9. Dezember 2013
"Ich wollte dieses Statement gegen Homophobie"
Interview geführt von Simon LangemannDass man sich von der Gruppe Messer noch so manch düsteres Meisterwerk erhoffen durfte, stellte Mitte 2012 das gefeierte Debüt "Im Schwindel" klar. Nun legten die Münsteraner bereits ihr Zweitwerk "Die Unsichtbaren" vor, das den Erstling locker in den Schatten stellt.
Grund genug, sich ausführlich über die aktuelle Platte zu unterhalten. Und auch so hatte Sänger Hendrik Otremba viel zu berichten - über die Arbeit mit Produzent Tobias Levin, Albumpromo als Abenteuer, das Musikvideo-Statement gegen Homophobie und und und. Genug Gesprächsstoff für ein ausführliches Skype-Interview.
Erst mal herzlichen Glückwunsch zum Rummel um die neue Platte. So kann man es ja durchaus bezeichnen, oder?
Ja, da gibts einen gewissen Rummel, das stimmt.
Wie fühlt es sich denn an, fünf Tage nach Release?
Es fühlt sich total super an, weil wir gestern oder vorgestern die Nachricht vom Label bekommen haben, dass die Platte schon weg ist. Sowohl die CD als auch die LP werden mittlerweile nachgepresst.
Ich war am Wochenende in Hamburg unterwegs und habe die LP gesucht. Bei Hanseplatte hatten sie sie noch gar nicht, beim nächsten Laden war sie bereits vergriffen. Beim dritten hab ich sie dann endlich gefunden, aber das war einen Tag nach Veröffentlichung.
Da muss ich gleich mal mit dem Label schimpfen, dass sie bei Hanseplatte noch nicht da war. (lacht) Wir haben jedenfalls schon 1.000 LPs verkauft, nicht an Kunden, sondern an Händler. Das heißt, die Platte ist zwar noch nicht ausverkauft, aber das Label hat keine Exemplare mehr. Das ist nach vier Tagen natürlich der Hammer. Damit haben wir nicht gerechnet. Bei "Im Schwindel" hat es ewig gedauert, bis die erste Pressung weg war.
Wir wussten, weil wir vorhin schon eine gewisse Aufmerksamkeit hatten, dass da bestimmt auch wieder Presse kommt. Und wir arbeiten mit einem fitten Management zusammen. Da wussten wir schon, dass die bestimmt coole Interviews an den Start bringen. Es gab aber unabhängig davon ein riesiges Interesse, das gar nicht übers Management lief. Ich habe aufgehört zu zählen, bei all den Interviews in den letzten Wochen.
Das Ganze hat richtig Spaß gemacht. Es war teilweise natürlich kräftezehrend, gerade wenn es so marathonmäßig abging. Aber alles in allem geht es uns darum: Wir wollen einen Dialog erreichen, mit dem was wir machen. Wir wollen wissen, wie das ankommt, wie die Leute darüber denken und was das bewegt.
Dass den Künstlern so eine Promophase Spaß macht, hört man auch eher selten.
Es ist halt ein Abenteuer. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es in drei Jahren mal nervt. Es gab zwischendrin nervige Sachen, die gar nicht gingen. Aber das meiste war cool.
Du hast eben von Label und Management gesprochen. Eure Platten erscheinen bei der kleinen Plattenfirma This Charming Man - wer managt euch denn?
Wir sind bei Beat The Rich!, was ich auch immer noch nicht ganz verstehe. Die haben ja acht Künstler, darunter K.I.Z., Casper und Kraftklub. Mit unserer Mucke verdient man dagegen keine fette Kohle, wir sind ja keine Stadienfüller. Daher habe ich am Anfang nicht kapiert, was die von uns wollen. Dann habe ich Beat mal ganz konkret gefragt, bei mehreren Bierchen, was das denn soll. (lacht) Und er meinte halt so: Wir haben Bock drauf.
Wir haben in der Band ein bisschen die Theorie, dass der in uns vielleicht eine Herausforderung sucht, weil bei dem einfach alles so gut funktioniert. Wir sind schließlich nicht so gut zu vermarkten. Aber wir sind sehr glücklich mit denen. Wir verstehen uns alle sehr gut. Sie wissen auch, was mit uns gar nicht geht. Gesucht und gefunden, könnte man sagen.
Gab es einen gewissen Punkt, an dem du gemerkt hast, dass euer düsterer, zuweilen sperriger Sound derart viele Menschen ansprechen könnte? Ich kann mir vorstellen, dass euch das anfangs alles andere als bewusst war.
Nee, war es nicht. Wir hatten auch nie Ambitionen, erfolgreich zu werden. Zumindest nicht erfolgreicher, als mit unseren anderen Bands. Wir haben einfach gemacht. Vier Freunde mit gemeinsamer musikalischer Biografie und Sozialisation. Wir haben einfach angefangen. Und dann gabs bei der ersten Platte diese Aufmerksamkeit, dann merkte man so: Krass, wir hatten nie daran gedacht, dass das so intensiv wird. Aber ist ja schön, ist ja was Gutes.
Es gab mehrere Momente, in denen ich das wahrgenommen habe. Am Anfang wurden wir von einem erweiterten Freundeskreis wahrgenommen. Leute aus unserem Umfeld, Leute hier aus Münster, Leute aus der DIY-, Punk- und Hardcore-Szene. Das heißt, die meisten kannte man irgendwie über Umwege. Auf einmal standen Leute vor mir, die ich noch nie gesehen hatte, und die erzählten, was ihnen das bedeutet. Die wollten dann Autogramme, da denkt man auch niemals dran.
Dann gab es mal eine witzige Situation auf einem Konzert in Köln, das war das erste Monsters Of Spex. Wir haben diesen Song "Abel Nema", der sich auf eine Romanfigur aus "Alle Tage" von Terezia Mora bezieht. Vor der Bühne stand ein junger Typ und hat die ganze Zeit geschrien: TEREZIA MORA! TEREZIA MORA! Der hat mir dann nach dem Konzert erzählt, er sei eben ein Riesenfan von Terezia Mora und fände es cool, dass irgendeine Punkband jetzt einen Song daran anlehnt. Und da merkst du plötzlich, dass eine intensive Auseinandersetzung mit deinen Sachen stattfindet.
"Ich habe hier die schnulzigsten Platten stehen."
Ihr lebt in Münster, stammt ursprünglich aber aus dem Ruhrgebiet.
Genau. Pascal [Gitarre, d. Red], Philipp [Drums] und ich sind aus dem Ruhrgebiet. Pogo [Bass] stammt aus einem Kaff, eine Stunde von Münster. Er und Pascal wohnen auch hier in Münster, Philipp mittlerweile in Hamburg. Ich hab erst in Bochum studiert, dann wollte meine Freundin nach Münster ziehen, weil sie hier ein Studium angefangen hat. Dann sind wir einfach hierher gezogen, ich habe hier auch meinen Master gemacht. Ich wollte sowieso gerne nach Münster, weil ich keine Lust mehr auf Recklinghausen hatte.
Als ich dann hier war, habe ich gemerkt: Hier gibts noch mal Leute, denen ich mich nicht permanent erklären muss, daher hab ich mich ziemlich schnell wohlgefühlt. In Recklinghausen musste man früher sogar manchmal erklären, warum man Veganer ist. Und mit der Musik, die man gehört hat, kam man selbst bei den Leuten nicht an, die sich schon als alternativ bezeichneten. Hier in Münster fühlte man sich dagegen irgendwie aufgehoben. Aber das ist für mich trotzdem keine Stadt, in der ich für immer wohnen will. Ich hab hier einen guten Job, aber irgendwann werde ich bestimmt auch noch mal umziehen. Münster hat für uns keine so große Relevanz.
Das Wort Punk fällt in eurem Zusammenhang recht oft. Zurecht?
Nee, ich weiß auch nicht, das ist halt unser Background. Wir haben schon alle ein Punkvergangenheit. Aber Messer ist für mich eigentlich keine richtige Punkband. Für mich ist das eine Rockband plus. Rockband plus, so leg ich mir das immer zurecht. Wir machen Rockmusik, sind dabei experimentierfreudig und setzen uns keine Grenzen. Im Moment arbeiten wir sogar an elektronischeren Stücken.
Dieses Punkding kommt wohl daher, dass wir eine gewisse Rauheit mitbringen. Dass wir alle nicht so die Strahlemänner auf der Bühne sind und irgendwie auch komisch aussehen oder so. Ich weiß es nicht, ich mach mir darüber nicht so viele Gedanken. Wenn das jemand als Punk empfindet, weil für ihn eine gewisse Energie drin steckt, bin ich damit auch cool.
Und vor dem Wort Pop würdest du dich wahrscheinlich auch nicht wehren.
Nö. Ich mag Popmusik. Also Pop ist natürlich auch ein genauso oberflächlicher Begriff wie Punk. Dafür interessiere ich mich aber sehr. Ein Dachbegriff für etwas Künstlerisches, das aber auch an Öffentlichkeit denkt - wenn man Pop so zusammenfasst: Klar, auf jeden Fall. Ich hab auch die schnulzigsten, kitschigsten Platten hier stehen. Gestern hab ich sogar Herbert Grönemeyer gehört, das darfste aber niemandem erzählen. (lacht)
Durch welche Sozialisation bzw. welche Bandmitglieder habt ihr zu eurem jetzigen düsteren Sound gefunden, den viele Post-Punk nennen?
Wir sind alle relativ breit gefächert, was die musikalischen Geschmäcker angeht. Pogo steht zum Beispiel total auf This Heat, was man an manchen Stellen vielleicht erkennt. Philipp steht dagegen total auf Prefab Sprout, der ist echt ein Popper. Pascal hört gar nicht so viel Musik, der macht eher Musik. Und ich interessier mich für alles mögliche. Es gab früher in Münster diesen Plattenzirkel, da haben wir regelmäßig mitgemacht. Man hat sich mit mehreren Leuten getroffen und eine Nacht lang getrunken und geraucht. Jeder hat drei Platten mitgebracht. Da hat man noch mal viele Einflüsse bekommen. Eine prägende Zeit.
Dass die Leute jetzt über Post-Punk schreiben, kann ich schon verstehen. Ich finde das eigentlich auch gut, weil Punk erst mal für Energie und was Radikales steht. Und alles, was daraus an Umformungen entsteht, ist dann Post-Punk. Man nimmt eine gewisse Haltung mit und macht was draus. Das finde ich super, so würde ich uns durchaus verstehen.
Aber wir haben nicht gesagt: Wir machen jetzt eine Band, Genre: Post-Punk. Sondern da findet wirklich ein freies, experimentelles Songwriting statt. Ich kann aber nachvollziehen, dass das bei der neuen Platte vermehrt als Etikett auftaucht. Auch durch die Zusammenarbeit mit Tobias Levin und die verfremdenden Effekte auf Gitarre, Bass und Schlagzeug. Wenn du halt einen Choruseffekt benutzt, assoziiert das direkt so was.
Hatte Produzent Tobias Levin denn großen Einfluss auf den Sound? Oder hat er am Schluss nur noch mal alles zusammengebracht?
Tobias hatte zumindest auf die Struktur der Stücke gar keinen Einfluss. Der hat uns noch mal ein bisschen weg gebracht von diesem Bleibt-aufm-Takt-Ding, das die Rhythmussektion natürlich perfektionistisch anpeilte. Das war, glaube ich, ein sehr großer Einfluss: dass wir organisch gespielt haben. Die drei haben ihre Parts live eingespielt, ich habe dann später eingesungen. Fehler zulassen war uns wichtig. Contre le perfectionnisme, wenn man eine Parole bringen will. Das war wirklich ein toller Einfluss von ihm, zu sagen: So hört niemand Musik. Keiner zählt mit, ob alles auf den Takt kommt, sondern die Leute wollen Energie.
Auch auf den Gesang hatte er Einfluss, weil wir noch Backing-Vocals aufgenommen haben. Ich sollte beispielsweise Textzeilen in eine imaginierte Schlucht schreien. Er ist ein wahnsinnig toller Produzent und vor allem ein toller Mischer. Das hat auch noch mal richtig viel Dynamik reingebracht. Die richtigen Sachen raussuchen und zusammenbringen: Dadurch hat er den Sound, glaube ich, geprägt.
Bei den seltsamen Backing-Vocals von "Die Kapieren Nicht" dachte ich anfangs beim Hören immer, da säße noch jemand mit im Raum.
Das fand ich auch total weird und schräg. Aber das ist Tobias' Haltung zur Musik, die dann Einfluss auf uns gewonnen hat: Es wird interessant, wo Brüche auftreten. Wenn das erste Mal noch klar ist und das zweite Mal komisch und anders. Der hat zum Beispiel bei Effekten auf dem Schlagzeug einen Hall auf der Snare zwei mal gemacht und beim dritten Mal nicht mehr. Da stolpert man total drüber. Aber man bleibt halt hängen und so gewinnt das irgendwie Charakter. Das fand ich super.
Ich hab vorhin erst wieder mit ihm telefoniert, er hat gerade mit Ja, Panik die Platte gemacht. Der ist echt ein Kumpel geworden. Das war total super. Andere träumen davon, mit dem zu arbeiten. Wir haben uns kompromisslos drauf eingelassen. Außerdem hatten wir uns nicht beworben, er war nach dem Konzert in Hamburg auf uns zugekommen. Ich glaube, so ein Zusammentreffen ist ideal. Dann funktionierts auch richtig gut.
"Ich betrachte Messer als politische Band."
Dem neuen Printmagazin Das Wetter hast du deine Texte zur Verfügung gestellt, die dann von mehreren Leuten analysiert wurden. Empfindest du das Ergebnis teilweise nicht auch als seltsam?
Doch, klar. Jan Drees ist beispielsweise ein Bekannter von mir. Der arbeitet bei EinsLive. Ich kenne den aber von der Uni, weil wir denselben Doktorvater haben. Und ich wusste gar nicht, wie der schreibt, weil ich den noch nicht so lange kenne. Aber ich dachte, der hat da Bock drauf. Daher habe ich ihn gefragt. Bei manchen Sachen dachte ich da schon so: Was geht?! Aber irgendwie fand ichs halt auch cool.
Das mit Kristof Schreuf war natürlich heftig. Denn der hat die Aufgabenstellung komplett missachtet und nur zum ersten Stück "Angeschossen" geschrieben. Das war dafür sehr intensiv. Von Kristof Schreuf eine ganze A4-Seite über einen Song zu lesen, war für mich schon eine krasse Hausnummer. Ich hab seinen Text aber bis heute noch nicht ganz verstanden. So ist Kristof. Das ist ja der beste Freund von Tobias Levin. Die sind irgendwie ähnlich und stecken auch die ganze Zeit zusammen. Die haben eine Coolness an sich, sind dadurch total zugänglich, dabei aber ultrakomplex. Deren Gehirne hätte ich gerne, das ist unglaublich.
Du malst auch all eure Cover selbst. Wird das erst mal so bleiben?
Ja, mir gefällt das. Ich mal gerne und durch Messer bekommt das natürlich noch mal eine neue Aufmerksamkeit. Malen, schreiben und singen: Für mich sind das verschiedene Medien des Ausdrucks, die zusammen gehören. Für das Cover der neuen Platte dachte ich aber noch an einen anderen Künstler, den wir alle sehr toll finden und der uns auch mal für ein T-Shirt inspiriert hat. Florian Süßmeyer, ein Münchner Maler mit Punkbackground, Autoditakt. Zu dem habe ich ein paar Parallelen gesehen.
Den habe ich einfach mal ganz stumpf kontaktiert und er hat sogar geantwortet. Ich hab ihm eine Platte und ein T-Shirt geschickt und ihn fast überredet, dass er das Cover malt. Dann haben aber alle Leute in unserem Umfeld gesagt: Nein. Hendrik, mal du das. Das ist doch bescheuert. Warum soll der das malen? Mach du das, das gehört jetzt schon zu euch. Dann habe ich mich überreden lassen - und er hat sich sowieso nicht mehr gemeldet. (lacht)
Das homoerotische Video zur zweiten Single "Die Kapieren Nicht" verstehe ich durchaus als politisches Statement. Habt ihr dafür bewusst den meiner Meinung nach größten Hit der Platte gewählt?
Nee nee, das war ganz anders. Manuel Gehrke ist ein langjähriger Freund, der damals auch das Video zu "Was Man Sich Selbst Verspricht" gedreht hat. Das war ein bisschen wie eine Dada-Collage, das fanden wir total cool. Wir haben ihn einfach machen lassen und er hat uns nicht enttäuscht. Daher meinten wir diesmal: Manuel, machst du wieder ein Video für uns? Du darfst machen was du willst. Und er sagte: Ja, klar.
Zwei Tage vor Abgabe schickte er uns einen Screenshot von den Dreharbeiten. Zuvor hatte er uns bereits gesteckt, dass da zwei Typen ziemlich heftig miteinander rummachen werden. Dann hab ich diesen Screenshot gesehen und dachte schon: Okay, krass. Jetzt gehts ab. Das wird ein wildes Video. Es ging gar nicht darum, ein politisches Video zu drehen, sondern wirklich nur um Ästhetik. Ich hatte aber dann das Gefühl, dieses Video einfach kontextlos so zu rauszubringen, könnte auch als Provokation empfunden werden, die es eigentlich gar nicht sein sollte. Das war vielleicht etwas zu viel Sorge.
Aber ich bin ein großer Fan von John Maus, der diesen ganz einfachen Song hat: Rights for gays, oh yeah! Super Song. Wenn du den nicht kennst, hör ihn dir an. Ich fand es irgendwie stimmig, das am Ende noch als Zitat einfließen zu lassen, um mal kurz zu sagen: Schaut mal, was gerade abgeht, wie homophob die Gesellschaft ist. Was in Russland abgeht, in so vielen Ländern, in Deutschland natürlich genauso, in Polen und so weiter. Homophobie ist überall ein Problem. Daher wollte ich dieses Statement einfach subtil verpflanzen. Und so wurde es durchaus ein politisches Video.
Sehr gelungen, finde ich. Auch wenn es durchaus vor den Kopf gestoßen hat - euch wahrscheinlich genauso.
Ja, als ich das zum ersten Mal gesehen hab, fand ich es natürlich auch krass. Es ist schließlich keine subtile Homoerotik, sondern die Jungs gehen halt megaheftig ab. (lacht) Witzigerweise wollten Oliver Schwabe und Christian Becker, die unser "Neonlicht"-Video gedreht haben, eigentlich auch was mit Sexualität machen. Die Vorschläge schmeckten uns aber irgendwie nicht, das war uns zu hetero. Aber die hatten unabhängig von Manuel die Idee, zu einem Song von uns ein erotisches Video zu machen. Das finde ich cool, denn das bedeutet ja, dass wir scheinbar so was ausstrahlen. (lacht)
Würdest du euch denn generell als politische Band bezeichnen?
Ja, schon. Wir sind alle politisch und nutzen Messer auch für gewisse Botschaften. Aber wir sind nicht konkret politisch. Es geht eher darum, aus einer Distanz existenzielleren Fragestellungen nachzugehen oder sie erst mal aufzuwerfen. Aber wir kommen alle ganz klar aus einer linken Ecke, sind alle gegen Sexismus und gegen jegliche Form von Diskriminierung. Auch dieser Aufschrei, der vielleicht in Messer steckt, stellt ja schon eine politische Geste dar. Keine direkt motivierte, aber das steckt da mit drin.
Siehst du Gründe dafür, dass in der heutigen Popmusik so wenig konkret Politisches steckt, gerade wenn man beispielsweise die aktuellen Singer/Songwriter mit den Liedermachern von damals vergleicht? Liegt das nur an einem gewissen Überfordertsein am Weltgeschehen?
Daran sicher auch. Aber sicher auch am Archiv und daran, dass alles zugänglich ist. Die Einflüsse sind so krass, dass sich die Identitätsfindung gar nicht so einfach gestaltet. Und ich glaube auch, dass die Zeiten sich geändert haben, dass sich der Betrieb geändert hat. Dass viele Künstler daran denken müssen: Womit komme ich an? Mit seichteren Sachen womöglich besser als mit Problematisierung.
Es ist bekanntlich nicht die Lieblingsbeschäftigung von Musikern, ihren eigenen Stellenwert zu besprechen. Aber den letzten Satz eures Pressetextes würde ich doch gerne noch aufgreifen: 'Ich wette, dass Messer Vorreiter für einen großen Wave- & Gothic-Wiederbelebungstrend werden.'
Wo stand das?
Im Pressetext, der war glaube ich von einem Duesenjaeger-Mitglied.
Ach ja, von Tobias Neumann. Das hatte ich gerade gar nicht ganz auf dem Schirm. Ich sehe uns gar nicht so sehr in der Ecke. Klar, das Album ist waviger als "Im Schwindel". Aber wir haben keinen einzigen Synthesizer auf der Platte. Das sind alles Gitarren und Effekte. Ich glaube, in diesem Tobi Neumann-Text, den ich super geschrieben finde, ging es eher darum, den Journalisten einen Referenzkatalog hinzulegen. Weil das eben viele Journalisten brauchen, was ich irgendwie auch nachvollziehen kann.
Als Teil eines Wave- und Gothic-Trends sehe ich uns aber nicht wirklich. Der einzige Trend, zu dem ich uns vielleicht zählen würde: Es gibt immer mehr deutschsprachige Bands, die nicht weichgespült sind. Nichts gegen weichgespülte Bands, darum geht es gar nicht. Aber ich glaube, dass viele Musiker nicht mehr so Bock auf Happy Indie haben, so voller Grinsen und Hedonismus. Hedonismus spielt bei uns auch eine Rolle, aber anders. Da stecken wir wohl mit ein paar anderen Bands wie Die Nerven, Candelilla, 206 oder Zucker drin. Es gibt wieder Bands, die etwas problematisieren. Und das ist, finde ich eine gute Tendenz.
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