"Das rhythmische Hopsen sieht seltsam aus" gehört zu den harmlosen Annäherungen! Die "Süddeutsche" titelt schon frecher: "Was blöde Leute gut finden: Jumpstyle, eine Tanzbewegung aus Belgien." Damit wäre sowohl der Begriff mit Inhalt gefüllt, als auch die Herkunft des Trends geklärt.
Obwohl der Tanz chronologisch erst nach der Musik entsteht, meint Jumpstyle vor allem die charakteristische Bewegungs-Choreographie. Die Musik dazu liefern Dance-Tracks, die zwischen 140 und 150 BPM pulsieren. Da geht das anstrengende Gehüpfe heftig auf die Kondition und mächtig auf die Knochen. "Bei uns ist eine Knochenhautentzündung ziemlich häufig", berichtet ein Jumpstyler gelassen, "dann muss man ungefähr vier Wochen Pause machen."
Großgeworden durch die Möglichkeiten des Internets, feiert der Tanzstil seinen Geburtstag im Belgien des Jahres 2006. Damals kursiert auf Youtube Patrick Jumpens Clip "Freefall", der den Geburtshelfer mimt. Die Mutter des Jumpstyle ist die französische Jugendkultur Tecktonik aka Vertigo aka Danse Elektro. "Ist bei Jumpstyle vor allem die Beinarbeit wichtig, dominieren im Danse Elektro die Arme die Choreographie", klärt jetzt.de-Redakteurin Julia Finger auf.
Bei Mutter Tecktonik und ihrem Sohn Jumpstyle handelt es sich also definitiv um ein europäisches Phänomen. Wie einst bei der Neuen Deutschen Welle haben die Vereinigten Staaten ihre Finger ausnahmsweise mal nicht im Spiel. Zur Zeit von "Jumping All Over The World" (Scooter, 2007) tanzt man sich vor allem in den Benelux-Staaten, Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien die Beine in den Bauch.
"Es macht richtig Spaß, sieht cool aus, ist körperlich anstrengend und nicht jeder kann es", umschreibt ein Mitglied der Brandenburger Jumpforce seine Liebe zum lustigen Hüpfen. Sein Freund ergänzt: "Wenn man einmal angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören. Jumpstyle ist wie eine Droge." Das finden auch Scooters holländische Bühnentänzer, die Scooter Jumpers, die mit ihrer Mischung aus Twist, Tornado Flip, Hook, Back Flip und Side Kick immer wieder stattliche Preise einheimsen. "Dank Scooter könnte das der Beginn einer weltweiten Bewegung sein", formuliert es einer der ihren.
Keine Szene ohne Helden - und man ahnt es aufgrund seiner mehrmaligen namentlichen Erwähnung bereits: Der Musik-Guru der Szene heißt H.P. Baxxter! Er verpasst der Bewegung mit "Jumping All Over The World" die erste Hymne. "Es ist einfach so, dass wir mit Scooter nicht die großen politischen Messages rüber bringen wollen", kommentiert Baxxter das Geschehen, und man ist geneigt zu sagen: Wo er recht hat, hat er recht! Aber lassen wir ihn ausreden: "Im Gegenteil. Alles ein wenig entspannter sehen, das Leben genießen und Spaß haben... das kann man durch Jumpen super zum Ausdruck bringen - insofern passen Scooter und Jumpstyle perfekt zusammen".
Scooters Pendant ist der tanzende Zeremonien-Meister Patrick Jumpen. Er stellt 2006 einen der ersten Jumpstyle-Clips in's World Wide Web und vermittelt in Internet-Kursen die richtigen und wichtigen Techniken. Als Profi unterscheidet er den Rotterdam-Style, den etwas kantigeren Hard-Style, den fließenden French-Tek und den besonders anstrengenden Belgian-Style.
Seit im flandrischen Club "Complex" anno 2008 jedes Wochenende mehrere Tausend Jumper um die Wette hotten, wird der Starstyle als Unterunterunterkategorie kommuniziert. Neben ihm tummeln sich Industrial Jump, Oldskool Jump und der German-Style. Diese Liste ist garantiert unvollständig, denn sie wächst pro Monat um gefühlte zwei Styles an.
Einfach drauf los tanzen ist natürlich nicht: Üben ist angesagt! Denn die meisten Moves folgen einer strengen Schritt-Choreografie. Außerdem ist Jumpen ein Gruppensport, der vom Synchron-Springen lebt. Auch das will gelernt sein! Aber keine Bange, Patrick Jumpen zeigt es euch.
Eine, die den Jumpstyle nicht so richtig ernst nehmen will, obwohl er für die Jumper natürlich kein vergänglicher Trend ist, sondern Orientierung stiftende Lebensphilosophie, ist die "Süddeutsche": "Trends sind ja nicht immer nur cool. Meistens ist es sogar andersherum: Blöde Leute finden etwas gut - und plötzlich ist es überaus erfolgreich", lautet ihr vernichtendes Credo.