laut.de-Kritik

So simpel. So billig. So irre. So effektiv.

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Hilflosigkeit macht sich breit, versucht man, das Phänomen Scooter zu fassen. Dass es sich bei dem seit nunmehr 15 Jahren unverdrossen Gebotenen um jeden Intellekt beleidigende Grütze handelt, wurde in dieser Zeit mannigfach festgestellt - und greift doch viel zu kurz.

Sicher, bei Scooter setzt man stets auf das bewährte Strickmuster. Alles andere bedeutete einen Schuss ins eigene Knie, katapultierte man sich so bisher doch tatsächlich - ebenfalls eineinhalb Jahrzehnte lang - mit jeder einzelnen Single in die deutschen Dance-Charts.

1-2-3-4. Bumm-Bumm-Bumm-Bumm. Bekannte Versatzstücke aus Kinderliedern, Traditionals des Kalibers "Scarborough Fair", Hits aus den 80ern bis heute, üblicherweise durch überdrehte Geschwindigkeit verfremdet, sorgen für Aha-Effekt und Wiedererkennungswert. Über all das brüllt ein altersloser Frontmann mit wasserstoffbleichem Bürstenhaarschnitt in ein Megaphon. Man kennts und schüttelt schwungvoll den Kopf seit "Hyper Hyper".

So simpel. So billig. So irre. So effektiv. Wer jemals in einem Club Platten drehte, weiß, dass sich mit einem wohl gesetzten Scooter-Track zur rechten Zeit auch die zivilisierteste Party in ein Tollhaus verwandeln lässt. Eine Hookline genügt. Scooter funktioniert. Es funktioniert, und das keineswegs nur in der Großraumdisco.

"I'm the lyrical Jesus." Oder doch nur "genius"? Egal, Klappern gehört zum Handwerk wie Größenwahn zum Geschäft. Und der Nazarener wurde zu seiner Zeit schließlich ebenfalls verkannt. Was H. P. Baxxter an ... in Ermangelung eines treffenderen Ausdrucks bleibe ich mal bei "Lyrik" ... Was H. P. Baxxter also an Lyrik unter seine Kirmestechno-Jünger plärrt, verdient das Prädikat "Sa-gen-haft!". Mit Bindestrichen.

"I rock the mic like a dark fiend / Something black coffee with sugar and cream." Und dann: "Coffee isn't my cup of tea." Original-Fundstücke aus "Jumping All Over The World", ich schwöre. Wenn das nicht dadaistisch ist, weiß ich auch nicht.

"You never know what's coming next." Stimmt genau. Zunächst servieren Scooter eine Platte wie gehabt. Ein bisschen Klassik, die Definition vom Hüpfen, damit der geneigte Konsument auch weiß, was er im Folgenden zu tun hat, und losgestapft. 1-2-3-4. Bumm-Bumm-Bumm-Bumm. "Get off your shirts and wait for further instructions."

"Enola Gay" verwurstet den gleichnamigen OMD-Titel, auch bei "Neverending Story" - einst von Ex-Kajagoogoo-Frontmann Limahl intoniert - spart man sich die Kreativität bei der Suche nach einem neuen Titel. "And No Matches" reitet Emilias "Big, Big World", nach Kambodscha entführte vordem Kim Wilde. So weit, so vertraut. "Here we go again." Was dann folgt, darauf war ich in der Tat nicht ansatzweise vorbereitet.

Bonustracks, die diesen Namen auch verdienen! Kollegen von der Bloodhound Gang über Sido und Andreas Dorau bis hin zu (kein Scheiß!) den Klostertalern legen "Hands On Scooter". Für drei dieser irrwitzigen Prachtstücke werde ich ohne zu zögern Geld ausgeben, sollten sie je in brauchbarem Vinyl-Format zu haben sein.

Grandios näselt sich Jan Delay durch den Moonbootica-Remix von "I'm Raving". Modeselektor und Otto von Schirach schreddern den Rhythmus des ollen "Hyper Hyper", als ob es kein Morgen gäbe, an dem K.I.Z. nach durchfeierter Nacht den bedauernswerten Fischhändler anbrüllen könnten: "Gib mir den Rollmops und den Hering und dann noch den Strohrum, den Jimmy und den Jack, dann falle ich tot um. Schafft mich weg." Schafft mich gleich mit weg. Lachtränen flossen literweise.

"The Ultimate Singles Collection" auf CD Nummer zwei nudelt anschließend ausgiebig die alten Hits noch einmal ab. "Hyper Hyper", "Jigga Jigga!", "Faster Harder Scooter". Von der gruseligen Aktion "Zopfigkeit meets Stumpfsinn" unter Beihilfe von Status Quo reden wir besser nicht. Die Hardcore Massive, die sich die Premium-Edition leistet, erwirbt zusätzlich den Mitschnitt einer gewohnt opulenten Scooter-Liveshow, aufgezeichnet in Berlin.

"The question is what is the question?" oder: Wie benotet man musikalischen Wahnwitz? "You know what? I don't know either!" Ob mein Urteil nun "großartig", "scheiße" oder "großartige Scheiße" lautet, die Botschaft bleibt vermutlich auch noch für die nächste Dekade bestehen: "Move Your Ass!", denn "I want to see you sweat." Wir alle wissen, so wird es geschehen, solange wir die Hauptdirektive nicht vergessen: "It's nice to be important. But it's more important, to be nice."

Trackliste

Jumping All Over The World - Whatever You Want

  1. 1. The Definition
  2. 2. Jumping All Over The World
  3. 3. The Question Is What Is The Question?
  4. 4. Enola Gay
  5. 5. Neverending Story
  6. 6. And No Matches
  7. 7. Cambodia
  8. 8. I'm Lonely
  9. 9. Whistling Dave
  10. 10. Marian (Version)
  11. 11. Lighten Up The Sky
  12. 12. The Hardcore Massive
  13. 13. The Greatest Difficulty
  14. 14. Bloodhound Gang - Weekend!
  15. 15. Sido - Beweg Deinen Arsch
  16. 16. K.I.Z. - Was Kostet Der Fisch?
  17. 17. Jan Delay & Moonbootica - I'm Raving
  18. 18. Klostertaler - Friends
  19. 19. Andreas Dorau - Aiii Shot The DJ

The Ultimate Singles Collection

  1. 1. Jump That Rock (Whatever You Want) ft. Status Quo
  2. 2. Jump With Me ft. Sheffield Jumpers
  3. 3. One (Always Hardcore)
  4. 4. Shake That!
  5. 5. Jigga Jigga!
  6. 6. Maria (I Like It Loud)
  7. 7. The Night
  8. 8. Weekend!
  9. 9. Nessaja
  10. 10. The Logical Song
  11. 11. Posse (I Need You On The Floor)
  12. 12. Faster Harder Scooter
  13. 13. How Much Is The Fish?
  14. 14. Fire
  15. 15. I'm Raving
  16. 16. Rebel Yell
  17. 17. Back In The U.K.
  18. 18. Endless Summer
  19. 19. Friends
  20. 20. Move Your Ass!
  21. 21. Hyper Hyper

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