laut.de-Kritik
Irgendwann nerven die erzwungenen Gleichnisse.
Review von Ben SchiwekVielleicht bin ich durch meine vielsemestrige Vergangenheit als Student sinnloser Geisteswissenschaften und somit viel Rumhängen in solchen Kreisen vorbelastet, aber: Etwas an Von Wegen Lisbeth geht mir zunehmend auf den Keks. Und auch, obwohl ich nie ein Fan der Band war, kann ich zumindest sagen: Die hatten schon auch catchy Songs und amüsante Zeilen. Wenn ich mir "Strandbad Eldena" anhöre, scheint das aber bald auserzählt zu sein.
Ein Merkmal, das viele an der Band zu schätzen scheinen, das mich aber – spätestens auf diesem Album – nervt, ist folgendes: Sie listen skurril spezifische Phänomene, Orte, Alltagsereignisse oder Personen der Popkultur auf, und dann versuchen sie meist noch auf Biegen und Brechen, im Text daraus einen Zusammenhang zu universellen Dingen in unserem Leben zu ziehen. An sich kein schlechtes Konzept, das auch schon einige Musiker:innen vor ihnen großartig gemeistert haben – beispielsweise Element Of Crime, in deren Doku auch Von Wegen Lisbeth über den Einfluss von Regener und Co sprechen. Aber bei Von Wegen Lisbeth wirken die Texte oft so, als wollten sie auf Krampf den "Haha, voll random!"-Button und zugleich den "Ey warte, ich kann damit ja voll relaten!"-Button junger Leute drücken.
Zu Beginn funktioniert das noch ganz gut: Der eröffnende Titeltrack besingt einen Badeort in Greifswald. Die beiden Protagonist:innen sind sich gewiss, dass dieses "Strandbad Eldena" kurz hinter der L26 nicht gerade das ultimative Urlaubsparadies, aber ein nahes Ziel ist, das in seiner Einfachheit glücklich machen kann – "Endlich wird die Auswahl wieder eingegrenzt". Schließlich zieht die Frage, ob das genug sei, "Du sagst, das reicht für dich – der Strand oder ich?", den Bogen dann gelungen in einen größeren emotionalen Kontext.
Wenn man das aber auf etlichen Tracks macht, reicht es dann auch mal irgendwann, beziehungsweise wirkt es zunehmend forcierter. "Madame Tussauds" hat wenigstens noch ein ganz amüsantes Konzept: Ein Song darüber, gerne ins Wachsfigurenkabinett zu gehen, weil man sich unter Menschen gesellen kann und dennoch alle schweigen. Niemand muss zu allem etwas sagen können, nicht einmal Promis.
Bei "Pluto" bröckeln die erzwungenen Gleichnisse dann. 2006 wurde Pluto von einem Planeten zum Zwergplaneten denunziert – und das soll mir nun illustrieren, dass das Leben unberechenbar ist und Leute sich täuschen können, auch nach etlichen Jahren Bekanntschaft? Aus der Anekdote hätte man doch sicherlich noch interessantere Aspekte herausziehen können.
Das Abfeuern halbwegs alternativ-alltäglicher Buzzwords in "Den Haag" mit Siebträgermaschine, zu viel Chili an der Suppe und der Staffel "Friends" erfüllt dann die Klischees, mit denen manche über Bands wie Von Wegen Lisbeth witzeln. Und Ende 2025 einen Song über "Mindset"-Influencer:innen zu schreiben, wirkt mittlerweile überholt; insbesondere, weil die Band da ausnahmsweise nicht mal versucht, einen Bezug zu irgendeinem anderen Thema herzustellen.
Genug Texte kritisiert, was ist mit der Musik? Leider ziemlich unspektakulär. "Evolution" macht mit seinem tanzbaren Groove Spaß, "Help Me Out" ist auch ganz nett. Aber abseits von ein paar coolen Gitarrenlicks lassen die meisten Songs einen nur träge herumwippen. Das befriedigt die Indie-Lässigkeit, die diese Musik sich so auf die Fahne schreibt, bleibt aber kaum im Kopf. Bis auf den nervigen "Ko-ko-ko-ko-Kokon"-Gesang, der wiederum leider an Mark Forsters "Kogong" erinnert.
Zwar zücken sie mal die Steeldrums oder – passend zu Songs wie "Pluto" und "Mars" – auch mal ein paar abgespacetere Synths und Gitarreneffekte, aber das rettet keine vorhersehbaren Melodien. Damit wird das Album gegen Ende immer langweiliger, sodass auch der Versuch eines energischeren Endes mit "Widersprüche" nicht zündet. Schlussendlich braucht ein Album, das betont lässig, random, aber auch deep sein will, einen charismatischeren Vortrag, als Von Wegen Lisbeth ihn liefern.


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