, genau. Schluss mit der Lobhudelei.

Über dein letztes Album hat mal jemand geschrieben, du würdest "agieren, ohne jede Bezugnahme auf das, was derzeit Hip Hop in Deutschland zu sein scheint". Ich hab' den Eindruck, dass das bei "Immoment" nicht viel anders aussieht. Ist das so?

Ich finde, mit "Ich Bin Ichist" zieh' ich ganz klare Schlüsse aus den aktuellen Strömungen. Äh, nein. Ganz anders: Du hast vollkommen Recht - und es ist totaler Quatsch. Mich ödet es total an, dass diese Hip Hop-Vokabel immer benutzt wird, aber nicht definiert ist. Die Substanz, die Idee des Hip Hops, des Hip Hop-Bewusstseins, ist in der Öffentlichkeit nicht mehr existent. Es ist nur noch eine Marke, eine Schublade, ein Kasten, eine Schatztruhe - oder ein Sarg. Wie man es auch betrachten mag: Es ist total öde. Ja?

Da hörst du von mir keinen Widerspruch.

Der Pionierfunke hat einst im Hip Hop ein Feuer entfacht. Das brennt ja auch immer noch bei verschiedensten Leuten, die auch voneinander wissen. Die Hip Hop-Szene war mal klein, weil es eigentlich nur diese Funken-Menschen waren, die Feuer wollten. Dann will sich auf einmal auch das dumpfe Herdentier am Feuer wärmen. Und jetzt stehen sie da alle da rum und man muss in diesem Feuer alle mögliche Scheiße verbrennen, damit das Publikum nicht sagt: "Möööh, was ist denn hier los? Hier is' ja gar kein Feuer. Jetzt gehen wir weiter." Ist doch schon so. Jetzt stehen nur noch die Kleinsten am Feuer, und die Alten, die mal dachten: "Eeeeey, geil, Deutschrap!", die gehen jetzt auf Elektro-Partys, weil alle meinen, da ist das neue Feuer. Das ist alles eine Wellenbewegung.

In der Tat beschäftige ich mich dann nicht mit dieser Hip Hop-Welt. Ich verstehe unter Hip Hop eigentlich etwas ganz anderes als das, wofür die Vokabel benutzt wird. Wenn jetzt ... ach! Mit solchen Leuten Hip Hop-Gespräche führen, das ist der absolute Hass! Bewusstlosigkeit! Hip Hop ist eine Treppe, eine Idee einer Treppe, die man sich selbst baut. Man kann sich an den eigenen Haaren aus der Scheiße ziehen. Man kann ein Bewusstsein entwickeln, gemeinsam, kollektiv, im Austausch. Das hat mich hierhin gebracht. Die Religionen konnten nichts für mich tun.

Im Hip Hop hatte ich Gleichgesinnte, von gleich zu gleich, und doch waren wir so verschieden. Daran haben wir uns gerieben und uns gegenüber gestellt und gesagt: "Ich habe die Lösung. Ich hab' den geilen Style, ich hab' den freshen neuen Shit, next level shit, Alter!" Und dann steht man da gegenüber und muss entweder anerkennen, ja, der andere hats oder ich habs, oder, nee - wahrscheinlich haben wirs zusammen, den freshen Shit. Deswegen haben wir Features gemacht, früher.

Dahingegend kann man sich bei dem, was sich für die heutige Hip Hop-Jugend hält, aber einen Wolf reden. Die wissen es einfach nicht mehr. Wie du sagst: Hip Hop ist inzwischen eine Schublade. Früher war Hip Hop der, der vor dem Schrank stand, alle Schubfächer aufgerissen, in alle reingegriffen und aus dem, was er rausgezerrt hat, etwas Neues gemacht hat. Das tun meiner Meinung nach nur noch ganz wenige.

Das wird mir jetzt angelastet: Dass ich keinen roten Faden habe und dass "Immoment" keine Hip Hop-Platte sei. MTV sagt mir, wie vor vier Jahren bei "Weltschmerz": "Ey, wir findens super, aber wir haben kein Format, wo das reinpasst." Die haben original den selben Spruch jetzt gerade wieder gebracht, für "Manches Mal", die nächste Single. Das ist einfach so ... ja: Das ist ein Zeugnis der Armut.

Naja. Es ist ja nicht unbedingt eine Schande, etwas zu machen, das nicht ins Format von MTV passt.

Woah, das ist auch eine Perspektive, die ich teilen kann, ja.

Inwiefern glaubst du denn, dass du in dieser Szene, die sich heutzutage für Hip Hop hält, noch stattfindest? Kennt man dich noch?

Kannst du eingrenzen, was für ein Publikum du damit meinst? Die Leserschaft der Hip Hop-Bravo?

Genau. Diese Klientel ist wahrscheinlich nicht mehr deine Zielgruppe, oder?

Eigentlich gerade die. Ich ziele auf den Menschen an sich. Es ist mir nämlich scheißegal. Der Mensch an sich ist ein total verblödetes, bewusstloses Stück Hackfleisch, läuft in einem Hamsterrad und hat tierisch Angst, einfach mal aufzuhören oder da auszubrechen. Er läuft in seinem Käfig auf den Gitterstäben. Es ist ein Hamsterrad. Ich habe den Luxus, mich da ausgeklinkt zu haben, vor Jahren schon. Hab' mich dann nach dem Bruch mit F.A.B., vor der Therapiescheiße kurz mal eingeklinkt und gekuckt, ob ich nicht studieren soll. Dann hab' ich mich wieder ausgeklinkt. Jetzt bin ich schon wieder zehn Jahre im freien Fall unterwegs - oder eigentlich im freien Flug. Mit einem gewissen Backup von meinem Elternhaus: Die Sicherheit zu wissen, meine Eltern sind da, den Luxus haben viele meiner Artgenossen nicht. Dieser Support, das ist nochmal eine ganz andere Story ... Äh ... Ich verliere mich gerade kurz, ich fang' mich gleich wieder ein ...

Soll ich helfen? Ich glaube, ich hatte gefragt, wie du deine eigene Zielgruppe definierst.

Achso, genau. Die Zielgruppe, exakt. Ich hab' unterschiedlichste Menschen getroffen. Ich sehe sie sozusagen vor mir. Egal, wie alt sie sind: Menschen sind für mich Zustände. Das hat nichts mehr mit dem Körper zu tun. Der Geist kann sich sofort verändern. "Liebe deinen Nächsten" heißt für mich nur doch, der nächste, der du sein kannst. Ändere dich jetzt, umarme deinen Nächsten. "Umarme deinen Feind" heißt soviel wie "Umarme deinen Fehler." Lern' aus ihm, bau' ihn in dein Leben ein, und du wirst wachsen. Zielgruppe dieser Platte ist der gesamte Mensch im deutschsprachigen Bereich. Mein aktuelles Fazit ist: Wer je auf der Suche nach sich selbst war, kann uns finden. Alles spricht dafür, nichts dagegen zu tun. Nichts spricht dagegen, alles dafür zu tun. Es ist alles ganz einfach.

"Da tut dir dein Schwanz aber auch weh, Alter!"

Ich programmiere mich über Sprache, seit Jahren. Über meine Freestyle-Erlebnisse auf den Bühnen dieser Nation, oder auch in Österreich und der Schweiz, auch international, auch gerade durch diese Rap-Workshops für Pfadfinder. Zu erleben, wie Menschen ihre Sprache auf einmal neu begreifen und anfangen, mit ihr zu spielen, statt nur noch andere Sachen nachzuplappern, in sich rein zu hören, etwas sagen zu können, weil jemand mal gefragt hat: "Was willst DU denn eigentlich sagen?" Ey, das macht mich so fertig, was Rap angeht: Dass die Jungs sich gegenseitig nur noch ihren harten Schwanz zeigen wollen und sagen: "Ich hab' den härtesten und ich fick' dich in den Arsch ..."

... aber schwul will keiner sein.

Die sind alle schwul! Ey, wir sind alle schwul! Fakt ist doch: Diese ganzen Jungen, die dürften sich in der Natur eigentlich überhaupt nicht an die Frauen ranwagen, weil das Alphamännchen die verscheuchen würde. Die müssten alle aneinander rumfummeln und mal hinten den Darmausgang benutzen.

Machen wir uns nichts vor: In ihrer pickeligen Realität kommen die meisten von denen an die Frauen doch eh nicht ran.

Nee. Deswegen sind das ja so verzweifelte, ekelhafte Schreie, die sie in Richtung Welt der Weibchen absondern. Das hat ja nichts mit Mitgefühl zu tun. Die fühlen sich ja selber noch nicht mal mehr, wenn sie sagen: "Ich fick' dich so hart in den Arsch, bist du platzt." Da tut dir dein Schwanz aber auch weh, Alter!

Das weiß aber nur, wer es mal probiert hat.

Ja, aber ey, dann tut das doch, bitte. Gegenseitig. Das hab' ich ihnen bei Falk empfohlen. Ich hab' Anfang März ein Interview für Mixery gemacht. Falk hatte keine Möglichkeit, das zu schneiden. Ich hab' die Takes dann mal digitalisiert. Das geht die nächsten Tage in den Schnitt. Da diss' ich alle und empfehle ihnen, wenn sie ihre Texte real keepen wollen, sollen sie sich doch alle erst in den Arsch ficken, dann ihre Schwänze sauber lutschen, um dann gegenseitig ihre Mütter zu ficken, um sich dadurch selbst zu Hurensöhnen zu machen.

*Gacker* Ich möchte bitte einen Link, wenn das fertig ist.

Natürlich, sehr gerne.

Jetzt kommen wir doch mal dezent zurück zur Platte.

Jaaa.

Langweilig? Du magst nicht mehr über deine Platte sprechen, hmm?

Doch, mit dir schon. Ich bin nur so hart in Bewegung, gerade. Bei mir bricht alles um, ab und baut sich wieder auf. Das ist absoluter Starkstrom.

Soll das bedeuten, du willst aus allen Traditionen ausbrechen? Ich bilde mir ein, auf "Immoment" mindestens zwei ausgemacht zu haben: George Clintons ollen P-Funk und Bambaataa und seine Soul Sonic Force.

Ach, was?

"Peace, love, unity - and having fun" - das scheint doch einen großen Stellenwert zu besitzen.

JA! AUF JEDEN FALL!! Ich hab' das nie so studiert, ja? Ich hab' Bambaataa nie wirklich verfolgt. Ich hab' ihn zwar einmal in Berlin getroffen, als er bei Kraans [Kraans de Lutin, d. Red.] was aufgenommen hat, aber, ey, die Message ist doch wohl klar! Dass das der richtige Ansatz ist! Was soll denn daran schlecht sein? Und das im Kontext gesehen, wo die auf diese gemeinsame, kollektive Idee gekommen sind! In New York, das ist absolutes Ghetto gewesen. Ich war in solchen Gegenden in Dritte-Welt-Ländern. Ich hab' auch in New York dreckige Ecken gesehen, in den 80ern. Das hat nichts mit unserem deutschen Luxus zu tun. Auch die Armen hier: Das hat nichts mit unterdrückten Niggern zu tun, in fuckin' Amerika. Absolut nicht. Wir sind so eine ... aber wir wollten über die Platte reden.

Nö, jetzt reden wir über Bambaataa.

Es freut mich, dass das so von dir wahrgenommen wird. Ich habe in den letzten Monaten einfach folgendes getan: Ich hab' Ende Oktober mit den "Attersee"-Aufnahmen losgelegt. Das war meine erste Live-Band-Produktion seit Jahren und das erste Mal, dass ich mich sozusagen dafür entschieden habe: Okay, es wird ein FlowinImmo Et Les Freaqz-Album, ein Band-Album mit wenigen Zugaben. Eben zwei von mir produzierten Stücken: "Hormone" und "Kein Bock", das sind ja eher so Hybridproduktionen, die in verschiedenen Sessions von mir zusammengespielt wurden. Und andere Stücke sind dann eben mit kompletter Band.

Diese Platte ist samplefrei. Da sind keine Fremdmaterialien mehr bei. Aus der Idee, der Stille dieser Klang, und danach ist wieder Stille. Der Produktionsprozess war ein anderer, als bei meinen letzten Platten. Eher so, wie meine Meister, meine Vorbilder das getan haben. Ich hab' in den unterschiedlichsten Varianten gearbeitet. Bei "Immoment" ging mir darum, diesen Moment kollektiv zu erleben. Deswegen drifte ich auch immer so ab, wenn du mich über Stücke fragst, weil das für mich alles zusammenhängt. Es basiert alles auf einem Prinzip. Wir alle für uns.

Bisher hatte ich dich noch gar nicht zu einzelnen Stücken gefragt. Hatte ich eigentlich gar nicht vor.

Ja, oder zur Platte! Die ist dann auch wieder nur ein Stück. Ich bin damit sozusagen schon durch, auf eine Art. Die Platte ist für mich zwar noch nicht abgeschlossen. Durch den BuViSoCo [Stefan Raabs Bundesvision Songcontest, d. Red.] war da so viel Zeit- und Leistungsdruck auf der Leitung, dass das fertig werden muss. Das war auch gut, aber ... bla bla bla. Ich bin glücklich mit dem Ergebnis. Ich möchte das Album aber aufgrund seiner Substanz und des bestehenden visuellen Materials zum Ende des Jahres noch einmal überarbeiten. Sprich: 'nen Surround-Mix machen und das als DVD nochmal anbieten, als kondensiertes, weiter gewachsenes Ergebnis. "Immoment Danach", oder wie auch immer.

Ich wüsste jemanden, der das dann gerne besprechen würde.

Das ist gut.

Euer schändlich schlechtes Abschneiden beim Raab habt ihr demnach verkraftet?

Schlecht kann ich nicht sagen, denn wir haben die Doppel-Eins geholt. Wir waren in der Berichterstattung auf Platz drei. Nach Sieger und zweitem Platz war die bunteste Show des Abends meine. Das ist ein Achtungserfolg. Ich bin zum ersten Mal mit 'ner eigenen Single in die Charts gegangen, auch wenns nur eine Woche war und die unsere iTunes-Verkäufe nicht gewertet haben. Wir sind nur auf 72 rein. Anhand der Verkäufe wären wir eigentlich in den Top-30 gelandet. Es war mein eigener Fehler, ich hatte nämlich in dem Video auf YouTube gesagt "Jetzt bei iTunes kaufen." Dann war das zu viel, in der Woche, und sie haben aufgrund des Monopols des Anbieters nur 30 Prozent gewertet, keine Ahnung. Und dann hatten wir wieder zu wenig.

Weißt du? Das ist Musikgeschäft. Ich hab' jetzt zehn Jahre hinter mir. Die ersten fünf hab' ich mit Labels gearbeitet, das ist in einem Krampf geendet. Dann hab' ich mir gesagt: "Ey, nicht denken, sondern machen." Und jetzt, nach zehn Jahren, kam dann Daniel Sluga auf mich zu, mein alter Weggefährte, mit dem ich auch immer wieder in Kontakt war, und sagte mir: "Ey, du bist doch jetzt im Fernsehen. Denk' doch mal drüber nach, ob das nicht 'ne gute Idee wäre, wenn ich die Platte jetzt über meine Maschinerie rausbringe und man da einmal Druck auf die Leitung gibt." Und das macht ja alles Sinn. Und nu wurde Druck auf die Leitung gegeben. Und wenn der Druck dann verpufft und es lebt was, dann ist es ja doch kein Druck.

Da setz' ich mich immer wieder damit auseinander. Dadurch, dass ich in den letzten Jahren eigentlich eben nicht erfolgreich war. Andererseits war ich so erfolgreich, dass sich eigentlich sämtliche Kollegen abgemeldet haben und 'ne andere Perspektive suchen mussten. Weil es ihnen eigentlich um etwas anderes ging. Die sind alle weg, und ich bin mehr da denn je. Und mir geht es um das Ich und um das Wir, das danach kommt. Wenn man Ichist ist, sind wir mittendrin.

"Die Privatperson habe ich schon lange aufgelöst."

Wie passt das zusammen: Ichist sein wollen und sich dem Konglomerat einer Band unterordnen zu müssen?

Ein-ordnen gibt es für mich. Sich in ein Muster einordnen. Unter-ordnen - das Problem hatten wir gerade. Die Band gibt es als Begriff. Wer das begreift, eine Frequenz zu sein, die mit dem Flow schwingt ... die Menschen gibt es. Aber die Tour haben wir zum Beispiel nicht zuende gespielt. Die Band hat sich aufgelöst.

Oh. Warum?

Hehe, ja, das ... Ich hatte wochenlang gefragt, warum? was ist diese Band warum? Für wen ist diese Band was warum? Weshalb ist diese Band was für wen warum? Ich hab' die Frage intensiv und in verschiedensten Formen gestellt und darum gebeten, dass wir uns darüber unterhalten. Dieses Gespräch habe ich dann auch ein paarmal erzwungen, weil ich nicht mehr anders konnte. Weil ich da so tief drinstecke, schon mehr als die Hälfte meines Lebens. Die Hälfte meines Lebens steck' ich jetzt im Musikgeschäft. Die Privatperson habe ich dafür schon lange aufgelöst, für diesen Dienst, den ich für andere Menschen tun darf. Und die anderen Menschen haben scheinbar nicht kapiert, dass man das nicht für sich und sein beschissen kleines Ego tut, sondern für den Zustand, den wir gemeinsam bewusst erleben können. Und zwar den der friedlichen Einheit des gemeinsamen Füreinanders. Und sei es, dass wir zusammen auf den Fußballen tanzen und ein gemeinsamer Rhythmus uns auf eine Welle bringt. Wer die gemeinsame Welle nicht höher oder höherwertig einschätzt als den einsamen Verkümmerungsflash im eigenen Körper, wer die Connection zu den anderen nicht kriegt, zu unserer gemeinsamen Quelle, der ist eh bewusstlos.

Diese Connection gab es bei den Freaqz nicht mehr?

Anscheinend nicht.

Und das ist jetzt unwiderruflich vorbei?

Wenn man wieder ruft, sehr gut! Und zwar mit i-e! Man muss doch einfach wieder rufen! Sagen: "Hi, hier bin ich!" Und nichts dagegen sagen. Es spricht alles dagegen, nichts dafür zu tun. Ich habe lange e-Mails geschrieben. Ich habe Telefon, ich habe sehr laut um Gespräche gebeten und hab' dann auch angefangen zu schimpfen, wenn kam: "Määäh, so red' ich nicht ...", und ich sagte: "Du redest ja eh nicht mit mir!" Alles total brachial zuende gegangen, bevor die Platte überhaupt rauskam. Bevor ich sie fertig gemischt hatte, das ist ja der Wahnsinn! Deswegen ist es eigentlich doch schon wieder meine Platte. Die Menschen waren jetzt nur die Instrumente.

Das erzähl' ich dir jetzt als erste Externe. Musst du selbst entscheiden, ob du das mit reinfärben willst. Aber das ist der aktuellste Stand. Der William, der Will Kill, der Keyboarder, der hat in der Tat die Band gekillt. Der ist jetzt aber der erste, der sich als Woody Yes He Would wieder belebt hat. Also Will Kill, der Name ist Geschichte, er heißt jetzt Woody Yes He Would Kill You.

Ah, ja.

So haben die Kinder neue Namen, und es ist alles wundervoll. Es ist viel in Bewegung. Ich produzier' jetzt gerade die neue Platte einer Worldmusic-Combo aus Jena, bei Jazzanova im Studio. Ich bin seit sieben Jahren in Berlin, und jetzt darüber, über Jena-Menschen, lern' ich in Berlin die Jazzanova-Typen nochmal kennen, die '95 parallel zu uns, zu F.A.B., ihre "Real Dope Thing"-Platte bei MZEE Records rausgebracht haben. Damals sind wir uns auch mal über den Weg gelaufen. Wir sind Artgenossen, aber hatten jetzt nichts miteinander zu tun. Jeder hat zehn Jahre, oder vierzehn Jahre jetzt schon, sein Ding geschaukelt. Jetzt begegnen sich diese Menschen wieder und erkennen, dass ihre Ur-Motiovation, die sie dazu getrieben hat, ihre eigene Struktur zu basteln, noch immer da ist. Dass man mehr miteinander gemein hat, als je zuvor. Obwohl man gar nichts miteinander zu tun hatte. Das ist einfach geil! Und das in dieser verblendeten Hip Hop-Scheißerei. Die brauchen diese weiten Hosen ja, damit man die Windeln nicht sieht!

Hihi. Danke. Du lieferst mir eine Headline nach der anderen.

Ich bin dir dankbar für deine Reflektion, einfach. Weißt du, ich lös' mich auf in dieser Schwingung und muss dann das Baby sozusagen ... den Sarg zunageln und das CD-Master wegschicken. Ab dann fällt auf der einen Seite die Last von mir, aber ich bin auch leer. Und wenn ich dann nur Unverständnis und Ablehnung und Ignoranz dafür zurück kriege, dann ist das gutes Serum, von dir. Dass dann endlich mal jemand ... oh, yes! Wenige Menschen können das so klar und für mich ... ja ... einfach in Worte fassen. Begreifbar machen.

Wir wollten doch mit der Schleimerei aufhören. Aber danke.

Danke dir! Jeder, der je nach sich gesucht hat, kann uns finden. Du schreibet da aus einer Uns-Perspektive - geil.

Wir sollten mal anstoßen..

Ja! In welcher Stadt sitzt du denn.

Konstanz.

In Konstanz am Bodensee! Ich bin zu allen Schandtaten bereit. Ich bin eh demnächst wieder im Süden, am Attersee ...

Was hast du eigentlich mit dem Attersee? Zahlt dir die dortige Touristeninformation Prozente - und wenn nicht, warum nicht?

Ja, noch nicht. Die Prozente hol' ich mir in Naturalien ab. Ich war jetzt zweimal da und ich soll bitte gerne bald wiederkommen. Ich werde da jetzt auf den Spuren von Gustav Klimt und Christian Ludwig Attersee eine Schaffensphase einleiten, mich so langsam um den See wohnen und dort in Hütten die Aufnahmen editieren, die ich jetzt in den letzten Wochen und den nächsten Wochen gemacht habe und machen werde und werde dort zwischen den Festivalterminen gerne am Attersee mich kulinarisch verwöhnen lassen, Bergluft atmen, wandern gehen, tauchen lernen, windsurfen ...

Ey, das ist magisch! Ich habe einfach durch einen Zufall in einer Nacht einen Song namens "Urlaub Am Attersee" empfangen dürfen. Den Song wollte der Künstler nicht haben, als sein Geburtstagsgeschenk. Stefan Raab wollte ihn dann vier Jahre später in seiner Sendung aufführen lassen. In der Version, so wie ich sie in einer Nacht geschrieben und aufgenommen habe. Das hätte er so genommen. Ich habs dann nochmal mit der Band alles neu aufgenommen. Huaaah, bin mit denen zu fünft in die Sendung gegangen, weil wir eine gemeinsame Band sein wollten, und nach dem ganzen Kladderadatsch bleibt nicht viel übrig. Aber eigentlich doch alles.

Dem scheint mir nichts hinzuzufügen.

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