Als Ian Curtis, charismatischer und ein bisschen verrückter Sänger der britischen Band Joy Division, 1980 Selbstmord beging, war Gothic noch längst kein eigenes Genre und doch hatte es bereits eine seiner wichtigsten Ikonen verloren. "A house somewhere on foreign soil, Where ageless lovers call, Is this your goal, your final needs, Where dogs and vultures eat, Committed still I turn to go." Mit dunklen Lyrics wie diesen und einer spartanischen musikalischen Umsetzung trafen Joy Division die Gefühlslage derer, die sich Ende der 70er enttäuscht vom Punk abwandten um sich der melancholischen Seite des Lebens zu widmen.
Waren den ersten Bands wie Bauhaus, Siouxsie & the Banshees oder auch The Cure in den Anfangstagen ihre punkigen Wurzeln durchaus noch anzumerken, so entwickelten sie zusehends eine eigene Ästethik. Romantische Todessehnsuchtsliteratur, mittelalterliche Architektur und alles was sich sonst mit Mystik und Tod in Verbindung bringen lässt, waren und sind die Quellen aus denen Gothic sich speist. So kommen demjenigen der heute an Grufties denkt recht schnell weiß geschminkte Gesichter, auftoupierte Frisuren, ausladende Rüschenhemden und spitzzulaufende Schnallenschuhe in den Sinn. Dank dem Input von der britischen Insel hatte Gothic einen wichtigen Anteil am Boom der Independent Labels.
Bands wie The Cure, The Sisters of Mercy oder The Mission schafften es mit ihrem gitarren-getragenen Gothic Rock bis in die Charts und machten "Temple of Love" (The Sisters of Mercy) oder "Boys Don't Cry" (The Cure) zu Tanzflächenfüllern nicht nur wo Schwarzkittel den Dancefloor betraten. Bei den Wavern und Grufties jenseits des großen Teiches standen vor allem Christian Death hoch im Kurs. Bis Ende der 80er mit Faith and the Muse und London After Midnight neue Bands das Erbe von Valor und Rozz Williams antraten. In Europa wurden die 80er Jahre mit verstärkt elektronischen Sounds beschlossen.
Die Gitarren wurden zum Großteil in die Mottenkiste verbannt oder verloren ihre dominante Stellung im Gothic-Sound. EBM (Electronic Body Music), Industrial und Dark Wave hießen die Kinder der Gothicpioniere. Sie antizipierten das kommende Technojahrzehnt mit ihrer Vorliebe für Sampler, Drum-Machines, Vocoder und einer martialischen Ästhetik. Fortan wurden im 4/4 Takt zu Front 242 oder Project Pitchfork die Stiefel in den Dancefloor gestampft oder das Waverhaar schüttelte sich zu Ministry’s "Jesus Built My Hotrod2.
Doch die Untoten, wen wundert's, feierten ihre herbei gesehnte Wiedergeburt. Kurz vor dem Sprung ins neue Jahrzehnt waren mit Bauhaus, The Sisters of Mercy und The Mission die Crème de là Crème der alten Helden wieder live zu sehen.