19. Mai 2014

"Ich habe mich nie für sonderlich talentiert gehalten"

Interview geführt von

In wenigen Tagen darf sich die Altherren-Rockgemeinde über die Veröffentlichung der komplett neu überarbeiteten ersten drei Led-Zeppelin-Alben freuen. Das ist aber erst der Anfang. Auch die danach folgenden Studiowerke der Band sollen demnächst in neuem Glanz erstrahlen. Natürlich wurden nach der Ankündigung vor einigen Wochen sofort kritische Stimmen laut. Muss das sein? Braucht die Welt ein Finetuning der vielleicht einflussreichsten Alben der Rockgeschichte?

Jimmy Page ist sich jedenfalls sicher, dass der von ihm höchstpersönlich überwachte Remaster-Marathon jeden Tropfen Schweiß, der in den vergangenen zwei Jahren vergossen wurde, wert war. Die Ankündigung zahlreicher bisher unveröffentlichter Live-Mitschnitte, Demos, Outtakes und alternativer Song-Versionen, lässt eingefleischte Fans der britischen Rock-Legende jedenfalls schon im Vorfeld genüsslich mit der Zunge schnalzen. Mitte April 2014 lud Warner in Berlin zur exklusiven Listening-Session einiger ausgewählter Songs. Wir waren dabei – und Jimmy Page auch.

Berlin, Köthenerstr. 38: Etwas abseits des Potsdamer-Platz-Trubels drücken sich sechs ionische Säulen gegen eine Hauswand, hinter der mehr als nur einmal Musikgeschichte geschrieben wurde. Das wissen nur die wenigsten, und so zücken hier nur Branchen-Kenner und Musik-Archäologen kurz vor dem Verschwinden im nahegelegenen S-Bahnhof noch einmal die Kameras.

Der Meistersaal ist nur Insidern bekannt – eigentlich ein Unding, wenn man bedenkt, wie lang die Liste der High-End-Künstler ist, die in den Achtzigern und Neunzigern hier zur Hochform aufliefen. U2, David Bowie, Depeche Mode, Nick Cave, Bon Jovi: Noch Fragen? Sie alle haben in dem mittlerweile denkmalgeschützten Kammermusiksaal, der zwischen 1976 und 1990 den berühmten Hansa Studios als Zuhause diente, einen Abschnitt ihres musikalischen Schaffens verewigt.

Man hätte also keinen besseren Ort finden können, um einen Mann wie Jimmy Page gebührend in der Hauptstadt zu empfangen. Der Grund für den hohen Besuch: Led Zeppelin werden Anfang Juni 2014 den Beginn eines Re-Release-Marathons feiern, der am Ende das komplette Erbe der Band in einem neuen Licht erstrahlen lassen soll.

Derartig pompöse Ankündigungen kennt man zur Genüge. Ein bisschen Puder hier, ein bisschen Faltencreme da. Obendrauf noch die eine oder andere mehr oder weniger nahrhafte Rarität, und schon rollt der Rubel. Im Fall der ersten drei Led Zeppelin-Werke sind sich die gut 20 anwesenden Journalisten allerdings bereits im Vorfeld der Playback-Session sicher: Hier wird anders aufgetischt. Die ausgesuchte Location, das elitäre Brimborium-Vorprogramm – inklusive Sektempfang und gereichter Feinkost-Häppchen – sowie der persönliche Auftritt von Jimmy Page, sprechen eine deutliche Sprache. Drei große Leinwände, eine extra für diesen Anlass aufgefahrene Sound-Anlage, sowie ein kleines Podest inmitten des Saals sorgen bereits beim Eintreten für große Augen.

"Es war eine Hundsarbeit"

Knapp zehn Minuten später ist es dann soweit: Eine knappe Dreiviertelstunde lang dröhnen geschichtsträchtige Riffs und ekstatische Robert-Plant-Shouts durch die Boxen. Bereits die eröffnende Liveversion des Doppelpacks "Good Times, Bad Times/Communication Breakdown", lässt den Großteil der Zuhörer mit den Füßen wippen. Die sich bis dahin noch Zurückhaltenden klinken sich spätestens während des anschließenden Rough-Mixes von "Whole Lotta Love" ein. Danach gibt es kein Halten mehr.

Songs wie "Gallow Pole", "Immigrant Song" oder das abschließende Blues-Highlight "Keys To The Highway" sorgen vor, neben und hinter uns für Schnappatmung: "Mit so einer Anlage im Rücken, klingt aber auch jeder Song geil", flüstert mir ein Kollege ins Ohr. Ja, mag sein. Hier und heute liegt es aber weniger an der immensen Wucht der Klang-Präsentation, sondern vielmehr an vielen kleinen Neuerungen innerhalb bekannter Muster, dass selbst die unbeteiligten Kellner im Hintergrund nicht mit dem Kopfnicken aufhören können.

Die Stimmung ist dementsprechend euphorisch, als im Anschluss der Listening-Session Englands Moderartor-Ikone Alan Bangs in Richtung Podest schlendert und auf halber Strecke die Hauptperson des Abends begrüßt.

Auf der kleinen Bühne entsteht ein amüsantes Bild. Während Alan Bangs im Schlabberlook - inklusive John-McEnroe-Gedächtnis-Stirnband und Turnschuhen – noch einmal explizit an den Mode-Alltag der Led-Zeppelin-Hochzeiten erinnert, empfängt der Erfinder des Rockriffs sein Mikrofon in schnieker schwarzer Abendgarderobe.

Was folgt, ist ein ausgedehnter Plausch über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der wohl einflussreichsten Rock-Band aller Zeiten. Dabei beansprucht die Vergangenheit natürlich die meiste Redezeit. Es sei eine Hundsarbeit gewesen, all die Archive zu durchforsten, um das auf die Beine zu stellen, was demnächst in die CD-Regale kommt, so ein sichtlich entspannter Jimmy Page.

"Ich bin nicht der, der Entscheidungen trifft"

Das meiste Material fand er vor der eigenen Haustür. Das eine oder andere Schmankerl bekam der Gitarrist aber auch von außen zugesteckt: "Die Live-Sachen habe ich beispielsweise in Japan ausfindig gemacht. Uns wurden ja seinerzeit viele Aufnahmen gestohlen. Einige Songs wurden mir auch von Robert (Plant) zugespielt. Im Großen und Ganzen ist dieses Re-Release-Paket aber auf meinem Mist gewachsen. Ich habe gesucht, ich habe gefunden und ich habe auch bei jedem Song hinter den Reglern gesessen", berichtet der Mann, der sich auch heute noch darüber wundert, dass sein Name in nahezu jedem Musik-Geschichtsbuch auftaucht: "Ich habe mich nie für sonderlich talentiert gehalten. Der Name Led Zeppelin ist nur deshalb so groß geworden, weil wir im Kollektiv zu großen Taten im Stande waren", gibt sich Page bescheiden.

Vor allem in den letzten Monaten sei ihm immer wieder bewusst geworden, wie kreativ und kraftvoll er und seine Kollegen während der ersten Bandjahre zu Werke gingen: "Das hatte schon was Magisches", sagt der Vater dreier Teenager-Kinder.

Jimmy Page kommt aus dem Schwärmen kaum heraus. Von Attitüde, Energie und einem unvergleichlichen Spirit ist die Rede. Der mittlerweile 70-Jährige ist natürlich ein Voll-Profi. Immer wieder schmückt er die Erinnerungen an vergangene Tage aufs Neue aus. Sein Wortschatz ist so ausgeprägt wie sein Gitarrenspiel. So kommt es nur selten zu ermüdenden Satzwiederholungen: "Diese Songs sollten nicht analysiert werden. Sie sollten einfach nur so laut wie möglich aufgedreht werden. Es geht um die unbändige Kraft, die hinter all diesen Momenten steckt", schwärmt der Gitarrist.

Eine derartige Huldigung ist jedoch nicht vonnöten. Eine halbe Stunde zuvor konnte sich schließlich jeder der Anwesenden von der immensen Power des neuen Materials selbst überzeugen. Es kommt also wahrlich Großes auf die lechzende Led-Zep-Gemeinde zu.

Ob sich die Band allerdings je wieder auf einer Bühne zusammenfinden wird? Darauf weiß auch Jimmy Page keine Antwort. An ihm solle es jedenfalls nicht scheitern. Er habe sich schon gewundert, dass in den sieben Jahren nach dem glorreichen London-Gig keine weiteren Live-Planungen ins Auge gefasst wurden: "Ich schreibe immer noch Songs und bin mit dem ganzen Herzen bei der Sache. Aber ich bin nicht der, der Entscheidungen trifft." Schade eigentlich.

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7 Kommentare mit 14 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Ich bin ja gespannt, ob es wirklich so Atemberaubend sein wird!
    Aber eine Konzerttour wäre natürlich DER HAMMER!!!
    Ich muss gleich wieder die alten Alben hören. Whole lotta love!

  • Vor 10 Jahren

    bescheiden, das gefällt! cd war auch der hammer!

  • Vor 10 Jahren

    Fuer mich ist ER der beste Gitarrist der Welt. Und nicht Hendrix. Hendrix war vll zur richtigen Zeit da, doch kann er Page nicht das Wasser reichen.

    • Vor 10 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 10 Jahren

      Ist es nicht ein bißchen sehr unfair, einen Riesen mit demjenigen zu vergleichen, der auf seinen Schultern steht? Wenn man die Aussage rumdreht, wird wahrscheinlich viel eher ein Schuh draus: Jimi Hendrix schnappte sich den Blues der bereits älteren Herrschaften wie T-Bone Walker (wahrscheinlich), B. B. King, Albert King, Muddy Waters (alle drei aber so was von sicher!), kombinierte deren Musik mit seinen eigenen Vorstellungen von Klang, seiner Improvisationsgabe und dem aktuellen Stand der Technik. Man darf davon ausgehen, daß er noch deutlich weitergegangen wäre, wenn er nicht in anderer Hinsicht zu weit gegangen wäre. Sicher ist allerdings, daß er die Ansprüche von Gitarristen an ihre Arbeitsgeräte deutlich nach oben schraubte.
      Jimmy Page war bereits mit den Yardbirds ordentlich gefordert - immerhin mußte er dort die Schule durchlaufen von Eric Clapton und Jeff Beck, um den Stücken seiner Vorgänger/Mitmusiker gerecht zu werden, und die Sachen der Yardbirds waren nun wirklich eine Angelegenheit, die häufiger mal mit dem Standard der damaligen Zeit brach. Darüber hinaus konnte er die Musik von Jimi Hendrix studieren und sich von ihr inspirieren lassen; man kann fest davon ausgehen, daß er genau das tat. Hendrix hatte zum Zeitpunkt seines Todes bereits ein ordentliches Stück weg zurückgelegt, Page war sicher einer der ersten, die von Hendrix', Claptons und Becks Vorarbeit enorm profitierten, und sei's auch nur durch die gehobenen Ansprüche an Gitarren und Technik.
      Erschwerend kommt bei Page noch hinzu, daß sich Led Zeppelin sehr häufig ... ähm ... sagen wir mal: sie ließen sich an entscheidenden Stellen teilweise sehr intensiv von bereits existierendem Material inspirieren. Das gilt auch für Gitarrenläufe oder Arrangements.
      Ohne Led Zeppelins Bedeutung an sich in irgendeiner Weise schmälern zu wollen: der Genius dürfte Jimi Hendrix gewesen sein, Jimmy Page ist eher der perfektionistische Schüler der ersten Generation, der aus den Erfahrungen des Genius' und seiner Mitmusiker gelernt und deren Errungenschaften auf eigene Rechnung zurechtgefeilt hat.
      Gruß
      Skywise

    • Vor 10 Jahren

      Sei geknuddelt, Skywise.

    • Vor 10 Jahren

      Bis auf drei-vier Ausnahmen war Jimi Hendrix allerdings nie der beste Songwriter. Vielleicht hatte Hendrix ein wenig mehr Magie in den Fingern, Page dafür sehr viel mehr im Kopf.

      Insgesamt kann ich mich der großen Hendrix-Begeisterung - auch als Gitarrist - nicht anschließen. Ihm gehören definitiv Kapitel in den Büchern der Musikgeschichte gewidmet, ohne Frage. Page hatte eine sehr viel stärkere und längere Sturm- und Drangphase, die auch nur wenig nachgelassen hat über die Zeit. Hendrix' Kreativität blitzte nur sehr kurz und in unterschiedlicher Intensität auf. So hat er es nie geschafft, ein durchgängig gutes Album aufzunehmen, und das letzte Material vor seinem viel zu frühen Tode war auch eher unterdurchschnittlich.

    • Vor 10 Jahren

      Tja die einen sagen Hendrix, die anderen Page. Ich sag Iommi.

    • Vor 10 Jahren

      Für mich ist David Gilmour einer der ganz großen Gitarristen, aber auch er ist in die Fußstapfen von Chuck Berry, Wilson Pickett und Jimi Hendrix getreten. Es gibt viele gute Musiker an der Gitarre, Page gehört definitiv dazu, aber die Weichen wurden von anderen gestellt.