22. September 2020

"Mike Skinner ist mein Held"

Interview geführt von

Seit ihrem Debüt "Brutalism" vor drei Jahren sind Idles extrem umtriebig. Höchste Zeit, endlich mit den Briten ins Gespräch zu kommen!

Neben mehreren internationalen Touren und Auftritten beim Glastonbury Festival steht am Freitag das dritte Studioalbum "Ultra Mono" in den Regalen. Das Gespräch gestaltet sich zunächst schwierig: Immer wieder bricht die Verbindung ins Vereinigte Königreich ab oder ist von Störgeräuschen durchzogen. Wir müssen das Gespräch deshalb manchmal unterbrechen. Idles-Sänger Joe Talbot nimmt die Komplikationen zwar gelassen, ist aber trotzdem eher kurz angebunden.

Hallo Joe, kannst Du mich hören?

Ja, immer mal wieder. (lacht)

Wie gehts?

Mir gehts super, danke der Nachfrage. Ich laufe gerade durch die Stadt. Und wegen der Verbindung muss ich vielleicht ab und an mal nachhaken, aber das ist schon in Ordnung, solche Sachen passieren halt manchmal.

Wie hast du die Zeit im Lockdown verbracht?

Ich gehe jetzt jeden Morgen spazieren. Ich war außerdem ziemlich beschäftigt damit, die Folgen für BalleyTV zu erstellen und anderen Bandkram zu organisieren. [BalleyTV ist eine von Talbot moderierte YouTube-Talkshow, bei der er mit anderen Musikern via Videochat die unterschiedlichsten Themen bespricht. Dabei waren bisher zum Beispiel Mike Skinner, Kate Tempest oder Billy Bragg, Anm. d. Red.] Dann promote ich natürlich das neue Album ... und wir arbeiten gerade schon am vierten Album.

Ihr arbeitet schon an einem vierten Album?

Ja genau. Weil wir gerade ja nicht touren können, ergibt sich für uns die Möglichkeit, viel mehr an neuen Songs zu arbeiten. Wir wissen, wie privilegiert wir in dieser Situation sind und deshalb wollten wir unsere Dankbarkeit zeigen und die Zeit nutzen, um neues Material zu schreiben.

Wie hast du die Corona-Lage bis jetzt in England wahrgenommen?

Eigentlich so wie die meisten anderen Leute auch. Ich bin ja in der glücklichen Lage, ein Dach über dem Kopf zu haben und weiterhin meinen Job machen zu können. Ich versuche, aktiv und dankbar zu sein, denn sehr viel mehr kann ich zurzeit nicht machen. Es gibt eine Menge Leute, die unter der aktuellen Situation leiden. Ich versuche einfach, die Regeln einzuhalten und weiterzumachen.

"Es sollte klingen wie eine Maschine, die reibungslos arbeitet"

Wie habt ihr an dem neuen Album gearbeitet? Ich habe gelesen, dass Mark [Bowen, Gitarrist der Band] von London und du von Bristol aus getüftelt habt.

Wir haben ungefähr im Januar letzten Jahres mit dem Songwriting begonnen. Wir haben erstmal nur Ideen hin- und hergeschickt und dann im September mit den Aufnahmen für "Ultra Mono" begonnen. Glücklicherweise hat uns Corona dabei nicht eingeschränkt, das kam ja alles erst dieses Jahr.

Kannst du mir mehr über die Zusammenarbeit mit KennyBeats erzählen? Er ist als Producer ja eher für seine Arbeit mit Hip Hop-Acts wie Vince Staples oder Jpegmafia bekannt. Wieso habt ihr euch für ihn entschieden?

Nick Laney war ein großer Einfluss. Wir finden, dass eine Menge Rock'n'Roll-Alben klanglich nicht neben den aktuellen Pop- und Hip-Hop-Produktionen bestehen können. Zunächst hatten wir nur das Konzept "Ultra Mono" als Albumtitel. Wir haben jeden Song so geschrieben, dass er zu diesem Konzept passt. Es geht darum, sich so zu akzeptieren, wie man gerade in diesem Moment ist, die eigene Entwicklung und Rückschläge zu akzeptieren.

Wir haben dann überlegt, wie man eine Einheit, ein Konzept vertonen, wie man ein ganzheitliches Album schaffen kann. Es sollte ein Sound der Selbstbestätigung und der Selbstsicherheit werden, es geht um Selfcare. Wir wollten einen ganzheitlichen, starken Gesamtsound, und das findet man eben vor allem oft im Hip Hop oder im Techno. "Ultra Mono" soll wie eine Einheit klingen, wie eine Maschine, die reibungslos arbeitet.

Erst kürzlich hast du mit Mike Skinner zusammengearbeitet. Wie kam das zustande?

Mike hat uns im British National Radio gehört und war direkt ein großer Fan. Als er dann mit seinem Kollabo-Projekt "None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive" begann, hat er uns gefragt, ob wir mitmachen wollen. Und wir haben die Gelegenheit natürlich sofort genutzt! (lacht) Mike Skinner ist einer meiner großen Helden! The Streets haben die britische Musik und die Kultur extrem verändert. Ich fühle mich sehr geehrt, dass er uns gefragt hat.

Wie war es, mit deinem 'Helden' zusammenzuarbeiten?

Es war genau so, wie ich es mir vorgestellt habe: Wunderschön, produktiv und es ging ziemlich schnell! (lacht)

Nochmal zurück zu "Ultra Mono". Ist das Album als ein Nachfolger von "Joy As An Act Of Resistance" zu verstehen?

Genau. All unsere Alben sind Teil eines großen Ganzen. Wir wollten ein Album schreiben, das den aktuellen Zeitgeist einfängt. Ich bin mir über die Position bewusst, in der wir gerade als Band stehen. Das neue Album ist eine direkte Reaktion auf "Joy". Es hilft uns hoffentlich dabei, unseren Erfolg, aber auch die Kritik an uns zu verarbeiten. Ein Album, das so aktuell und selbstsicher wie nur möglich klingt. Es soll der Höhepunkt der Idles sein.

Ich habe gelesen, dass der letzte Song "Danke" ein Tribut an Daniel Johnston ist ...

Wir haben "Danke" an dem Tag aufgenommen, an dem Daniel Johnston von uns gegangen ist. Ich wollte seine Lyrics mit ins Album einbringen, weil Daniel sehr einflussreich war. Seine Präsenz auf diesem Planeten war eine seltene und wunderschöne Zeit. Und daran wollte ich erinnern. Außerdem endet jedes unserer Alben mit einem Dankeschön. Diese Tradition wollten wir beibehalten.

"Gerade geht es darum, den alten Songs neues Leben einzuhauchen"

Wenn man sich das Album vorbestellt, bekommt man ein Ticket für eure Onlineshows dazu. Ihr bespielt dafür die weltberühmten Abbey Road Studios in London. Wie ist das für dich, online zu spielen ohne ein richtiges Publikum? Und dann auch noch an einem so geschichtsträchtigen Ort?

Unsere Haltung dazu ist, dass wir die Möglichkeit haben, eines der besten Studios dieses Planeten zu benutzen, mit einer langen Geschichte und einem musikalischen Erbe. Wir wollten unsere Plattform und die technischen Möglichkeiten nutzen, um in den Abbey Road Studios etwas zu erzeugen, das nicht versucht so zu tun, als wäre es eine Liveshow. Stattdessen ist es eine Liveperformance, die mit dem optimalen Sound aufgenommen werden kann und im besten Fall die Essenz und die Energie der Abbey Road Studios einfängt. Die Studios besitzen Legendenstatus, und deshalb verspüren wir mit unseren Shows natürlich auch einen gewissen Druck, dem gerecht werden.

Laufen die Proben anders ab als bei den Vorbereitungen für eine Tour?

Ja, wirklich extrem anders. Zum einen haben wir seit über acht Monaten nicht mehr live gespielt und erst vor zwei Wochen angefangen, für die Abbey Road zu proben. Gerade geht es tatsächlich wieder darum, die alten Songs zu lernen und ihnen neues Leben einzuhauchen. Ich bin natürlich nervös, weil ich die Shows gerne perfekt hinbekommen möchte. Aber wir sind während des Probens wieder sehr zusammengewachsen und glücklich mit dem, was wir tun. Das wird bestimmt toll, ich bin einfach sehr aufgeregt, dort zu sein und wieder für Leute zu spielen. Die Band ist gerade in Bristol, und ich bin in Cardiff, wir kommen aber immer wieder zusammen.

Nochmal eine Frage zum vierten Album, an dem ihr schon arbeitet, gibt es schon fertiges Material?

Wir haben einen Titel, wir haben auch schon ein Konzept und an fertigen Songs arbeiten wir gerade noch.

... und der Rest ist aktuell wohl noch streng geheim!

Yeah, absolutely. (lacht)

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