Porträt

laut.de-Biographie

Hauschka

In den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts macht das Siegerland nicht gerade viel her. Bausünde folgt auf Bausünde und graue Tristesse regiert die Siedlungen im grünen Mittelgebirge. Auch in kultureller Hinsicht ist hier meist Ebbe angesagt. An Weihnachten 1975 gibt es im kleinen Kreuztal allerdings ein weihnachtliches Klavierkonzert, das einen kleinen Jungen sehr beeindruckt. Die meisterhafte Darbietung von Chopin- oder Mozartstücken – die Pophistoriker widersprechen sich hier – beeindruckt den achtjährigen Volker Bertelmann sehr.

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Umgehend bearbeitet er seine Mutter, ihn für Klavierstunden an der Musikschule anzumelden. Frau Bertelmann folgt der Bitte ihres Sohnes und legt damit den Grundstein für einen der innovativsten Klaviermusiker der letzten Jahre. Als Hauschka wandelt Volker Bertelmann Jahre später auf Avantgarde-Pfaden und verliert dabei nie das Gespür für gute Popmusik.

Dem Siegerland entwachsen, flüchtet Bertelmann in den späten Achtzigern nach Köln. Dort versucht er sich an einem Medizinstudium, später an der Betriebswirtschaft. Beide Studiengänge leiden unter seinem großen Engagement für die Musik und ziehen letztendlich den Kürzeren. 1992 konzentriert sich Bertelmann ganz auf seine Musik, die zu dieser Zeit so gar nicht nach den Klavierexperimenten späterer Jahre klingt.

Als Teil der Rap-Truppe "God's Favourite Dog" hat er einen Hit, der die Majorlabels auf den Plan ruft. Als jedoch der weitere Erfolg ausbleibt, beschließt Sony Music, die Band wieder fallenzulassen. Der Karriereknick überträgt sich auch in Bertelmanns Privatleben: seine Freundin trennt sich von ihm, psychische Probleme zwingen den Musiker zurück zu den Eltern ins Siegerland.

Der Musik bleibt Bertelmann allerdings treu. 2004 besinnt er sich dann, mittlerweile in Düsseldorf beheimatet, auf seine langjährige Klavierausbildung zurück. Unter dem Pseudonym Hauschka – eine Anlehnung an den Kosmetikhersteller und einen böhmischen Komponisten desselben Namens – bringt er sein Debüt "Substantial" heraus, auf dem er die Überschneidungen zwischen klassischer Musik und Strukturen des Pop erforscht.

Hauschka arbeitet aber auch mit dem Instrument an sich. 2005 veröffentlicht er das Album "The Prepared Piano", das ihm bald Vergleiche mit dem britischen Experimentalmusiker John Cage einbringt. Ähnlich der Arbeitsweise von Cage, klemmt Bertelmann Kronkorken, Radiergummis oder Vibratoren zwischen die Saiten seines Flügels. Die Hämmer versieht er mit Alufolie, um einen gedämpften und elektronischen Klang zu erzeugen.

Ohnehin orientiert sich Hauschka an den Rhythmen elektronischer Tanzmusik. Nicht selten wundert sich das Publikum seiner Konzerte, wo er eigentlich den Laptop versteckt habe. Trotz der rigiden Struktur elektronischer Musik verliert Hauschka nie den Blick für verspielte Melodien. Auch spätere Alben wie "Ferndorf" oder "Foreign Landscapes" bewahren sich den spielerischen Zugang, der nach klassischen Vorbildern klingt. Seine zärtlichen Melodien erinnern oft an Erik Satie oder auch Claude Debussy.

Volker Bertelmann - Im Westen Nichts Neues
Volker Bertelmann Im Westen Nichts Neues
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Hauschka hält die Augen in alle Richtungen offen. Club-Größen wie Michael Mayer oder Matthew Herbert sorgen für Remixe seines 2011er Albums "Salon des Amateurs", während er zur selben Zeit mit der bekannten Geigerin Hilary Hahn eine Platte bei der Deutschen Grammophon herausbringt.

Mit seinen Klangexperimenten scheint Hauschka in Island einen besonderen Stand einzunehmen. Die Cellistin Hildur Guðnadóttir arbeitet mit ihm zusammen, Múm nehmen ihn mit auf Tour und auch Sigur Rós spielen die Alben des Düsseldorfers im Vorprogramm ihrer Konzerte. Sie alle verbindet vermutlich die häufig zitierte Melancholie der Inselbewohner.

In "Abandoned City" arbeitet Hauschka diese weiter aus, in schweren Moll-Tönen, begleitet von Cello und Bassklarinette, nur um sie dann zu packen und in tanzbaren Rahmen zu pressen. Selten war Hauschka so nah dran, sein Klavier direkt auf die Tanzfläche zu stellen. Trotzdem bleibt er seinem eklektischen Sound treu, der stets auf mindestens drei Ebenen gleichzeitig zu arbeiten scheint. Weitere Alben von Hauschka erscheinen mal bei City Slang ("What If", 2017) oder auch mal bei Sony Classical ("A Different Forest", 2019).

In den letzten Jahren verlegt Hauschka sich jedoch mehr und mehr auf Filmmusiken, die ihn auch unter seinem bürgerlichen Namen Volker Bertelmann bekannt machen. Unter anderen steuerte er zu Filmen wie "Hotel Mumbai" (2018), "Als Hitler Das Rosa Kaninchen Stahl" (2019) und "Monte Verità – Der Rausch der Freiheit" (2021) die Filmmusik bei. 2023 wird Bertelmann für die Musik zu "Im Westen Nichts Neues" mit einem Oscar ausgezeichnet.

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