15. Juli 2011
"Lena? Wer ist Lena?"
Interview geführt von Artur SchulzIm Gespräch mit laut.de spricht Imelda May über besondere Fertigkeiten von Jeff Beck, die Bedeutung des Rockabilly und ein Zusammentreffen mit Michelle und Barack Obama.Mächtig Medien-Rummel herrscht im Vorfeld des Konzerts im Hamburger Knust. Im Vorlauf ist Imelda Mays Promo-Kalender prall gefüllt, viele Betreuer und Mitarbeiter schwirren umher. In meinem Fall ist noch nicht klar, ob ich meine Zeit vor oder nach dem TV-Team von RTL bekomme. Doch dann geht es ganz schnell.
Imelda taucht auf und bildet inmitten all der wuselnden Personen einen in sich ruhenden Pol. Sie ist klein, zierlich, und höflich. Das Wetter ist gut, ich frage, ob wir nicht gleich hier draußen im weitläufigen Vor-Areal des Clubs unser Gespräch unter freiem Himmel führen können - Imelda überlegt nicht lange, deutet auf Holzbank einige Meter vom Eingang entfernt, und wir nehmen Platz.
Hallo Imelda, schön, dass du dir kurz vor einem Konzert dennoch Zeit für Interviews nimmst. Stellt das keine besondere Belastung für dich dar? Die meisten Künstler ziehen sich direkt vor einem Auftritt doch gern zum inneren Sammeln zurück.
Ach, das ist für mich kein Problem! Ich spreche gern mit den Leuten, für heute Abend ist ohnehin alles vorbereitet. Und ich fühle mich so auf jeden Fall wohler, als wenn ich irgendwo stundenlang in einer dunklen Ecke auf den Auftritt warten müsste.
Dein Terminplan in diesen Tagen rund um die Deutschland-Gigs ist prall gefüllt. Wie war der gestrige Auftakt in Frankfurt?
Wundervoll! Ganz einfach nur wundervoll. Den Leuten hat es gefallen, uns hat es gefallen, es war proppevoll und von Anfang bis Ende eine großartige Stimmung. Ich mag es, wenn es voll ist. Und drinnen heiß und schwitzig!
Das ist dein zweiter Besuch hier bei uns. Hat sich was verändert, seit dem ersten Mal?
Oh ja. Es ist so, dass unsere damaligen Gigs mehr so einen Test-Charakter hatten. Kommt meine Musik, komme ich hier bei euch überhaupt an? Dafür gibt es ja schließlich keine Garantien. Diesmal ist es auch noch nicht übermäßig riesig, was die Clubs angeht, aber alles schon eine Nummer größer. Und, so weit ich bis jetzt weiß und gestern erfahren habe: Ausverkauft! So soll es sein. Ich gehe nicht nur auf eine Bühne, und ziehe da was ab. Die Leute wollen Spaß haben, und ich möchte auch Spaß haben. Bisher klappt das hier bestens. Was sich noch geändert hat: letztes Mal waren die Fans von der Stimmung her lustig drauf, diesmal sind sie vollkommen verrückt. Sie gehen einfach ab wie wild. Gut so!
Um uns herum tragen Mitarbeiter Gitter-Elemente nach draußen, direkt neben uns krachen sie scheppernd zu Boden. Imelda und ich erschrecken ein wenig, wir bekommen entschuldigende Handbewegungen übermittelt.
Oh je, ist das zu laut für dich? Willst du woanders hin?
Wenn es dich nicht stört ....
I wo. Die Jungs machen doch auch nur ihren Job. Und sie tun ihn für mich!
"Jeff Beck ist ein Genie"
In Sachen Style, und was die Musik angeht, bist du stark dem Gestern verhaftet. Warum, meinst du, gefällt das den Leuten?Ich mag das Gestern. Und versuche, es auf meine Art ins Heute zu transferieren. Ich möchte es zeitgenössisch gestalten und benutzen. Ohnehin gab und gibt es immer eine Menge Bands, die - wenn auch nicht so stark wie ich - ähnlich vorgehen, ähnliche Vorgaben haben. Die Arctic Monkeys etwa besitzen oft auch einen altmodischen Stil, sind vom Gestern beeinflusst. Man bringt solche Sachen einfach Up To Date, das ist alles. Ich habe Rockabilly schon immer geliebt, mein ganzes Leben, also war es nie eine Frage, was in meiner Musik passieren wird. Als ich jung war, ließ ich all diese Einflüsse auf mich wirken. Das machen auch Leute wie Jimmy Page oder Meat Loaf. Genauso liebe ich Blues, Country, Jazz, Skiffle, Ska, Folk - doch ich möchte nicht als altmodische, nostalgische Sängerin gesehen werden, die nur angejahrte Stile kopiert. Ich möchte sie in die Jetztzeit übertragen, und ihnen neues Leben einhauchen. Ich liebe Musik, ich lebe Musik. Anders geht es gar nicht.
Was macht den eigentlichen Zauber des Rockabilly aus, warum zündet und funktioniert er immer noch?
Zunächst einmal ist es wirklich wildes, wildes, wildes Zeug. Es hat damals sämtliche bestehenden Regeln gebrochen. Tief drinnen im Menschen liegt ein tiefes Bedürfnis nach dem Brechen allzu verkrusteter Regeln. Gerade, wenn man spürt, dass sich wirklich etwas verändern muss, braucht man einen entsprechenden Funken. Der Rockabilly besitzt diese Energie, dieses Feuer, um wirklich loslegen zu können. Da ist dieser Rebell in uns allen, der einfach rauswill aus Einengungen. Das war verschwunden für einige Zeit, damals, nach den Fünfzigern, aber nie wirklich tot - oder totzukriegen. Echtes Feuer brennt immer, auch, wenn es vielleicht zwischendurch nur mal so am Glühen ist. Man muss es eben nur wieder vernünftig entfachen.
Manchmal vermeine ich in dem einen oder anderen Song von dir Anklänge an die Stray Cats zu entdecken ...
....Ja! Das ist ein dickes Kompliment! Brian Setzer ist einfach wundervoll. Ich spielte für ihn den Opening Act in Frankreich, bei einem Konzert in Paris. Er ist ein so guter Mann, einfach brillant, und ich war so stolz, ihn kennenzulernen. Bevor es mit meiner eigenen Musik losging, habe ich neben all den anderen Sachen auch immer Stray Cats-Platten gehört. Ich liebe die Band, und wie sie zusammen - oder Brian solo - Musik machen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Jeff Beck?
Er ist ein sehr liebenswerter Mensch, er ist ein sehr guter Freund, und sehr süß. Eigentlich halte ich sogar für ein Genie. Als wir uns einmal trafen, griff er unvermittelt bei mir nach hinten, um den Kamm herauszuholen, der aus der Hosentasche schaute. Er grinste, und fing an, den Kamm wie eine Gitarre zu spielen ...
... das geht? ...
... und wie! Du glaubst nicht, was er da für Töne herausholte! Auf dem Kamm blasen, ja, das ist bekannt, aber was Jeff da machte, habe ich vorher - und nachher - nie wieder gehört. Unglaublich, was er alles drauf hat.
Wie kommst du eigentlich zu so einer Stimme, wie du sie hast? Sie kann zart und streichelnd sein, aber dann auch wieder vulkanhaft explodieren - helfen da womöglich Whisky und Zigaretten?
Keine Zigaretten! - Danke für die Komplimente. Ach, ich habe eigentlich nie etwas Besonderes für meine Stimme getan. Sie ist einfach da, und im Laufe der Jahre habe ich sie natürlich trainiert. Mit den ganzen Auftritten in kleinen Clubs, in all diesen Nächten ... sie ist gewachsen, hat sich entwickelt. Und du musst die richtigen Mädchen hören, um ein Gefühl für guten Gesang zu entwickeln. Janis Joplin! Wanda Jackson! Billie Holiday! Natürlich habe ich mir da was abgeschaut, von deren Art der Interpretation.
"Ich bekam eine exklusive Präsidenten-Box"
Vor einigen Tagen hattest du ein Erlebnis, das nicht vielen Künstlern zuteil wird. Du hast vor Barack Obama gespielt. Wie kam das zustande, und was hast du da erlebt?Es war irrsinnig, eine der fantastischsten Sachen in meinem Leben. Obama war auf Staatsbesuch in Irland, und am Nachmittag gab es einen Staatsempfang für ihn und seine Frau im College Green. Auf einmal erhielt ich die Meldung, dass ich dazu eingeladen bin - und einen Song singen soll. Natürlich bin ich sofort dorthin, und wollte es die ganze Zeit eigentlich nicht glauben. Es war eine besondere Atmosphäre, natürlich. All das ganze Umfeld, die ganzen anderen Gäste - Sportler, Schauspieler wie Daniel Day-Lewis - fantastisch. Ich habe dann also "Johnny Got A Boom Boom" gespielt ...
... und hat es ihm gefallen?
... Ja! Das sagte er mir zumindest. Denn hinterher hatte ich die Möglichkeit, mit ihm und seiner Frau Michelle zu sprechen. Gemeinsam mit anderen haben wir dann für ein Foto Aufstellung bezogen - ach, so etwas erlebt man nicht alle Tage! Und dann erst das Geschenk von den beiden! Ich bekam eine exklusive Präsidenten-Box. Randvoll mit M & Ms.
Bitte? Etwa diese bunten Schoko-Linsen? Von Obama?
Ja! Von Obama! Ich bekam sie persönlich überreicht, eine ganze Box, mit hochoffiziellem Präsidenten-Logo verziert! Ich fragte: "Was ist da drin?" Er sagte: "M & Ms!" - "Oh, wirklich?" (lacht lang und anhaltend). Es war ein so besonderer Tag, ich sag' es dir! Ich hatte auch die Gelegenheit, mich mit Michelle etwas länger zu unterhalten. Ich wusste, das sie aus Chicago stammt, und fragte sie, ob ihr der Name Chess Records etwas sagt - ein altes Plattenlabel, bei dem unter anderem Muddy Waters, John Lee Hooker, Bo Diddley und viele Andere unter Vertrag waren. Sie kannte es, und wir unterhielten uns eine ganze Zeitlang über all diese großen alten Stars. Sie war da nicht uninformiert.
Hast du eigentlich den Eurovision Song Contest verfolgt? Interessiert dich sowas überhaupt?
(Legt die Stirn in Falten) Ooooooooooooh. Oooooh. Nein, ich habe es nicht gesehen. Ich war mit meinem Mann in unserem neuen Haus - und wir hatten an diesem Tag noch keinen funktionierenden Stromanschluss. Da ging noch gar nichts, also auch kein Fernsehen. Wir saßen vor dem offenen Kaminfeuer, und spielten gemeinsam Gitarre. Ich glaube, wir hatten also auch ohne diesen Song-Contest eine wundervolle Nacht.
Dein Interesse daran scheint sich ohnehin in Grenzen zu halten. Aber vom letztjährigen Sieg unserer Lena hast du sicher etwas mitbekommen? ...
... Lena? Wer ist Lena? ...
... du kannst damit also wirklich nichts anfangen? ...
... ach, es ist einfach so, dass all sowas tatsächlich an mir vorbeigeht! (Lacht) Das ist aber nicht böse gemeint - ich bekomme einfach nicht alles mit, was da so in der TV-Welt alles passiert.
Von außen ist spürbar, dass unsere Gesprächszeit längst abgelaufen ist. Ich bitte für einen Kollegen noch um ein Autogramm. Imelda gibt sich sichtlich Mühe mit der Formulierung und drückt zum Schluss lächelnd einen Lippenstift-Kuss auf das Blatt Papier. Sie versteht es nur zu gut, ihre Fans fest an sich zu binden.
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